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Therapiemodalitäten des fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms des Penis

Das Plattenepithelkarzinom des Penis (PSCC) ist mit einer Inzidenz von 0,9 Fällen pro 100000 Männern pro Jahr in Europa eine seltene Tumorentität.1 Trotz der Fortschritte in der systemischen Therapie von Tumorerkrankungen ist die Prognose von Patienten mit einem fortgeschrittenen PSCC schlecht. Das 5-Jahres-Überleben über alle Erkrankungsstadien gesehen, liegt bei etwa 50%, wobei jenes für die Patienten mit Lymphknotenmetastasen mit etwa 27% bemessen wird. Aufgrund der Seltenheit der Tumorerkrankung gibt es kaum randomisierte Studien zur systemischen Therapie des metastasierten PSCC. Die aktuellen Empfehlungen leiten sich hauptsächlich von retrospektiven Datenerhebungen und Studien mit kleinen Fallzahlen ab.

Keypoints

  • Das lokal fortgeschrittene Peniskarzinom ist eine seltene und aggressive Tumorerkrankung.

  • Wichtig ist ein multimodaler Therapieansatz aus inguinaler und eventuell pelviner Lymphadenektomie begleitet von einer neo- oder adjuvanten Chemotherapie.

  • Gemäß der Empfehlung der EAU- und NCCN-Leitlinien sollte im Stadium pN2–pN3 eine Chemotherapie verabreicht werden.

  • Die Durchführung der Therapieplanung sollte in dafür ausgewiesenen, spezialisierten Zentren angestrebt werden.

Die Metastasierung des PSCC erfolgt entlang der lokoregionären Lymphdrainage zuerst inguinal, danach ipsilateral pelvin und anschließend nach retroperitoneal entlang der großen Gefäße. Die Ausdehnung der Lymphknotenmetastasierung ist der wichtigste Prädiktor für das Überleben von Patienten mit einem fortgeschrittenen PSCC. Männer mit pN2- und pN3-Erkrankung haben ein krankheitsspezifisches 5-Jahres-Überleben von 17–60% respektive 0–17%.2 Im Zentrum der Therapie dieser Tumorerkrankung steht daher ein multimodaler Therapieplan mit einem adäquaten an das Tumorstadium angepassten Lymphknotenmanagement und zeitgerechter systemischer Therapie.

Lymphknotenmanagement

80–90% der Patienten mit einem Peniskarzinom präsentieren sich mit klinisch negativen Lymphknoten. Das Risiko von Mikrometastasen liegt jedoch bei 25%.3 Dies wird beeinflusst durch die Risikofaktoren Tumorstadium, Tumorgrad und lymphovaskuläre und perineurale Invasion. Bildgebende Verfahren wie Computertomografie und FDG-PET/CT stellen bei klinisch unauffälligen Lymphknoten aufgrund ihrer geringen Sensitivität kein zufriedenstellendes Tool zum Lymphknotenstaging dar.

Die Entscheidung zur inguinalen Lymphknotendissektion (ILND) richtet sich nach dem Tumorstadium, dem Grading des Primärtumors und dem Vorliegen einer lymphovaskulären Invasion und wird bei Patienten mit einem Tumorstadium über Tis, Ta und T1 G1 empfohlen. Hierfür eignen sich die modifizierte ILND und die dynamische Sentinelknotenbiopsie (DSNB).

Bei der modifizierten ILND werden zuerst die oberflächlichen Lymphknoten, also jene oberhalb der Fascia lata, entfernt. Sollten dabei in der Schnellschnittdiagnostik positive Lymphknoten nachgewiesen werden, wird das Operationsgebiet erweitert und eine ipsilaterale radikale ILND durchgeführt. Die ILND ist allerdings bei einer Komplikationsrate von 25 bis 50% mit einer hohen postoperativen Morbidität assoziiert. In erster Linie handelt es sich hierbei um Lymphödeme (5–13,9%), Lymphozelen (2,1–4%), Wundinfektionen (1,2–4%) und Hautnekrosen (0,6–4,7%). Nicht zuletzt um die Patientenzufriedenheit zu steigern, muss eine entsprechende Patientenaufklärung im Vorfeld erfolgen.4 Der hohen Morbiditätsrate steht der Nutzen der frühzeitigen ILND gegenüber. Verglichen mit einer Resektion bei bereits klinisch nachweisbaren inguinalen LKN-Metastasen, stellt diese eine massive Verbesserung der Gesamtprognose dar.

Die DSNB hat, abhängig von der Expertise der unterschiedlichen Zentren, im Vergleich zur ILND eine geringere Morbidität, aber auch eine höhere Falsch-negativ-Rate (ca. 16%). Die Spezifität der DSNB ist stark gebunden an die Erfahrung des Operateurs. Die Genauigkeit kann mit der Unterstützung einer Lymphszintigrafie mit Injektion von Technetium-99m und Methylenblau rund um den Tumor verbessert werden.5

Bei Patienten mit palpablen inguinalen Lymphknoten (LKN) ist eine inguinale Metastasierung sehr wahrscheinlich. Im Falle von vergrößerten inguinalen LKN sollten diese reseziert werden und bei metastatischer Besiedelung eine radikale inguinale Lymphadenektomie durchgeführt werden. Bei inguinalen Lymphknotenmetastasen können zur Evaluierung des pelvinen Lymphknotenstatus ein CT, ein MRT und auch ein FDG-PET/CT veranlasst werden. Erfolgt der Nachweis von 2 oder mehr inguinalen Lymphknotenmetastasen auf einer Seite und/oder einer extranodalen Ausdehnung wird die Indikation zur ipsilateralen pelvinen Lymphadenektomie gestellt. Das Risiko für eine pelvine Metastasierung liegt bei 23%, wenn mehr als zwei positive inguinale Lymphknoten vorhanden sind, und bei 56% bei mehr als 3 inguinalen Lymphknotenmetastasen.6

Systemische Therapie

Aufgrund der nicht zufriedenstellenden Ansprechraten durch einzelne Chemotherapeutika hat sich in der systemischen Therapie des PSCC die Anwendung einer Cisplatin-basierten Kombinationschemotherapie etabliert.7–9 Aufgrund eines guten Ansprechens auf taxanhältige Chemotherapien in der Behandlung von Plattenepithelkarzinomen unterschiedlichen Ursprungs erfolgte auch die Implementierung von Taxanen in die Therapie des PSCC.10,11 Über die Jahre etablierte sich die Anwendung von Dreifachkombinationen wie Cisplatin, Ifosfamid und Paclitaxel (TIP)12 sowie Cisplatin, 5-Fluorouracil und Paclitaxel (PTF) mit guten Ansprechraten.13, 14 Bleomycin-hältige Kombinationen werden aufgrund ihrer ausgeprägten Toxizität nicht mehr empfohlen.15

Adjuvante Chemotherapie

Die Empfehlung zur Durchführung einer adjuvanten Therapie wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine Reihe von retrospektiven Erhebungen spricht für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie nach erfolgter Lymphadenektomie bei pN2- und pN3-Tumoren. Eine retrospektive Analyse untersuchte das mediane Gesamtüberleben bei einem medianen Follow-up von 12 Monaten. Patienten nach einer adjuvanten Kombinationschemotherapie zeigten ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben im Vergleich zu jenen Patienten, welche postoperativ keine Chemotherapie erhielten (21,7 Monate vs. 10,1 Monate; p=0,048).16 Daher sprechen sich die EAU-Leitlinien für die Durchführung einer adjuvanten Cisplatin-basierten Kombinationschemotherapie beim pN2- und pN3-PSCC aus.15

Neoadjuvante Chemotherapie

Bei Patienten mit fixierten inguinalen Lymphknoten oder BulkyDisease (cN3) liegt eine fortgeschrittene Tumorerkrankung mit einer schlechten Prognose vor. Mittels alleiniger Operation sind in diesem Stadium kaum gute Langzeitergebnisse zu erzielen. Aus diesem Grund hat sich als multimodales Management die Kombinationschemotherapie begleitet von einer Konsolidierungsoperation durchgesetzt. Bei guter Verträglichkeit und Therapieansprechen werden 4 Zyklen einer neoadjuvanten Chemotherapie verabreicht. Zum Ausschluss von Fernmetastasen wird ein Staging mittels Computertomografie oder FDG-PET/CT durchgeführt.

In einer prospektiv angelegten, nicht randomisierten Phase-II-Studie erhielten Patienten neoadjuvant 4 Zyklen TIP und eine anschließende Konsolidierungsoperation. Das TIP-Schema wurde aufgrund seiner Wirksamkeit bei Plattenepithelkarzinomen im HNO-Bereich ausgewählt. Von den 30 eingeschlossenen Patienten schlossen 23 Patienten alle 4 Zyklen ab. Die Hälfte der Patienten zeigte ein objektives Ansprechen, 3 Patienten ein komplettes Ansprechen sowie 12 Patienten ein Teilansprechen. 22 Patienten (73,3%) konnten schließlich nach abgeschlossener Chemotherapie operiert werden. Drei Patienten (10%) erreichten ein pathologisches komplettes Ansprechen (pCR). Das mediane Gesamtüberleben betrug 17,1 Monate (95% CI: 10,3–60 Monate). Ein pCR stellte jedoch keinen statistisch signifikanten Prädiktor für die Zeit bis zur Progression dar, allerdings einen beinahe statistisch signifikanten Prädiktor für das Gesamtüberleben (60 Monate vs. 18 Monate; p=0,07).12 Die NCCN-Guidelines empfehlen das TIP-Schema als Therapie der ersten Wahl, die Kombinationstherapie TPF stellt eine Alternative dar.13

Metastasiertes Peniskarzinom

Neben den Cisplatin-hältigen Kombinationschemotherapien, welche auch im metastasierten Setting etabliert sind, steht auch das Vinca-Alkaloid Vinflunin zur Verfügung. In der Erstlinie konnten gute Ergebnisse, mit einer objektiven Ansprechrate von 27,7% und einem klinischen Benefit von 45,5%, erzielt werden.17

Bei Peniskarzinomen konnte eine Expression des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) häufig nachgewiesen werden. Die Bedeutung dieser Expression für zielgerichtete systemische Therapien wurde bereits in einer Reihe von Studien untersucht.18 Eine prospektive Phase-II-Studie untersuchte die Wirkung des Tyrosinkinasehemmers Dacomitinib an 28 Patienten mit metastasiertem PSCC und konnte dabei eine objektive Ansprechrate von 32,1% zeigen. Ein Patient hatte ein komplettes Ansprechen, acht Patienten sprachen partiell an, bei einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil. Die objektive Ansprechrate lag im Vergleich jedoch unter jener der Kombinationschemotherapien. Daher stellt Dacomitinib eine mögliche Alternative zur Chemotherapie dar, wenn eine systemische Therapie aufgrund der erwarteten Nebenwirkungen nicht verabreicht werden kann bzw. kommt es in der Zweitlinientherapie zur Anwendung.19

Mit der Einführung der Immuntherapie (Checkpoint-Inhibitoren; CPI) hat sich die Therapielandschaft einer Reihe von Tumoren in den letzten Jahren wesentlich erweitert. Dies zeigte sich auch in der Therapie von Plattenepithelkarzinomen der Lunge und HNO-Tumoren. Wenngleich das PSCC eine alleinstehende Variante des Plattenepithelkarzinoms darstellt und nicht direkt mit den übrigen Plattenepithelkarzinomen verglichen werden kann, gibt es Daten, die auf eine Wirkung von CPI in der Therapie des fortgeschrittenen PSCC hindeuten. Somit wird Pembrolizumab bei Peniskarzinomen mit hoher Mikrosatelliteninstabilität („MSI high“) oder defekter Mismatchreparatur (dMMR) empfohlen.20,21 Eine weitere Option stellt auch die Monotherapie mit Paclitaxel da, sofern Paclitaxel nicht im Rahmen einer Kombinationstherapie zuvor verabreicht wurde.22

Diskussion

Das PSCC ist eine seltene und aggressive Tumorerkrankung und es fehlen prospektive, randomisierte Studien zum Management dieser Erkrankung. Aus den vorhandenen Daten lässt sich jedoch eines ableiten: die Wichtigkeit eines multimodalen Therapieansatzes im lokal fortgeschrittenen Peniskarzinom, bestehend aus inguinaler (und pelviner) Lymphadenektomie, begleitet von einer neo- oder adjuvanten Chemotherapie. Die Rolle der adjuvanten Chemotherapie wurde zuletzt kontrovers diskutiert.23 Diese sollte jedoch bis zum Vorliegen von validen Daten aus prospektiven und randomisierten Studien entsprechend der Empfehlung der EAU- und NCCN-Leitlinien im pN2–pN3-Stadium verabreicht werden.15,24 Eine Erhebung der European Prospective Penile Cancer Study Group zeigte, dass die Leitlinienadhärenz der befragten Urologen aus insgesamt 45 europäischen Zentren in der Indikationsstellung zur inguinalen und pelvinen LND nur suboptimal war.25 Daher muss der Seltenheit des Peniskarzinoms auch in der Patientenversorgung Rechnung getragen werden und die Durchführung der Therapieplanung in dafür ausgewiesenen, spezialisierten Zentren angestrebt werden.

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