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Aub-Jahrestagung 2018

Urogynäkologie – ein Fach mit Zukunft

<p class="article-intro">Im November hatte die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und rekonstruktive Beckenbodenchirurgie (AUB) zu ihrer Jahrestagung nach Leoben eingeladen. Kongresspräsident Prim. Priv.-Doz. Dr. Thomas Aigmüller, LKH Hochsteiermark/Leoben, konnte auf eine gelungene Tagung zurückblicken, die wieder einmal die Vielfältigkeit der Urogynäkologie zeigte. In Zeiten einer immer älter werdenden Gesellschaft werde die Urogynäkologie immer wichtiger, sagte er in seinem Grußwort.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Auch in diesem Jahr erwarteten die Teilnehmer wieder interessante Referate namhafter Experten in den Hauptsitzungen. Au&szlig;erdem befasste sich eine Diskussionssitzung mit dem bevorzugten Zugang zur Deszensusoperation und griff damit die Kontroverse um die vaginale versus laparoskopische Senkungsoperation auf. Vor der offiziellen Er&ouml;ffnung wurden wieder AUB-Module angeboten, die rege genutzt wurden, um das Wissen auf dem Gebiet der perioperativen Zystoskopie, Basisdiagnostik, Sonografie, bei suburethralen Schlingenoperationen und der Versorgung von h&ouml;hergradigen Dammrissen zu vertiefen.</p> <h2>Update der leitlinie zum Management von Dammrissen</h2> <p>Dr. Stephan Kropshofer, Innsbruck, pr&auml;sentierte das Update der Leitlinie zum Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt.<sup>1</sup> Die Inzidenz von Dammrissen III. Grades liegt in &Ouml;sterreich bei 1,9 % , die von Dammrissen IV. Grades bei 0,1 % . Die Hauptrisikofaktoren f&uuml;r Dammrisse sind in Tabelle 1 genannt. Es gibt jedoch auch Ma&szlig;nahmen, die das Dammrissrisiko reduzieren. Dazu geh&ouml;ren die selektive Episiotomie, die mediolaterale Episiotomie bei Vakuumextraktion, perineale subpartale feuchte Kompressen und antenatale/subpartale perineale Massage. Dagegen konnten f&uuml;r andere Verfahren keine Belege gefunden werden, dass sie den Damm w&auml;hrend der Geburt vor Verletzungen sch&uuml;tzen k&ouml;nnen. Dazu z&auml;hlen unter anderem der Dammschutz mit der Hand, Wassergeburten oder das Ritgens- Man&ouml;ver.<sup>1</sup><br /> Die Leitlinien empfehlen nach jeder vaginalen Geburt die sorgf&auml;ltige Inspektion und/oder Palpation des Damms durch die Hebamme oder den Geburtshelfer. Ab einem Dammriss II. Grades sollte zudem eine vaginale und rektale Palpation erfolgen. Bei h&ouml;hergradigen Dammrissen sollte ein Facharzt f&uuml;r Gyn&auml;kologie und Geburtshilfe hinzugezogen werden, da dieser die h&ouml;chste Kompetenz in der Versorgung der Verletzung hat, so Kropshofer. Hinsichtlich der Versorgung von h&ouml;hergradigen Dammrissen habe sich wenig ge&auml;ndert, sagte er. Neu ist lediglich die Empfehlung einer prophylaktischen perioperativen Antibiotikagabe. Die Antibiotikaprophylaxe darf nach individueller Risikoabw&auml;gung auch noch im Wochenbett gegeben werden. Zudem wird neuerdings im Wochenbett die Gabe von Laxanzien empfohlen. Einige Neuerungen hat es zudem bei der Schmerztherapie und den Wundkomplikationen gegeben. Konsensus sei, dass eine angepasste Schmerztherapie die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r einen Stuhl- und/ oder Harnverhalt senkt, sagte Kropshofer. Dazu empfehlen die Leitlinien k&uuml;hlende Auflagen und die t&auml;gliche Reinigung mit Wasser in Trinkwasserqualit&auml;t, zum Beispiel in Form von Wechselduschen. Keine Evidenz gebe es f&uuml;r eine positive Wirkung von Sitzb&auml;dern, Salben etc., betonte er. Wundkomplikationen r&uuml;hren nicht immer von der Gr&ouml;&szlig;e des Dammrisses her. Laut Leitlinien sind Risikofaktoren f&uuml;r Komplikationen Rauchen, &Uuml;bergewicht und An&auml;mie.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s26_tab1.jpg" alt="" width="300" height="457" /></p> <h2>Update sexuelle Gesundheit</h2> <p>Welche Aspekte der sexuellen Gesundheit besondere Bedeutung hatten, beleuchtete Prof. Daniela D&ouml;rfler, Wien, in ihrem Vortrag und pr&auml;sentierte dazu ausgew&auml;hlte Studien. Die wahrscheinlich wichtigste Arbeit des Jahres in diesem Bereich sei der gemeinsame Konsensusbericht<sup>2</sup> der International Urogynecological Association (IUGA) und der International Continence Society (ICS) gewesen, der im April ver&ouml;ffentlicht wurde, sagte sie. Er enth&auml;lt mehr als 100 zum Teil neue Definitionen zur sexuellen Gesundheit von Frauen mit Funktionsst&ouml;rungen des Beckenbodens. Damit spiegle er die aktuellen klinischen Erkenntnisse und Entwicklungen der vergangenen Jahre wider, so D&ouml;rfler. Ziel war es, eine Terminologie zu definieren, die Praktikern, Studenten und Forschern auf dem Gebiet der Funktionsst&ouml;rungen des Beckenbodens ihre Arbeit erleichtert. Dar&uuml;ber hinaus wurden Assessment und Abkl&auml;rung von sexuellen Dysfunktionen bei Frauen mit Beckenbodenproblemen ausf&uuml;hrlich beschrieben. Die Diagnostik sollte demnach neben der Anamnese und der k&ouml;rperlichen Untersuchung die Bildgebung und die Nerventestung umfassen. Hinsichtlich der Therapie werden konservative, chirurgische und pharmakologische Strategien erl&auml;utert.<br /> Neu ist auch die Klassifikation der sexuellen St&ouml;rungen der Frau nach DSM-5, wobei die St&ouml;rungen des sexuellen Interesses und der sexuellen Erregbarkeit in einer Gruppe zusammengefasst wurden und in einer anderen die Schmerz-/Penetrationsst&ouml;rungen. Die Orgasmusbeschwerden stehen in einer eigenen Gruppe. Neu hinzugekommen sind die urogenitalen Syndrome in der Menopause. Dies sei vor allem f&uuml;r den Aufbau klinischer Studien wichtig, sagte D&ouml;rfler.</p> <h2>Vitamin D und Sexualfunktion</h2> <p>Eine im Oktober ver&ouml;ffentlichte Studie untersuchte die Wirkung von 300 000 IU Cholecalciferol (Vit. D3), die zu Beginn und nach vier Wochen intramuskul&auml;r gespritzt wurden, auf die Sexualfunktion bei Frauen mit sexuellen St&ouml;rungen. Die Nachuntersuchungen erfolgten vier und acht Wochen nach der ersten Injektion. Neben den sexuellen Funktionen, die anhand des Female Sexual Function Index (FSFI) beurteilt wurden, erfassten die Wissenschaftler auch den Depressionsscore anhand des Beck-Depressions-Inventars (BDI).<br /> Es zeigte sich, dass Vitamin D im Vergleich zu Placebo die Sexualfunktion bereits nach vier Wochen verbesserte (19,6 vs. 16,3, p=0,002). Nach acht Wochen betrug der FSFI in der Vitamin-D-Gruppe 25 (vs. 17,1, p&lt;0,001) und war damit signifikant besser als in der Placebogruppe. Der Effekt war unabh&auml;ngig von einer Depression, obwohl sich unter der Therapie &ndash; und nur in der Vitamin-D-Gruppe &ndash; auch der Depressionsscore um &ndash;21 besserte (p&lt;0,001).</p> <h2>Aktuelle Literatur in der Urogyn&auml;kologie</h2> <p>Dr. Martina Sauseng, Leoben, gab einen &Uuml;berblick &uuml;ber 2018 ver&ouml;ffentlichte Studien im Fach Urogyn&auml;kologie. Sie pr&auml;sentierte eine chilenische Studie, die die Progression des Deszensus und Risikofaktoren f&uuml;r das Fortschreiten untersuchte. Die Daten stammten aus einer prospektiv verwalteten Datenbank. Ausgewertet wurden 388 symptomatische Patientinnen mit mindestens zwei POP-Q-Untersuchungen (POP-Q: &bdquo;Pelvic Organ Prolapse Quantification&ldquo;). Im Mittel lagen rund zehn Monate zwischen den beiden Untersuchungen. In dieser Zeit kam es bei 29 % der Patientinnen zu einer klinisch signifikanten Progression. Risikofaktoren daf&uuml;r waren ein Alter &uuml;ber 60 Jahre sowie eine Gr&ouml;&szlig;e des Punkts Ba (distalste Position des oberen Bereichs der Scheidenvorderwand) von &ge;4cm oder ein Hiatus genitalis (gh) &ge;5cm.<sup>4</sup><br /> Sauseng stellte auch zwei systematische Reviews zur Deszensuschirurgie vor, die den Unterschied zwischen einer uteruserhaltenden Operation und einer Hysterektomie untersuchten. Bez&uuml;glich eines Prolapsrezidivs und des Auftretens einer Stressinkontinenz wurde in keiner der Studien ein Unterschied zwischen den beiden Verfahren festgestellt.<sup>5, 6</sup> Ob sich nach dem Eingriff eine Dyspareunie entwickelt, untersuchte nur eine der beiden Studien und konnte ebenfalls keinen Unterschied zeigen.<sup>6</sup> Wenig &uuml;berraschend fanden beide Studien, dass die uteruserhaltende Operation k&uuml;rzer war und zu weniger Blutverlusten f&uuml;hrte.<sup>5, 6</sup> Zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen die Reviews bei der Netzerosion: W&auml;hrend der eine ein h&ouml;heres Risiko bei der Hysterektomie mit Sakrokolpopexie (im Vergleich zur Sakrohysteropexie) zeigte,<sup>5</sup> stellten die Autoren des zweiten Reviews keinen Unterschied fest.<sup>6</sup> Auch beim Thema Reoperation waren die Ergebnisse widerspr&uuml;chlich: Nur ein Review beschrieb ein h&ouml;heres Risiko bei Uteruserhalt.<sup>6</sup> Nicht untersucht wurden die Lebensqualit&auml;t der Patientinnen nach den Eingriffen und das Auftreten von malignen Krankheiten bei erhaltenem Uterus. Auch fehlen Langzeitdaten. Sauseng zog aus diesen Resultaten das Fazit, dass ein Uteruserhalt m&ouml;glich ist, wenn keine Kontraindikationen daf&uuml;r vorliegen.<br /> Zwei Studien der Arbeitsgruppe um Dr. Nikolaus Veit-Rubin, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Frauenheilkunde Wien, befassten sich mit der laparoskopischen Lateralfixation. Sauseng fasste die Ergebnisse zusammen. Eine Kohortenstudie untersuchte die Zufriedenheit von 417 Patientinnen, die mit einer laparoskopischen Lateralfixation mit Netz (LLS) versorgt worden waren. Dieses Verfahren wird als m&ouml;gliche Alternative zur Sakropexie bei adip&ouml;sen oder multimorbiden Patientinnen angesehen. Nach einem Jahr waren noch immer 78,4 % der Patientinnen symptomfrei, die anatomischen Erfolgsraten betrugen 91,6 % im vorderen Kompartiment, 93,6 % im Apex und 85,3 % im hinteren Kompartiment. Auch bei einer Befragung der Patientinnen nach sieben Jahren waren immer noch 85 % mit dem Ergebnis zufrieden. Die LLS lieferte also vielversprechende Resultate, allerdings fehlen randomisierte Studien, um das Verfahren abschlie&szlig;end beurteilen zu k&ouml;nnen.<sup>7</sup><br /> Die zweite Studie der Arbeitsgruppe zur LLS verglich retrospektiv den Eingriff mit Hysterektomie mit der uteruserhaltenden LLS bei insgesamt 339 Frauen mit Prolaps. Dabei zeigte sich, dass es bei Uteruserhalt h&auml;ufiger zu einer Netzerosion kam (6,5 vs. 1,3 % , p=0,014). Allerdings waren sowohl der anatomische (98,7 vs. 94,6 % , p=0,021) wie auch der subjektive Erfolg (83,5 vs. 72,8 % , p=0,035) bei uteruserhaltender LLS gr&ouml;&szlig;er und die Patientinnen insgesamt zufriedener, denn sie w&uuml;rden den Eingriff mit h&ouml;herer Wahrscheinlichkeit weiterempfehlen als die Patientinnen mit Hysterektomie (94,5 vs. 80,4 % , p=0,004).<sup>8</sup></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: AUB-Jahrestagung 2018, 16.–17. November 2018, Leoben </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leitlinie zum Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt. AWMF-Nr. 015/079 <strong>2</strong> Rogers RG et al.: Neurourol Urodyn 2018; 37: 1220-40 <strong>3</strong> Jalali-Chimeh F et al.: J Urol 2018; pii: S0022- 5347(18)44048-7 (doi: 10.1016/j.juro.2018.10.019 [Epub ahead of print]) <strong>4</strong> Pizarro-Berdichevsky J et al.: Int Urogynecol J 2018; 29: 873-80 <strong>5</strong> Meriwether KV et al.: Am J Obstet Gynecol 2018; 219: 129-46.e2 <strong>6</strong> de Oliveira SA et al.: Int Urogynecol J 2017; 28: 1617-30 <strong>7</strong> Veit-Rubin N et al.: Int Urogynecol J 2017; 28: 1685-93 <strong>8</strong> Veit-Rubin N et al.: Int Urogynecol J 2018; doi: 10.1007/s00192-018- 3678-3 [Epub ahead of print]</p> </div> </p>
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