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Gesundheit und Medizin

Deutsche Experten auf der Suche nach Antworten: warum manche Menschen bislang kein Corona hatten …

Berlin - Nach mehr als zwei Jahren Pandemie und der nun abflauenden Omikron-Welle mit bundesweit Millionen Infizierten gibt es nach wie vor Menschen, die sich noch nicht wissentlich mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Wissenschaftliche Erklärungsansätze dazu gibt es mehrere – bei einer definitiven Antwort, die Nichtansteckungen erklärt, tun sich aber selbst Experten schwer. Vielmehr sehen sie den Schlüssel in einer Kombination verschiedener Umstände.

„Es gibt einige Hypothesen, die plausibel erscheinen“, sagt Leif Sander, der die Klinik für Infektiologie an der Berliner Charité leitet. Zunächst müsse man bedenken, dass ein gar nicht so kleiner Teil der Fälle weitgehend oder völlig unbemerkt verläuft. In einer Überblicksarbeit von Ende 2021 im „Jama Open Network“ bilanzierten die Autoren, dass sogar bei bestätigten Coronainfizierten rund 40 Prozent zum Testzeitpunkt keine Krankheitsanzeichen hatten. Grundlage waren knapp 100 verschiedene internationale Studien mit Daten von insgesamt rund 30 Millionen Menschen.

Die Testhäufigkeit spielt vor diesem Hintergrund eine Rolle beim Erkennen von Infektionen. Wer sich eher unregelmäßig testen lässt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine sehr milde oder asymptomatische Infektion zu übersehen. Bei häufigen Tests spürt man eher auch milde Fälle auf.

Weiters können auch die Gene eine Rolle spielen. „Es gibt Menschen, die aufgrund genetischer Merkmale zum Beispiel schlecht mit Malaria oder HIV infiziert werden können. In gewissen Abstufungen wird es das auch bei SARS-CoV-2 geben“, sagt Sander. Komplett verstanden seien die genetischen Faktoren aber nicht.

Impfschutz vermutlich unterschätzt

Nach Einschätzung von Ulf Dittmer, Direktor des Virologie-Instituts am Uniklinikum Essen, spielt die genetische Ausstattung des Immunsystems – sogenannte HLA-Moleküle – für den Schutz vor Covid-19 eine wichtige Rolle. Zudem beeinflussten Blutgruppen nicht nur die Schwere der Erkrankung, sondern vielleicht auch die Übertragung von SARS-CoV-2.

Vermutlich oft unterschätzt wird der Impfschutz: Die Spiegel der Antikörper im Blut, die in den Körper eindringende Coronaviren unschädlich machen können, sinken in der Zeit nach der Impfung zwar ab. „Der Schutz bleibt aber trotzdem über Monate signifikant. Auch das reduziert immer noch Ansteckungen“, so Sander. Immunantworten auf die Impfung unterscheiden sich darüber hinaus von Mensch zu Mensch. „Wenn die Antwort besonders gut ausfällt, kann auch die Kombination aus Impfung und einer vorherigen Infektion mit einem der vier normalen Erkältungscoronaviren eine Rolle spielen“, folgert der Charité-Professor.

Ein weiterer denkbarer Faktor: Bei manchen Menschen schmeißt das Immunsystem das Virus womöglich sehr schnell wieder aus dem Körper hinaus, wie Sander sagt. „In einer schwedischen Studie haben Forscher bei Menschen, die nach Kontakten zu infizierten Haushaltsmitgliedern nicht positiv geworden sind, spezifische T-Zellen gefunden. Ein Zeichen, dass sich deren Immunsystem durchaus mit SARS-CoV-2 auseinandergesetzt hat, auch wenn eine Infektion und auch Antikörper gegen das Virus nicht immer nachweisbar waren.“

So unterschiedlich die Ansätze sind, so schwierig scheint es zum jetzigen Zeitpunkt auch, konkrete Schlüsse zu ziehen. Menschen, die sich bislang wissentlich noch nicht infiziert haben, könnten von bestimmten vorübergehenden Effekten, noch unbekannten genetischen Faktoren und Zufällen profitiert haben. Allerdings: „Dass man Corona bisher nicht hatte, heißt nicht, dass man für alle Zeit safe ist. Das kann schon mit einer neuen Virusvariante oder situationsabhängig ganz anders aussehen“, lautet Sanders Fazit. (ag/red)

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