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Übersichtlich und informativ
Urologik
30
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29.09.2016
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<p class="article-intro">Unter dem Motto „Urologie attraktiv gestalten“ fand die 42. Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie statt. Mit mehr als 800 Teilnehmern und rund 60 Ausstellern war es eine nicht zu große Veranstaltung, jedoch sehr informativ und mit einem komprimierten wissenschaftlichen Programm. Den Rahmen bildete die drittgrößte Stadt Bayerns: Augsburg, Geburtsort von Bertold Brecht und „Fuggerstadt“.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite6.jpg" alt="" width="736" height="358" /></p> <p>Als erster Tagungspräsidentin der beiden Gesellschaften war es Prof. Dorothea Weckermann, Chefärztin an der Augsburger Klinik für Urologie, ein großes Anliegen, sich besonders dem urologischen Nachwuchs zu widmen. Dies nicht zuletzt wegen des zunehmenden Frauenanteils in der (urologischen) Medizin.<br /> Die zweieinhalbtägige Veranstaltung umfasste unter anderem Vortragssitzungen und Seminare über urologische Praxis und Klinik. Themen waren zum Beispiel uroonkologische Behandlungskonzepte, das Prostatakarzinom inklusive Vorsorgeuntersuchungen, Familienanamnese und Kinderurologie, Inkontinenz und (Wieder-)Herstellung Sexualfunktion, Urothelkarzinom und Zystoprostatektomie bis hin zu Plattenepithelkarzinomen und nephrologischen Erkrankungen. In verschiedenen Workshops erfuhren die Teilnehmer Neues über Schmerztherapie und unterschiedliche Bildgebungsverfahren. Pflegesymposien mit praktischen Übungen sowie ein Schülerforum rundeten das Programm ab. Großes Interesse fand auch der Workshop, der die Gesundheitssysteme in Österreich, der Schweiz und Deutschland hinsichtlich der Ausbildung, der Urologendichte, des Spektrums in der Niederlassung/Klinik, des Verdienstes und der Work-Life-Balance verglich. Das wissenschaftliche Programm beinhaltete zusätzlich Teilgebiete der Urologie wie Andrologie, gynäkologische Urologie, Neurourologie, Onkologie und Palliativmedizin.</p> <h2>Exaktere Untersuchungs­methode bei Verdacht auf Prostatatumoren</h2> <p>Prostatabiopsien gelten als zuverlässigste Untersuchungsmethode bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom, da PSA oder digitale rektale Untersuchungen nicht ausreichend aussagekräftig sind. Beim Standardverfahren, der transrektalen ultraschallgesteuerten Biopsie (TRUS), besteht allerdings die Schwierigkeit, die gesamte Prostata sowie die exakte Lage der Biopsienadel zu visualisieren. Oft ergibt sich eine schlechte Bildauflösung, weshalb die Biopsienadel möglicherweise nur tumorfreie Gebiete durchläuft und/oder den Tumor ganz verfehlt. Außerdem kann sie zwischen Läsionen und aggressiven Tumoren kaum unterscheiden.<br /> Anders mit der MRT/Ultraschall-Biopsie (UroNav): Die MRT-Abbildungen der Voruntersuchung werden mit den ultraschallgesteuerten Biopsieaufnahmen in Echtzeit fusioniert, das heißt, diagnostische MRT-Bilder aus der Voruntersuchung werden mit Ultraschallbildern in Echtzeit verbunden. Ein roter Umriss zeigt den ausgewählten Prostatabereich (MRT) an, blaue/rote „Ziele“ die Lage der suspekten Läsion. Das Fusions-Biopsie-System kann mit vielen gängigen urologischen Ultraschallsystemen und MR-Scannern gekoppelt werden und ermöglicht eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Radiologen und Urologen.</p> <h2>Kastrationsrefraktäres Prostatakarzinom</h2> <p>Der Urologe Univ.-Prof. Sharokh F. Shariat, Wien, erklärte die Mechanismen der Entstehung eines kastrationsrefraktären Prostatakarzinoms. Er betonte nicht nur die steigende Inzidenz hinsichtlich Morbidität und Mortalität, sondern auch, dass diese Erkrankung als chronisch angesehen werden müsse. Daher sei eine ärztliche Begleitung von Anfang bis Ende dringend erforderlich. Er plädierte dafür, neue Biomarker speziell für diese Erkrankung zu entwickeln.<br /> Wie sieht das Management beim metas­tasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) aus? Gemäß der aktuellen EAU-Leitlinie kann eine Therapie mit dem Androgenrezeptor-Signalwegsinhibitor Enzalutamid nach Versagen der Androgendeprivationstherapie (ADT) beginnen, bei einem Serumtestosteronspiegel <50ng/dL und biochemischer Progression (drei mindestens eine Woche auseinanderliegende Anstiege des PSA-Wertes auf 50 % über den Nadir, mit PSA >2ng/ml) oder radiologischer Progression (Auftreten von zwei oder mehr Knochenläsionen oder Zunahme von Weichteilmetastasen gemäß RECIST).<br /> Befindet sich der Testosteronserumspiegel auf Kastrationsniveau und tritt eine biochemische oder radiologische Progression auf, wird eine maximale Androgenblockade mit anschließendem Androgenentzug nicht mehr empfohlen. Diesen Patienten kann Enzalutamid auch vor einer Chemotherapie mit Docetaxel angeboten werden. Wie die PREVAIL-Studie gezeigt hatte, brachte der Wirkstoff gegenüber Placebo einen signifikanten Überlebensvorteil von vier Monaten bei Patienten, die vorher noch keine Chemotherapie erhalten hatten. Die Ergebnisse der TERRAIN-Studie zeigten unter Enzalutamid (160mg/Tag) ein verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) im Vergleich zu Bicalutamid (50mg/Tag), jeweils in Kombination mit einem LHRH-Analogon. Damit unterstützen sie den Trend zu einem frühen Einsatz von Enzalutamid ohne vorherige maximale Androgenblockade mit Bicalutamid.</p> <h2>Inkontinenz des prostatektomierten Patienten</h2> <p>Mehrere Sitzungen beschäftigten sich mit der Harninkontinenz des Mannes nach Prostatektomie – nach wie vor ein Tabuthema. Die meisten radikalen Prostatektomien führen zu einem guten onkologischen und zufriedenstellenden funktionellen Ergebnis. Dennoch kann die postoperative Lebensqualität durch Harninkontinenz und erektile Dysfunktion (ED) erheblich beeinträchtigt sein – wobei die Inkontinenz für die Lebensqualität weitaus belastender ist als eine ED. Bis zu 30 % der Männer – vermutlich mehr, da die Dunkelziffer hoch ist – leiden nach der Prostatektomie an einer persistierenden iatrogenen Belastungsinkontinenz („Stress­inkontinenz“). Diese kann auch nach TURP, Adenomenukleation und Urethrotomie (Harnröhrenschlitzung) auftreten; seltener kommt sie aufgrund von neurogenen Veränderungen und Beckentraumata vor.<br /> Zur Behandlung der Inkontinenz nach Prostatektomie steht ein breites Spektrum an konservativen und operativen Therapien zur Verfügung: Zur Basisversorgung zählen Kondomurinal, Vorlagen- oder Windelversorgung, gegebenenfalls ein suprapubischer Dauerkatheter. Primäre Therapie ist die Physiotherapie: Beckenbodentraining zur Sphinkterstärkung, Biofeedback zur Steigerung der Effizienz. Elektro- und Magnetfeldstimulation können zwar die Frühkontinenz verbessern, haben jedoch kaum Einfluss auf Langzeitergebnisse. Anticholinergika, so warnte die Urologin PD Dr. Ricarda Bauer, München, sind vor allem bei Älteren ein Problem, da sie leicht zu einer Gehirnatrophie führen können („anticholinergic burden“). Die intravesikale Injektion von Botulinumtoxin A hilft eher bei Reizblase infolge von BPH oder TURP. Sie reduziert jedoch bei etwa 80 % der Betroffenen die Inkontinenz und gibt 46 % der Patienten eine Chance, über rund neun Monate kon­tinent zu sein, 26 % sogar bis zu zwölf Monate.<br /> „Bulking agents“, also Substanzen wie Kollagen, Silikon, Silikon-Mikroballons sowie Bioglas, die transurethral mithilfe spezieller Injektionsnadeln im Sphinkterbereich unter die Schleimhaut injiziert werden, bringen meist nur kurzfristig Besserung. Nach zwölf Monaten sind nur noch etwa 11 % der Patienten kontinent, zudem kann es zur Granulombildung und zu allergischen Reaktionen kommen. Daher sollten sie nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Genügt eine konservative Therapie nicht, wird eine Operation empfohlen. Möglich sind ein künstlicher Schließmuskel, adjustierbare und funktionelle Schlingen- sowie Ballonsysteme. Goldstandard ist der artifizielle Sphinkter, bei dem die Kontinenzrate bei 60 bis 93 % liegt. Last, but not least: Eine Reduktion des Gewichts reduziert auch die Inkontinenz.</p> <h2>HPV-Impfung auch für Knaben</h2> <p>Neben einem zertifizierten Impfkurs für Urologen mit Kursen über „impfpräventable Erkrankungen“ und „Impfmanagement in der Praxis“ wurde für die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Knaben plädiert. Seit April 2016 steht ein Impfstoff zur Verfügung, der gegen neun HPV-Subtypen schützt. Neben Gebärmutterhalskrebs können HPV Tumoren des Anogenitale und des Oropharynx hervorrufen und sind Auslöser für Condylome. Derzeit wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren zu impfen. Urologen plädieren dafür, auch Buben bzw. junge Männer gegen HPV zu impfen, da der Penis schließlich der „Haupttransmitter“ für HPV ist.</p></p>
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