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Gesundheit und Medizin

Pandemie hinterlässt bei Ärzten Spuren

Münster - Zwei Jahre Covid‐19-Pandemie waren für die Ärzteschaft – sowohl in den Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich – mit immensen Belastungssituationen und auch großen physischen und psychischen Herausforderungen verbunden. In einer Online-Umfrage unter 1476 ärztlichen Mitgliedern der Ärztekammer Westfalen‐Lippe im Zeitraum von Mitte November bis Ende Dezember des Vorjahres wurde erhoben, wie die Mediziner mit den Herausforderungen im Arbeitsalltag umgegangen sind und welche Auswirkungen sie selbst erlebt haben.

„Im vorigen Jahr wurde immer häufiger von überlasteten und erschöpften Ärzten berichtet. Wir wollten das Problem mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen“, erklärt der Studienleiter und Kardiologe Prof. Andreas Goette vom St. Vincenz‐Krankenhaus Paderborn, der das Projekt gemeinsam mit dem Psychosomatiker Prof. Karl-Heinz Ladwig von der Technischen Universität München in Kooperation mit dem Kompetenznetz Vorhofflimmern und der Ärztekammer Westfalen umgesetzt hat.

Bei der anonymisierten Erhebung der Daten wurden Fragen zur Lebenssituation der Ärzte genauso gestellt wie zu den von ihnen behandelten Patienten sowie zu den Belastungen, denen sie selbst ausgesetzt waren. Die knapp 1500 Teilnehmer waren etwa zur Hälfte Krankenhaus- und zur Hälfte niedergelassene Ärzte. Sie arbeiten in Kliniken und Praxen der Fachgebiete Allgemeinmedizin, innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie sowie Kinder- und Jugendheilkunde. Die meisten von ihnen hatten bereits mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

„Schwer beherrschbarer psychosozialer Stress“

Die Mehrheit (84 Prozent) der Befragten hatte selbst Covid-19-Patienten behandelt. Nach Aussage der Mediziner ging dies mit großen Einschränkungen im Arbeitsalltag einher. Rund drei Viertel fühlten sich in ihrer Arbeit beeinträchtigt und berichteten, die akute Behandlung von Nicht-Covid-19-Patienten sei eingeschränkt, wobei 52 Prozent „etwas eingeschränkt“ angaben, 29 Prozent „stark eingeschränkt“.

Nach Einschätzung der befragten Ärzte konnte in etwa einem Drittel der Fälle die Patientenwürde nicht gewahrt werden. 43 Prozent fühlten sich durch externe Vorgaben in ihrem ärztlichen Handeln behindert.

Die besonderen Belastungen während der Pandemie hatten teils deutliche Auswirkungen auf die Befragten selbst: So fühlten sich rund 60 Prozent der Ärzte hilflos. Mehr als die Hälfte litt an Schlafstörungen und über drei Viertel berichteten über Erschöpfungssymptome und sogenannte „Mitgefühlsmüdigkeit“ („compassion fatigue“) in der ärztlichen Arbeit. Klinische Anzeichen einer Depression zeigten sich bei 12 Prozent der Befragten und Anzeichen einer Angststörung bei weiteren 12 Prozent. Nach der ersten Datenauswertung sind die Beeinträchtigungen bei den Krankenhausärzten stärker ausgeprägt als im niedergelassenen Bereich.

„Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen deutlich: Die Pandemie und insbesondere die Behandlung von Covid-19-Patienten haben gravierende Folgen für die ärztliche Arbeit. Sogar die Würde der Patienten kann in vielen Fällen nicht mehr respektiert werden“, fasst Ladwig zusammen. Dadurch werde das ärztliche Handeln in seinen ethischen Grundzügen infrage gestellt. Zudem habe sich gezeigt, dass die Belastungen auch an erfahrenen Medizinern nicht spurlos vorübergehen, „sondern zu schwer beherrschbarem psychosozialem Stress führen“.

Die Experten arbeiten derzeit an der wissenschaftlichen Publikation der Studie. Weitere Datenauswertungen befassen sich unter anderem mit möglicherweise unterschiedlichen Folgen der Pandemie für Klinik- und niedergelassene Ärzte sowie mit eventuell geschlechtsspezifischen Unterschieden unter den Befragten. (red)

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