
Die konvektive Wasserdampfablation mit dem Rezum-System
Autor:
Dr. Maximilian Horetzky
Facharzt für Urologie und Arzt für Allgemeinmedizin
Uniklinikum Salzburg
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Das im deutschsprachigen Raum als benignes Prostatasyndrom (BPS) bezeichnete chronisch-progrediente Krankheitsbild ist durch die variable Trias von unteren Harnwegssymptomen („lower urinary tract symptoms“, LUTS), histologischen Prostataveränderungen („benign prostatic hyperplasia“, BPH) und einer Blasenauslassobstruktion („bladder outlet obstruction“, BOO) gekennzeichnet.1
Keypoints
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Der Eingriff ist minimal invasiv und kann vom Urologen ambulant und ohne Vollnarkose durchgeführt werden.
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Der Eingriff ist äußerst nebenwirkungsarm, die Sexualfunktion (Erektion, antegrade Ejakulation) bleibt weitgehend erhalten, und im Gegensatz zu anderen Verfahren wird kein dauerhaftes Fremdmaterial im Körper platziert.
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Der Therapieeffekt setzt innerhalb von Wochen ein und bleibt für viele Jahre bestehen.
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Patienten empfinden die langfristige Verringerung ihrer Harnwegssymptomatik und den Erhalt ihrer Sexualfunktion als nachhaltige Besserung ihrer Lebensqualität.
Die Prävalenz des BPS steigt mit dem Alter deutlich an; in einer deutschen Querschnittsstudie hatten 20% der 50- bis 59-jährigen Männer mittelschwere bis schwere BPS-Symptome; in der Gruppe der über 70-Jährigen waren es ca. 40%.2 Typische BPS-Symptome sind Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz, Nykturie, unvollständige Blasenentleerung und schwacher Harnstrahl. Daraus kann bei den Betroffenen ein starker Leidensdruck erwachsen, der die Lebensqualität deutlich einschränkt.3 Am belastendsten empfanden Patienten mit mittlerer bis schwerer Prostatasymptomatik („International Prostate Symptom Score“ IPSS >7) die Angst/Sorge über ihre Erkrankung und die Auswirkungen auf Schlaf, Mobilität, Freizeit- und Alltagsaktivitäten, aber vor allem auch auf die Sexualfunktion.4
Wenn das Syndrom unbehandelt bleibt, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen: akuter Harnverhalt, Niereninsuffizienz bis hin zum Nierenversagen, Harnwegsinfektionen und Blasensteine.5 Um den Betroffenen möglichst effektiv helfen zu können, sind eine gezielte urologische Diagnostik und Differenzialdiagnostik unabdingbare Voraussetzung. Des Weiteren müssen Art und Schweregrad der Symptome erfasst werden. Hierfür hat sich der IPSS-Fragebogen bewährt, der durch weitere Fragebögen zur Sexualfunktion ergänzt werden kann.
Therapieoptionen
Für die Behandlung des BPS steht ein breites Spektrum von Therapieoptionen zur Verfügung, von denen jede einzelne mit Vor- und Nachteilen verbunden ist. Die Therapie sollte daher individuell angepasst und die Therapieentscheidung nach Aufklärung des Patienten gemeinsam von Arzt und Patient getroffen werden.
Leider sind die Erfolge konservativer Maßnahmen und der oralen Pharmakotherapie langfristig oft begrenzt, und Medikamentennebenwirkungen sind gerade bei älteren BPS-Patienten nicht ungewöhnlich.6 Auch die als Goldstandard geltende transurethrale Prostataresektion (TURP) trifft bei den Patienten wegen des damit verbundenen chirurgischen Risikos, der Häufigkeit postoperativer Störungen der Sexualfunktion (vor allem retrograde Ejakulation) und des als invasiv empfundenen Eingriffs oftmals auf geringe Akzeptanz. Im Sinne einer patientenzentrierten Versorgungsstrategie gewinnen daher minimal invasive Verfahren wie etwa die neuartige konvektive Wasserdampfablation mit dem Rezum-System (Boston Scientific) an Bedeutung.
Für wen ist eine Rezum-Therapie geeignet?
Dieses Verfahren sollte vom zuweisenden Arzt für solche BPS-Patienten in Betracht gezogen werden, die die (weitere) Einnahme von BPS-Medikamenten, eine TURP oder die mit dem operativen Eingriff verbundene Vollnarkose ablehnen oder bei denen eine Vollnarkose kontraindiziert ist.
Nach den Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) ist Rezum eine Therapieoption für Patienten mit mittelschweren bis schweren LUTS (in der Regel IPSS >13) und moderat vergrößerter Prostata (im Allgemeinen zwischen 30 und 80cm3). Wie klinische Studien gezeigt haben, kann das Rezum-System bei solchen Patienten durch gezielte Volumenreduktion des Prostataadenoms die Obstruktion der Urethra verringern und dadurch zu einer lang anhaltenden Besserung der BPS-Symptome und der Lebensqualität beitragen, ohne die Sexualfunktion zu beeinträchtigen.8–10 Nach den britischen Kostenschätzungen ist Rezum zudem deutlich kostengünstiger als etwa eine TURP oder die Holmium-Laser-Enukleation der Prostata (HoLEP).7
Kontraindiziert ist die Wasserdampfablation lediglich bei Patienten mit einem künstlichen Blasenschließmuskel oder einem Schwellkörperimplantat.
Methodik der Rezum-Therapie
Die transurethrale Wasserdampftherapie kann ambulant und ohne Vollnarkose – in Lokalanästhesie oder Sedierung – durchgeführt werden. Der Eingriff dauert nur etwa 10 Minuten, und der Patient kann wenige Tage später seine normalen Aktivitäten wieder aufnehmen.
Bei dem Eingriff wird über einen endoskopischen Applikator (Abb. 1) zunächst die Anatomie der Prostata inspiziert und die Injektionsstelle festgelegt. Dann wird die Nadel an der Endoskopspitze seitlich ausgefahren und transurethral in die für die Obstruktion verantwortliche Transitionalzone der Prostata eingeführt. Bei jeder neun Sekunden dauernden Behandlung wird 0,42ml erhitzter steriler Wasserdampf injiziert. Nach jeder Applikation wird die Nadel zurückgezogen und um einen Zentimeter versetzt erneut eingestochen, bis das proximale Ende des Samenhügels erreicht ist. Danach kann die Behandlung bei Bedarf auch im Bereich des Mittellappens oder der zentralen Hyperplasiezone fortgesetzt werden. Abschließend wird die Pars prostatica der Urethra nochmals inspiziert, bevor das Gerät ausgeführt wird.
Nach der Behandlung erhalten die Patienten einen Harnröhrenkatheter, der nach wenigen Tagen entfernt werden kann.
Wirkmechanismus
Der injizierte Wasserdampf verteilt sich schnell und gleichmäßig in den Interstitialräumen zwischen den Zellen des Adenomgewebes. Bei der Kondensation wird die gespeicherte Wärmeenergie freigesetzt, die Zellmembranen werden thermisch denaturiert, was zum augenblicklichen Zelltod und zum Kollabieren der lokalen Gefäßsysteme sowie einer alpha-adrenergen Denervierung führt. Eine Wärmeausbreitung über die Prostata hinaus findet nicht statt.
Eine Inkontinenz als Folgekomplikation ist nahezu ausgeschlossen, und die Ejakulation bleibt weitgehend unbeeinträchtigt. Das nekrotische Gewebe wird im Laufe des natürlichen Heilungsprozesses vom Körper absorbiert, wodurch sich das Volumen des Adenoms verringert und sich die Obstruktion im Bereich der prostatischen Urethra löst. Mit dem Einsetzen des Therapieeffekts kann je nach Ausgangsgröße der Prostata einige Tage bis wenige Wochen nach dem Eingriff gerechnet werden. Die Größenreduktion setzt sich danach aber weiter fort, sodass der maximale Therapieeffekt oft erst nach 3–6 Monaten beurteilt werden kann. Der anatomische Erfolg der Behandlung ist mittels bildgebender Verfahren (z.B. MRT) nachweisbar.
Dauerhafte Wirkung über 5 Jahre
Die Ergebnisse der Zulassungsstudie für das Rezum-System bestätigen die dauerhafte Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität ohne Beeinträchtigung der Sexualfunktion über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren.8,9 An dieser prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie nahmen Patienten mit einem Mindestalter von 50 Jahren, einem IPSS ≥13, einem maximalen Harnfluss (Qmax) von ≤15ml/s, einem Prostatavolumen von 30–80ml und einem Restharnvolumen von <250ml teil. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2:1; 135 Patienten erhielten die Rezum-Therapie, 61 Patienten einen endoskopischen Scheineingriff. Die Ergebnisse bis 4 Jahre nach der Wasserdampfablation sind in Abbildung 2 dargestellt.8 IPSS, Qmax und Lebensqualität besserten sich innerhalb von 3–6 Monaten im Mittel um jeweils ca. 50% und blieben danach weitgehend stabil. Aktuelle Ergebnisse dieser Studie nach einem Follow-up von 5 Jahren zeigen, dass der Erfolg der Rezum-Therapie auch bis zu diesem Zeitpunkt anhielt.9 Während der gesamten Nachbeobachtungsphase war nur bei 4,4% der Patienten eine erneute Intervention erforderlich.
Fazit
Die schonende Wasserdampfablation des obstruierenden Prostatagewebes beim BPS mit dem Rezum-System bietet eine Reihe von Vorteilen, die in den KeyPoints des Artikels angeführt sind.
Literatur:
1 Höfner K et al.: S2e-Leitlinie der Deutschen Urologen. Konservative und medikamentöse Therapie des benignen Prostatasyndroms. Urologe A 2016; 55(2): 184-94 2 Berges RR, Pientka L: Management of the BPH syndrome in Germany: who is treated and how? Eur Urol 1999; 36(Suppl 3): 21-7 3 Speakman M et al.: Burden of male lower urinary tract symptoms (LUTS) suggestive of benign prostatic hyperplasia (BPH) - focus on the UK. BJU Int 2015; 115(4): 508-19 4 Calais Da Silva F, Marquis P et al.: Relative importance of sexuality and quality of life in patients with prostatic symptoms. Results of an international study. Eur Urol 1997; 31: 272-80 5 Wei JT et al.: Urologic Diseases in America project: benign prostatic hyperplasia. J Urol 2005; 173: 1256-61 6 Bortnick E et al.: Modern best practice in the management of benign prostatic hyperplasia in the elderly. Ther Adv Urol 2020; 12: 1756287220929486 7 National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Rezum for treating lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia. Medical technologies guidance, published 24 June 2020. URL: www.nice.org.uk/guidance/mtg49 8 McVary KT et al.: Rezum water vapor thermal therapy for lower urinary tract symptoms associated with benign prostatic hyperplasia: 4-year results from randomized controlled study. Urology 2019; 126: 171-9 9 McVary KT, Roehrborn C: Five year results of the prospective, randomized controlled trial of water vapor thermal therapy for treatment of lower urinary tract symptoms due to benign prostatic hyperplasia. J Urol 2020; 203(Suppl 4): e1021 (AUA Annual Meeting 2020, Abstract LBA01-06) 10 McVary KT et al.: Is sexual function better preserved after water vapor thermal therapy or medical therapy for lower urinary tract symptoms due to benign prostatic hyperplasia? J Sex Med 2018; 15(12): 1728-38
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