
Radiotherapie beim Prostatakarzinom: Hochpräzision in allen Therapieaspekten
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Joachim Widder
Universitätsklinik für Radioonkologie Comprehensive Cancer Center
Medizinische Universität Wien
E-Mail: joachim.widder@meduniwien.ac.at
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In allen Settings des Prostatakarzinoms kommt der Radiotherapie (RT) eine zentrale Rolle zu. Dies beruht durchwegs auf sehr soliden Ergebnissen prospektiv-randomisierter klinischer Studien. Durch rasanten technologischen Fortschritt wurde die hohe Präzision in der Planung und Durchführung der RT weiterentwickelt. Für die Diagnostik von Metastasen gewinnt die PSMA-PET zunehmend an Bedeutung in der Lenkung von auf Metastasen gerichteter SABR. „On-board imageguidance“ mittels „conebeam CT“ und MRI-gestützte RT-Planung haben Einzug in die tägliche Praxis der Behandlung gehalten.
Keypoints
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Die primäre Radiotherapie (RT) der Prostata konnte generell von 8 auf 4 Wochen reduziert werden.
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Ultrahypofraktionierung und Verkürzung der Therapie auf 2½ Wochen bei Low und Low-Intermediate Risk werden möglich.
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Lokale RT der Prostata bei M1-Prostatakarzinom mit geringer Metastasenlast verlängert das Überleben.
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Stereotaktisch-ablative RT (SABR) von asymptomatischen Oligometastasen verbessert das progressionsfreie und ADT-freie Überleben.
Seit Jahren wächst die Bedeutung der RT in der Behandlung des Prostatakarzinoms. Zur Primärbehandlung im kurativen Stadium kommt nun auch die Therapie von Patienten im oligometastatischen Stadium hinzu, sowohl was die Prostata selbst als auch was die Metastasen betrifft. Dabei wurde die Rolle der RT durchgängig durch große internationale Studien präzisiert. So konnte die Behandlungsdauer der RT im primären Setting drastisch auf die Hälfte (4 Wochen) der klassischen fast 8 Wochen reduziert werden (Abb. 1).1 Im primär metastasierten Stadium führt lokale RT der Prostata zu längerem Überleben als reine Systemtherapie.2 Auch bei neu aufgetretener metachroner Oligometastasierung besteht gute auf randomisierten Phase-II-Studien basierende Evidenz für den Einsatz von stereotaktisch-ablativer RT (SABR) zur lokalen Behandlung dieser asymptomatischen Metastasen.3
Abb. 1: Rezidivfreiheit nach hypofraktionierter RT (60Gy) versus konventionelle RT (74Gy). (Nach Dearnaley D et al.: Lancet Oncol 2016)1
Revolutionierung des Einsatzes der Radiotherapie
Das Zusammentreffen zweier günstiger Faktoren hat damit zu einer Revolution des Einsatzes von RT sowohl in der Primärbehandlung – Prostata und regionäre Lymphknoten – als auch im frühmetastatischen Stadium geführt.
Der erste Faktor betrifft die Radiobiologie des Prostatakarzinoms. So haben sich in allen großen randomisierten Studien radiobiologische Hypothesen über die Strahlensensitivität des Prostatakarzinoms bestätigt. Dies bedeutet, dass der therapeutische Quotient zwischen Tumorsterilisationseffekt und Toxizität umliegender Gewebe und Organe größer – also günstiger – wird, wenn die Dosis pro Fraktion erhöht wird.4 Dies wiederum hat weniger Therapiesitzungen und damit kürzere Gesamtbehandlungszeiten zur Folge, was dem Patientenkomfort entgegenkommt.
Der zweite Faktor ist die rapide technologische Evolution in der RT in all ihren Dimensionen: Die Planungsbildgebung mit Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MR) sowie – im M1-Setting – PSMA-PET (Prostata-spezifisches-Membran-Antigen-Positronenemissionstomografie) ermöglichen eine genauere Detektion und Definition der Zielgebiete, die Therapieplanungssoftware erlaubt punktgenaue Dosismodulation während die Gantry (der Behandlungsarm) des Linearbeschleunigers (LINAC) um den Patienten kreist (Abb. 2). Alle modernen LINACs verfügen über integrierte „on-board conebeam CTs“ zur täglichen „imageguidance“, „on-board MRguidance“ ist der nächste Schritt. Automatisierung in Form von durch MachineLearning unterstützten Algorithmen halten bereits Einzug in die tägliche Praxis (Autokonturierung, automatische Planung), wodurch die Qualität der RT graduell weiter steigt.
Verbesserung der Tumorkontrolle
In der Primärtherapie des Prostatakarzinoms hat die Eskalation der RT-Dosis von 66Gy in den 90er-Jahren auf 78Gy zu einer klaren Verbesserung der Tumorkontrolle geführt, was in prospektiv randomisierten Studien gezeigt werden konnte.5 Auch in unserer Klinik konnten wir in der täglichen Praxis diese Verbesserung nachweisen.6,7
Publikationen der vergangenen Jahre konnten zeigen, dass eine Verkürzung der RT von 8 auf 4 Wochen möglich ist, indem weniger, aber höher dosierte Fraktionen gegeben werden. Tumorkontrolle und Toxizität blieben konstant, der Komfort für Patienten und die Effizienz der stets knappen RT-Ressourcen stiegen dadurch an.1 Diese Therapie hat rasch Eingang in internationale Guidelines gefunden (EAU, NCCN).
Für Low-Risk-Tumoren, bei denen auf eine Behandlung der Lymphabflusswege verzichtet werden kann, hat sich rezent auch die ultrahypofraktionierte Therapie (z.B. 7 Fraktionen jeden 2. Tag in 2½ Wochen) in Studien als sicher erwiesen und kann bereits in qualitätskontrolliertem Setting in der klinischen Praxis angeboten werden.8,9
Rezent wurde der FLAME Trial publiziert, in dem sich erstmals in einer randomisierten Phase-III-Studie (n=571 Patienten) das Prinzip eines integrierten Boost auf die dominante Tumorläsion in der Prostata als klinisch vorteilhaft erwies.10 Damit wird eine noch weitere isotoxische Verbesserung der Tumorkontrolle bei Tumoren im Stadium intermediären oder hohen Risikos ermöglicht.
Metastasenlast wichtiger Faktor
Der klinische Nutzen einer lokalen Radiotherapie der Prostata im metastasierten Stadium hängt von der Metastasenlast ab.11 In einer sekundären Analyse von fast 2000 im M1-Setting randomisierten Patienten zeigt sich eine klare (lineare) Abhängigkeit des Gesamt- und rezidivfreien Überlebens von der Anzahl der Knochenmetastasen: Vor allem bei bis zu drei Knochenmetastasen (ohne viszerale Metastasen) ist der Vorteil deutlich.
Zwei prospektiv randomisierte Phase-II-Studien, die noch keine systematische Verwendung von PSMA-PET-Scans erforderten, zeigten Vorteile im (biochemisch) progressionsfreien Überleben bei lokaler stereotaktischer RT von Oligometastasen, wobei bis zu drei metachron aufgetretene Metastasen erlaubt waren.3,12 Trotz relativ geringer Patientenzahl waren die Unterschiede deutlich.
In der ORIOLE-Studie wurde eine verblindete PSMA-PET zusätzlich zu für den Einschluss in die Studie erforderlichen CT/MR-Scans durchgeführt. Dabei zeigte sich für Patienten, bei denen alle PSMA-positiven Läsionen bestrahlt worden waren, also keine unbehandelt geblieben sind, ein sehr großer Vorteil im progressionsfreien Überleben schon nach kurzer Beobachtungszeit.12 Dies deutet auf die Notwendigkeit hin, dass für einen optimalen Erfolg alle metastatischen Läsionen lokal stereotaktisch behandelt werden müssen.
Prospektive Phase-III-Studien zur auf Metastasen gerichteten stereotaktisch-ablativen RT laufen bereits. Eine Integration dieser Behandlung in internationale Standards ist absehbar, wobei eine definierte Verwendung von PSMA-PET-Scans hier eine zentrale Rolle spielen wird, was auch die Frage nach effizientem Vorhalt und Verwendung begrenzter medizinischer Ressourcen aufwerfen wird.
Fazit
Fortschritte in Richtung immer weiter zunehmender Präzision in Indikationsstellung (Risikostratifizierung, Feststellung der Metastasenlast) sowie Durchführung von RT beim primären und beim oligometastasierten Prostatakarzinom („imageguidance, stereotaktische Technik, Intensitätsmodulation) bedingen eine Verkürzung der Therapiedauer sowie eine Verlagerung der RT nach vorne: Noch bevor Symptome der Krankheit auftreten, kann früher Einsatz der RT im oligometastasierten Stadium Progression zumindest verzögern und das (symptom- und hormontherapiefreie) Überleben verlängern.
Literatur:
1 Dearnaley D et al.: Conventional versus hypofractionated high-dose intensity-modulated radiotherapy for prostate cancer: 5-year outcomes of the randomised, non-inferiority, phase 3 CHHiP trial. Lancet Oncol 2016; 17(8): 1047-60 2 Parker CC et al.: Radiotherapy to the primary tumour for newly diagnosed, metastatic prostate cancer (STAMPEDE): a randomised controlled phase 3 trial. Lancet 2018; 392(10162): 2353-66 3 Phillips R et al.: Outcomes of observation vs stereotactic ablative radiation for oligometastatic prostate cancer: the ORIOLE phase 2 randomized clinical trial. JAMA Oncol 2020; 6(5): 650-9 4 Vogelius IR, Bentzen SM: Radiation dose escalation for early prostate cancer: reigniting the FLAME? J Clin Oncol [Internet] 2021; 39(27): 3085-6 5 Peeters STH et al.: Dose-response in radiotherapy for localized prostate cancer: results of the Dutch multicenter randomized phase III trial comparing 68Gy of radiotherapy with 78Gy. J Clin Oncol [Internet] 2006; 24(13): 1990-6 6 Moll M et al.: Treatment of low-risk prostate cancer: a retrospective study with 477 patients comparing external beam radiotherapy and I-125 seeds brachytherapy in terms of biochemical control and late side effects. Strahlenther Onkol [Internet] 2021; 197(2): 118-23 7 Moll M et al.: Advancements in the radiooncological treatment of high-risk prostate cancer: a quarter century of achievements. Radiol Oncol [Internet] 2022; 56(3): 365-70 8 Widmark A et al.: Ultra-hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for prostate cancer: 5-year outcomes of the HYPO-RT-PC randomised, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet 2019; 394(10196): 385-95 9 Fransson P et al.: Ultra-hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for prostate cancer (HYPO-RT-PC): patient-reported quality-of-life outcomes of a randomised, controlled, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet Oncol 2021; 22(2): 235-45 10 Kerkmeijer LGW et al.: Focal boost to the intraprostatic tumor in external beam radiotherapy for patients with localized prostate cancer: results from the FLAME randomized phase III trial. J Clin Oncol 2021; 39(7): 787-96 11 Ali A et al.: Association of bone metastatic burden with survival benefit from prostate radiotherapy in patients with newly diagnosed metastatic prostate cancer: asecondary analysis of a randomized clinical trial. JAMA Oncol [Internet] 2021; 7(4): 555-63 12 Deek MP et al.: Long-term outcomes and genetic predictors of response to metastasis-directed therapy versus observation in oligometastatic prostate cancer: analysis of STOMP and ORIOLE trials. J Clin Oncol 2022; 40(29): 3377-82
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