Otitis externa diffusa in der Badesaison

Jatros

Autor:

Dr. Daniel Dejaco

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Medizinische Universität Innsbruck E-Mail: daniel.dejaco@i-med.ac.at

12.07.2018

<div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Diagnosestellung der akuten Otitis externa diffusa erfolgt klinisch – Leitsymptom: rasch auftretende, starke Otalgie; Leitbefund: Gehörgangsschwellung, Ohrmuschelzugschmerz, Tragusdruckschmerz; weiterführende Diagnostik nur bei Risikopatienten.</li> <li>Adäquate analgetische Therapie ist Pflicht und wird in Leitlinien ausdrücklich gefordert.</li> <li>Antibiotische Therapie der unkomplizierten akuten Otitis externa diffusa erfolgt ausschließlich topisch.</li> <li>Ohrstreifen aus Wundgaze transportieren Ohrentropfen wie ein Docht in die tieferen Abschnitte des Gehörganges, regelmäßige Applikation von Antibiotikum auf Ohrstreifen nötig; vorher Gehörgangsreinigung.</li> </ul> </div> <h2>Definition, Ätiologie und Epidemiologie</h2> Die dAOE ist eine akut auftretende, sehr schmerzhafte diffuse Entzündung der Gehörgangshaut mit möglicher Beteiligung der Ohrmuschel und des Trommelfells.1 Die Ätiologie ist multifaktoriell.1 Regelmäßiger Wattestäbchengebrauch,2 Hörgeräteversorgung3 und Wasserexposition4 führen zur Alkalisierung des pH-Wertes des Gehörgangs,5 was Infektionen begünstigen kann. Etwa 98 % aller dAOE sind bakteriell bedingt.6 Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa), ein ubiquitärer Feuchtkeim, gilt mit einer Prävalenz von 20–60 % als häufigster Erreger der dAOE.6 Seltener, und in absteigender Häufigkeit, treten Infektionen durch Staphylokokkus aureus (S. aureus), polymikrobielle Mischinfektionen, gramnegative Infektionen oder Pilze auf.6 Die dAOE ist eine sehr häufige Erkrankung mit einer Lebenszeitinzidenz von bis zu 10 % .7 Kinder zwischen 5 und 15 Jahren sind am häufigsten betroffen.8 Die dAOE tritt in wärmeren Regionen mit schlechterer Wasserqualität häufiger auf.1 Etwa 40–50 % der jährlichen Diagnosen werden in den Sommermonaten Juni bis August gestellt.9

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Die akute Otitis externa diffusa (dAOE) entsteht oft nach Schwimmen oder Aufenthalt im Wasser und wird dann als „Badeotitis“ bezeichnet. Die dAOE ist eine sehr häufige Erkrankung, insbesondere in den Sommermonaten Juni bis August. Pseudomonas aeruginosa, ein ubiquitärer Feuchtkeim, gilt als häufigster Erreger und führt zu einer rasch auftretenden, schmerzhaften Entzündung des Gehörgangs. Ein weiterer häufiger Erreger ist Staphylokokkus aureus. <div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Diagnosestellung der akuten Otitis externa diffusa erfolgt klinisch – Leitsymptom: rasch auftretende, starke Otalgie; Leitbefund: Gehörgangsschwellung, Ohrmuschelzugschmerz, Tragusdruckschmerz; weiterführende Diagnostik nur bei Risikopatienten.</li> <li>Adäquate analgetische Therapie ist Pflicht und wird in Leitlinien ausdrücklich gefordert.</li> <li>Antibiotische Therapie der unkomplizierten akuten Otitis externa diffusa erfolgt ausschließlich topisch.</li> <li>Ohrstreifen aus Wundgaze transportieren Ohrentropfen wie ein Docht in die tieferen Abschnitte des Gehörganges, regelmäßige Applikation von Antibiotikum auf Ohrstreifen nötig; vorher Gehörgangsreinigung.</li> </ul> </div> <h2>Definition, Ätiologie und Epidemiologie</h2> Die dAOE ist eine akut auftretende, sehr schmerzhafte diffuse Entzündung der Gehörgangshaut mit möglicher Beteiligung der Ohrmuschel und des Trommelfells.1 Die Ätiologie ist multifaktoriell.1 Regelmäßiger Wattestäbchengebrauch,2 Hörgeräteversorgung3 und Wasserexposition4 führen zur Alkalisierung des pH-Wertes des Gehörgangs,5 was Infektionen begünstigen kann. Etwa 98 % aller dAOE sind bakteriell bedingt.6 Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa), ein ubiquitärer Feuchtkeim, gilt mit einer Prävalenz von 20–60 % als häufigster Erreger der dAOE.6 Seltener, und in absteigender Häufigkeit, treten Infektionen durch Staphylokokkus aureus (S. aureus), polymikrobielle Mischinfektionen, gramnegative Infektionen oder Pilze auf.6 Die dAOE ist eine sehr häufige Erkrankung mit einer Lebenszeitinzidenz von bis zu 10 % .7 Kinder zwischen 5 und 15 Jahren sind am häufigsten betroffen.8 Die dAOE tritt in wärmeren Regionen mit schlechterer Wasserqualität häufiger auf.1 Etwa 40–50 % der jährlichen Diagnosen werden in den Sommermonaten Juni bis August gestellt.9 <h2>Diagnose und Differenzialdiagnosen</h2> Die Diagnose der dAOE wird klinisch gestellt (Tab. 1). Als Leitsymptom der dAOE ist die rasch auftretende, ausgeprägte Otalgie obligat.1 Häufig werden in diesem Zusammenhang rezente Badeaktivitäten angegeben. Eine Hörminderung oder Schmerzen im Bereich des Kiefergelenks können begleitend vorliegen.1 Als Leitbefunde der dAOE sind der Tragusdruckschmerz und der Ohrmuschelzugschmerz und/oder das Vorliegen einer Rötung und Schwellung des Gehörgangs obligat.1 Das Einsetzen des Ohrtrichters ist oft schmerzhaft. Der Gehörgang ist diffus geschwollen und gerötet,1 das Trommelfell häufig nur partiell einsehbar. Eine begleitende Otorrhö kann vorliegen.1 Eine begleitende Stimmgabelprüfung ist obligat. Typischerweise wird bei Durchführung des Weber-Tests eine Abweichung hin zur Mitte oder lateral zum betroffenen Ohr hin festgestellt. Der Rinne-Test ist normal oder negativ. Bei anderen Ergebnissen der Stimmgabelprüfungen sowie bei Risikopatienten ist eine weiterführende Diagnostik indiziert (Tab. 2).1 <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s29_1.jpg" alt="" width="1690" height="680" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s29_2.jpg" alt="" width="1417" height="878" /> Neben einer Vielzahl seltener Differenzialdiagnosen für die dAOE sollten die akute Otitis externa circumscripta (cAOE; Haarbalgentzündung am Gehörgangseingang), die akute Otitis media (AOM) und das Gehörgangsekzem (GGE) von der dAOE abgegrenzt werden.1 Alle Differenzialdiagnosen können klinisch differenziert werden und unterscheiden sich hinsichtlich Entzündungsort, Ätiologie und Therapie (Tab. 3). Bei therapierefraktärem Verlauf sollten eine Otitis externa maligna (mAOE) und ein Gehörgangskarzinom ausgeschlossen werden.1 <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks_s29_3.jpg" alt="" width="2151" height="608" /> <h2>Therapie</h2> Die Therapie der dAOE umfasst zum einen die Behandlung der Schmerzen, zum anderen die Behandlung der Infektion.1 Bei der Behandlung der dAOE wird der Stellenwert einer suffizienten Schmerztherapie häufig unterschätzt.1 Im Bereich des tieferen Anteils des äußeren Gehörgangs steht die Dermis in direktem Kontakt zum darunterliegenden Periost. Dies wird als mögliche Ursache für die starken Schmerzen in Zusammenhang mit der dAOE diskutiert.10 Die Amerikanische Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie (AAO-HNS) hat dementsprechend eine starke Empfehlung ausgesprochen, bei jeder dAOE frühzeitig eine adäquate Schmerztherapie zu beginnen.1 Vor allem eine frühzeitige, in regelmäßigen Intervallen eingenommene Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (z.B. Ibuprofen 400mg dreimal täglich) wird als effektiv in der Schmerzreduktion angesehen.11 Die Behandlung der Infektion im Rahmen der unkomplizierten dAOE bei fehlenden Risikofaktoren (Tab. 2) erfolgt ausschließlich topisch.1 Mittels topischer Antibiotika können 100- bis 1000-fach höhere Konzentrationen im entzündeten Gehörgang erreicht werden.12, 13 So werden prolongierte, subtherapeutische Antibiotikakonzentrationen vermieden und der Resistenzentwicklung vorgebeugt. Eine systemische Antibiose bei dAOE erreicht in der Regel keine adäquaten Wirkspiegel im Gehörgang, ist häufig ineffektiv gegen die wichtigsten Erreger P. aeruginosa und S. aureus, führt häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen und kann zur Resistenzentwicklung führen.12, 13 Dennoch werden bei bis zu 40 % der Patienten mit unkomplizierter dAOE im angloamerikanischen Raum zusätzlich zur topischen Antibiose systemische Antibiotika verschrieben.14–16 Vor diesem Hintergrund hat die AAO-HNS zum einen eine starke Empfehlung gegen die Anwendung von systemischen Antibiotika und eine Empfehlung für die Anwendung von topischen Antibiotika bei unkomplizierter dAOE ausgesprochen. Basierend auf drei Metaanalysen wird darin des Weiteren festgehalten, dass bei den topischen Präparaten kein klinisch relevanter Unterschied im Therapieansprechen zwischen Quinolonen (z.B. Ciprofloxacin), Nicht-Quinolonen (z.B. Neomycin, Polymyxin B), Monopräparaten und Kombinationspräparaten beobachtet werden konnte.17–19 Lediglich bei vermuteter oder gesicherter Trommelfellperforation oder liegenden Paukenröhrchen sollte bei dAOE einem nicht ototoxischen, topischen Antibiotikum (z.B. Ciprofloxacin) der Vorzug gegeben werden.1 In den übrigen Fällen obliegt die Wahl des topischen Antibiotikums dem behandelnden Arzt.1 Weiters wird von der AAO-HNS empfohlen, die Applikation der topischen Antibiotika zu optimieren.1 Zum einen wird hierzu trotz Fehlens von randomisierten Studien eine Gehörgangsreinigung empfohlen.20 Zum anderen sollten Patienten genau instruiert werden, wie die topischen Antibiotika anzuwenden sind.1 Vor allem die Applikation der topischen Antibiotika durch Dritte und nicht durch den Patienten selbst soll die Therapieadhärenz signifikant steigern.21 Weiters ist bei ausgeprägter Gehörgangsschwellung die Einlage eines Ohrstreifens aus Wundgaze in Erwägung zu ziehen.22 Dieser fungiert als Docht und soll gewährleisten, dass das Antibiotikum mit dem gesamten entzündeten Gehörgang Kontakt hat. Der Ohrstreifen selbst entfaltet keine antimikrobielle Wirkung und muss mehrmals täglich mit topischen Antibiotika benetzt werden. Obwohl auch hier keine Daten aus randomisierten klinischen Studien vorliegen, wird die Verwendung eines Ohrstreifens in den AAO-HNS-Leitlinien empfohlen.1 Abschließend empfiehlt die AAO-HNS, das Therapieansprechen 48 bis 72 Stunden später zu reevaluieren, da sich eine unkomplizierte dAOE bis dahin deutlich gebessert haben sollte.1, 2 Eine Ausnahme zur starken Empfehlung der AAO-HNS gegen die Anwendung von systemischen Antibiotika stellen alle Patienten dar, die entsprechende Risikofaktoren aufweisen,1 allen voran Diabetes mellitus Typ 2 (Tab. 2). <h2>Fazit</h2> Die akute Otitis externa diffusa ist eine sehr häufige Erkrankung7 in den Sommermonaten9 und für den Betroffenen sehr schmerzhaft.1 Die Diagnose wird klinisch gestellt,1 wobei als Leitsymptom die rasch auftretende, ausgeprägte Otalgie und als Leitbefunde der Tragusdruckschmerz und der Ohrmuschelzugschmerz wegweisend sind.1 Eine weiterführende Diagnostik ist nur bei entsprechendem Risikoprofil indiziert.1 In der Behandlung der dAOE wird der Stellenwert einer suffizienten Schmerztherapie häufig unterschätzt.1 Die antibiotische Therapie der unkomplizierten dAOE erfolgt im Regelfall topisch,1 im Idealfall appliziert durch Dritte und nicht den Patienten selbst.21 Eine Ohrstreifen-Einlage ist bei ausgeprägter Gehörgangsschwellung in Erwägung zu ziehen,1 fungiert allerdings lediglich als Docht. Eine regelmäßige Applikation von topischem Antibiotikum auf den Ohrstreifen ist obligat. Ein trockener Ohrstreifen bringt keine Heilung. Eine systemische Antibiose erzielt in der Regel keine adäquaten Wirkspiegel im Gehörgang12, 13 und sollte für Patienten mit entsprechendem Risikoprofil vorbehalten werden.1 <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> 1 Rosenfeld RM et al.: Otolaryngol Head Neck Surg 2014; 150(2): 161-8 2 Nussinovitch M et al.: Int J Pediatr Otorhinolaryngol 2004; 68(4): 433-5 3 Brook I, Coolbaugh JC: Laryngoscope 1984; 94(7): 963-5 4 Hoadley AW, Knight DE: Arch Environ Health 1975; 30(9): 445-8 5 Martinez Devesa P, Willis CM, Capper JW: Clin Otolarnygol Allied Sci 2003; 28(4): 320-4 6 Roland PS, Stroman DW: Laryngoscope 2002; 112(7 Pt 1): 1166-77 7 Raza SA, Denholm SW, Wong JC: J Laryngol Otol 1995; 109(2): 130-3 8 Beer SL, Abramo TJ: Pediatr Emerg Care 2004; 20(4): 250-6 9 Center of Disease Control and Prevention (CDC): Estimated burden of acute otitis externa--United States, 2003–2007. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2011; 60(19): 605-9 10 Goguen LA: External otitis: Pathogenesis, clinical features, and diagnosis. Online: https://www.uptodate.com/contents/external-otitis-pathogenesis-clinical-features-and-diagnosis. UpToDate© 2018. 11 Valencia CG, Valencia PG: Invest Med Int 1987; 14: 56-60 12 Levy SB: The Antibiotic Paradox: How the Misuse of Antibiotic Destroys Their Curative Powers. 1st edition. Cambridge, MA. Perseus Publishing, 2002. ISBN 0-7382-0440-4 13 McCormick AW et al.: Nat Med 2003; 9(4): 424-30 14 McCoy SI, Zell ER, Besser RE: Pediatr Infect Dis J 2004; 23(2): 181-3 15 Halpern MT, Palmer CS, Seidlin M: J Am Board Fam Pract 1999; 12(1): 1-7 16 Dibb WL: J Infect 1991; 22(3): 233-9 17 Martin TJ, Kerschner JE, Flanary VA: Int J Pediatr Otorhinolaryngol 2005; 69(11): 1503-8 18 Rosenfeld RM et al.: Otolaryngol Head Neck Surg 2006; 134(4 Suppl): S24-48 19 Mösges R et al.: Curr Med Res Opin 2011; 27(10): 2053-60 20 Tsikoudas A, Jasser P, England RJ: Clin Otolaryngol Allied Sci 2002; 27(4): 260-2 21 Agius AM, Reid AP, Hamilton C: Clin Otolaryngol Allied Sci 1994; 9(2): 138-41 22 Smathers CR: South Med J 1977; 70(5): 543-5 </div>

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