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Gesundheit und Forschung

Deutsches Forschungsprojekt nimmt sich geschlechtsspezifische Schmerztherapie zum Thema

Witten - Deutschland zählt weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Opioiden bei chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen. Darunter fallen Erkrankungen wie Arthrose, entzündliches Gelenkrheuma, chronische Rückenschmerzen und Fibromyalgie. Ein neues Forschungsprojekt der Universität Witten/Herdecke (UW/H) zielt auf die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte ab, bei denen geschlechts-, kultur- und rollenbezogene Faktoren stärker als bisher berücksichtigt werden.

„Bei der individuellen Therapie kommt es auf ein umfassendes Konzept an. Allein auf starke Schmerzmittel wie Opioide zu setzen, kann zu einer Fehlversorgung mit mehr Risiken als Nutzen für Patientinnen und Patienten führen“, betont Prof. Dr. Achim Mortsiefer von der UW/H und einer der Leiter des Projektes. Bei fehlenden Behandlungserfolgen komme es häufig zu einem Kreislauf aus Resignation und Rückzug bei Versorgten und Versorgenden.

Patienten mit chronischen Schmerzen und zugleich psychischen Vorerkrankungen sind dabei besonders gefährdet für eine Fehlversorgung mit Opioiden. „Die Schmerztherapie sollte stärker als bisher darauf eingehen, dass sich das Erleben und die Verarbeitung von chronischen Schmerzen zwischen Frauen und Männern deutlich unterscheiden“, so Dr. Christine Kersting, die das Projekt zusammen mit Mortsiefer leitet. Der Forschungsansatz läuft unter dem Kurznamen GESCO (Entwicklung und Pilotierung einer geschlechtssensiblen primärmedizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen unter Opiat-Langzeittherapie). Durch das interdisziplinäre Team soll eine Intervention entwickelt werden, die Hausärzte dazu befähigt, ihre Patienten mit chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen erfolgreich zu behandeln und eine mögliche Fehlversorgung mit Opiaten zu erkennen und zu verringern.

Interventionsentwicklung für Hausärzte

Das Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG) führt das im April gestartete Projekt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie durch.

Ein interdisziplinäres Projektteam soll sich in der Folge mit anderen Forschungsgruppen aus der Schmerzforschung, Suchtmedizin, Psychotherapie und Genderforschung in der Medizin vernetzen. Da der geschlechtssensible Versorgungsansatz innovativ ist, läuft die Interventionsentwicklung in vier umfangreichen Phasen ab: Zunächst werden systematische Literaturanalysen in Themenbereichen wie Schmerz- und Suchtmedizin, aber auch Arzt-Patienten-Kommunikation erstellt. Anschließend wird die Intervention mithilfe von Fortbildungen für die Hausärzte erprobt und mit Fragebögen und offenen Interviews aufseiten der Versorgenden und Versorgten evaluiert. Schließlich erfolgen die Auswertung und der Transfer der Ergebnisse mithilfe der Projektbeteiligten. Ziel ist es, die Intervention künftig in der Praxis anwendbar zu machen. Neben den Hausärzten sollen deshalb auch betroffene Patienten in die Forschungsplanung und Interventionsentwicklung einbezogen werden. (red)

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