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Wozu noch Abklärung der erektilen Dysfunktion?
Urologik
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Matthias Waldert, FEBU
Urologische Abteilung<br> KH Hietzing, Wien
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Seit der Einführung der PDE-5-Hemmer in der Therapie der erektilen Dysfunktion (ED) kann diese mit einer Erfolgsrate von bis zu 85 % zufriedenstellend behandelt werden. Es wird jedoch weiterhin sowohl in den aktuellen EAU- als auch in den AUA-Guidelines eine über das urologische Spektrum hinausgehende Abklärung empfohlen, da die ED sowohl als Symptom zugrunde liegender internistischer Erkrankungen auftreten als auch eine entscheidende psychische Komponente aufweisen kann. Auch an eine Verschlechterung der erektilen Funktion als Nebenwirkung medikamentöser Therapien, z.B. der arteriellen Hypertonie, ist zu denken. Der folgende Artikel soll einige dieser Faktoren näher beleuchten und die multifaktorielle Ätiologie der ED darstellen.</p>
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<p class="article-content"><h2>Anamnese</h2> <p>Bei der ED handelt es sich um eine multidimensionale Erkrankung. Neben der organischen Komponente spielen auch die psychologische Dimension (Depression, Nervosität, sexueller Leistungsdruck) und die Beziehung eine entscheidende Rolle. Die Anamnese sollte auch eine detaillierte Sexualanamnese beinhalten. Zu dieser gehört neben gezielter Fragestellung bzgl. der Erektionsproblematik die Frage nach einer möglichen Ejaculatio praecox, welche von Patienten als ED missgedeutet werden kann. Die Patienten sollten auch darüber aufgeklärt werden, dass es mit zunehmendem Alter zu einer Verlängerung der Refraktärperiode zwischen den Erektionen kommen kann. Eine Schlüsselrolle kommt auch der Miteinbeziehung der Sexualpartner der Patienten zu. Es können so mögliche Konflikte in der Beziehung und deren Auswirkung auf die ED erkannt und entsprechende Therapiemodifikationen vorgenommen werden. Es konnte gezeigt werden, dass ED und die Beziehung sich wechselseitig negativ beeinflussen können. Die besten therapeutischen Langzeiterfolge konnten mit einer Kombination aus PDE-5-Hemmern und Sexualtherapie erzielt werden. Eine Verwendung validierter Fragebögen zur Ersteinschätzung der Schwere der ED und Therapiekontrolle wird empfohlen. Am gebräuchlichsten sind hier der „Erection Hardness Score“, die „Sexual Health Inventory for Men“ (SHIM) und der „International Index of Erectile Function“ (IIEF).</p> <h2>Medikamentenanamnese</h2> <p>Der Einfluss von weit verbreiteten internistischen Medikamenten auf die ED darf nicht unterschätzt werden. Bei den Antihypertensiva muss bei folgenden Medikamentengruppen von einem potenziellen negativen Einfluss ausgegangen werden: ß-Blocker, Thiazide und kaliumsparende Diuretika (antiandrogener Effekt von Spironolacton). Auch Antidepressiva, Antipsychotika, Antiepileptika und H2- Rezeptorantagonisten können sich negativ auswirken.</p> <h2>Rauchen</h2> <p>Das ED-Risiko bei Rauchern ist dosisabhängig und kumulativ. Insgesamt haben Raucher ein 1,5- bis 3,1-fach höheres Risiko als Nichtraucher. Pourmand et al. konnten zeigen, dass ein Rauchstopp zu einer 25 % igen Verbesserung des IIEFScores bei Patienten mit milder oder moderater ED führen kann.</p> <h2>Diabetes mellitus</h2> <p>Sollte kein aktueller Nüchternblutzuckerwert (>12 Monate) bei Erstdiagnose vorliegen, ist dieser zu erheben. Die Prävalenz von ED bei Typ-II-Diabetikern beträgt 20–85 % und bis zu 20 % aller Patienten mit ED leiden unter Diabetes. In der Massachusetts Aging Male Study konnte gezeigt werden, dass die ED-Prävalenz bei Diabetikern vs. Nichtdiabetiker 28 % vs. 10 % beträgt. Dieser Unterschied ist vor allem ab einem Lebensalter >50 Jahre manifest (45,8 % vs. 24,1 % ). Auffallend ist, dass bis zu 33,8 % aller Diabetes-mellitus- Typ-II-Patienten mit ED eine nicht symptomatische arterielle koronare Verschlusskrankheit aufweisen. Auch nimmt das Risiko, an einer ED zu erkranken, mit der Dauer des Diabetes zu und die Symptome treten in einem früheren Lebensalter auf.</p> <h2>Dyslipidämie und Adipositas</h2> <p>Auch der Lipidstatus sollte, wenn nicht bekannt, bei ED-Erstdiagnose bestimmt werden. Bis zu 42 % aller ED-Patienten weisen eine Hyperlipidämie auf und es besteht eine signifikante Korrelation zwischen dem Schweregrad der ED und dem Gesamtcholesterin- sowie dem LDL-Cholesterinspiegel. Bezüglich einer medikamentösen Therapie mit Statinen ist die Datenlage diskrepant. Als alleinige Therapie konnte ein negativer Effekt von Statinen bei ED gezeigt werden, mit einem potenziellen Langzeitrisiko eines Hypogonadismus. In Kombination mit PDE- 5-Hemmern zeigte sich jedoch ein positiver Effekt (IIEF-Verbesserung um 3,4 Punkte; p=0,0001). Bei Übergewicht (BMI 25–30kg/m<sup>2</sup>) und Fettleibigkeit (BMI >30kg/m<sup>2</sup>) ist das relative ED-Risiko um das 1,5- bis 3-Fache erhöht. Es gibt erste Hinweise darauf, dass ein Plus an körperlicher Aktivität und Gewichtsreduktion sich positiv auf die erektile Funktion auswirken können.</p> <h2>Kardiovaskuläre Erkrankung</h2> <p>Neben gemeinsamen Risikofaktoren wie Alter, arterielle Hypertonie, Diabetes, Adipositas, Rauchen und metabolischem Syndrom stellt die ED auch einen unabhängigen Risikofaktor für eine kardiovaskuläre Erkrankung dar. Ihre Prävalenz ist auch bei Patienten mit PAVK und CAVK gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöht. Es konnte gezeigt werden, dass eine ED im Schnitt zwischen 2 und 5 Jahren vor einer symptomatischen koronaren Herzkrankheit (KHK) auftritt und bei bekannter KHK ein Indikator für zukünftige „major adverse events“ und die spezifische Mortalität ist. Montorsi et al. beschrieben, dass 50 % aller akut symptomatischen KHK-Patienten auch unter einer ED litten und dass in 70 % der Fälle diese >3 Jahre vor den ersten kardialen Symptomen auftrat. Inman et al. zeigten, dass die Assoziation zwischen ED und erhöhtem Risiko für zukünftige kardiale Events vor allem bei Patienten <60 Jahren signifikant ist. Die Schwere der ED korreliert mit dem Risiko schwerer kardialer Events und mit dem radiologischen Ausmaß der koronaren arteriellen Verschlusskrankheit.<br /> In Zusammenschau der Studienergebnisse werden von internistischer Seite im Rahmen der Princeton-III-Konsensus- Empfehlung folgende Untersuchungen empfohlen: Blutdruckmessung, Bauchumfangbestimmung, Body-Mass-Index, Untersuchung des Augenhintergrundes, kardiale Auskultation, Karotidenauskultation, Palpation der Femoralis und der Fußpulse sowie ein Ruhe-EKG. Anhand der Anamnese, der Untersuchungsergebnisse und der körperlichen Leistungsfähigkeit erfolgt die weitere Einteilung der ED-Patienten in drei kardiale Risikogruppen, wobei die Patienten in der Hochrisikogruppe einer entsprechenden spezifischen Abklärung unterzogen werden sollten. Bei Patienten in der Gruppe mit dem geringsten Risiko (erfolgreiche Stent/Bypass-OP, asymptomatische, gut eingestellte arterielle Hypertonie, geringgradige Herzklappenerkrankung, kardiale Insuffizienz NYHA I/II mit guter Leistungsfähigkeit), die somit kein erhöhtes kardiales Risiko durch sexuelle Aktivität haben, kann eine PDE-5-Inhibitoren-Therapie eingeleitet werden.</p> <h2>Testosteronbestimmung</h2> <p>Sowohl in den EAU- als auch in den AUA-Guidelines wird eine Bestimmung des Morgentestosterons empfohlen. Eine höhere Prävalenz von ED bei Männern mit niedrigem Testosteronspiegel ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Randomisierte kontrollierte Studien konnten bei Männern mit „late-onset hypogonadism“ eine Verbesserung der erektilen Funktion nach Testosterongabe zeigen (IIEF + 2,64 Punkte im Testosteron vs. Placeboarm). Am deutlichsten trat dieser Effekt bei Männern mit Hypogonadismus als einzigem Riskofaktor auf. In einer rezenten Metaanalyse konnten Corona et al. anhand von 14 inkludierten Studien mit einer Patientenzahl von 2298 hypogonadalen Männern eine mittlere Verbesserung um 2,31 Punkte in der „Erectile Function Domain“ des IIEF durch Testosteronsubstitution zeigen (p<0,0001). Der Effekt war am ausgeprägtesten bei einem Ausgangstestosteron <8nmol/l, unabhängig von Alter und Baseline-IIEF und stellte sich normalerweise innerhalb der ersten drei Therapiemonate ein. War in den initialen drei Monaten keine Verbesserung zu beobachten, trat sie auch bei einer prolongierten Therapie nicht mehr auf. Bei Patienten mit Diabetes mellitus und Adipositas war der Therapiebenefit geringer. Die Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass eine Testosteronsubstitution bei Männern mit einer milden ED und erniedrigten Testosteronwerten eine Behandlungsoption darstellt.</p> <h2>„Lower urinary tract symptoms“ (LUTS)</h2> <p>Es besteht eine altersunabhängige Assoziation zwischen ED und LUTS. In der MSAM-7-Studie mit 12 815 Männern zwischen 50 und 80 Jahren war der IIEF signifikant mit der Schwere der LUTS assoziiert und LUTS der stärkste Prädiktor für das Vorliegen einer ED. In der UrEpik-Studie (4800 Männer) konnte gezeigt werden, dass bei Männern mit einem IPSS =8 die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ED signifikant erhöht war. Die Boston Area Community Health Survey kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Ab einem IPSS >8 waren die befragten Männer eher sexuell inaktiv, hatten eine geringere Libido und die ED-Rate war höher. Die Cologne Male Survey zeigte, dass 72 % der Männer mit LUTS auch ED-Symptome aufwiesen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Aufgrund der mannigfaltigen Assoziationen mit anderen Erkrankungen, deren erstes Symptom oft eine ED sein kann, ist eine Abklärung dieses Krankheitsbildes, auch wenn es den direkten therapeutischen Zugang nicht beeinflusst, auf jeden Fall indiziert.</div></p>
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