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Modernes Management der Nephrolithiasis: flexible URS, ESWL oder Mini-PCNL?

<p class="article-intro">Die Urolithiasis gehört weltweit zu den häufigsten Erkrankungen, mit zunehmender Inzidenz und Prävalenz.<sup>1–3</sup> Sowohl eine weltweite Veränderung in Lebensstil und Ernährungsweise als auch eine deutlich verbesserte bildgebende Diagnostik mittels Ultraschall und Computertomografie tragen zu einer erhöhten Inzidenz bei. Mittlerweile können fast alle Nierensteine erfolgreich minimal invasiv behandelt werden, eine Steinsanierung in offener Chirurgie stellt nunmehr eine absolute Rarität dar. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten mittels ESWL, flexibler URS oder Mini-PCNL und geht kurz auf die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren ein.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Leitlinien der European Society of Urology geben einen Pfad der Steinbehandlung vor.</li> <li>Bei der Therapiewahl muss die individuelle Situation des Patienten ber&uuml;cksichtigt werden, insbesondere die Anatomie, die Steinzusammensetzung, die technische Ausstattung der Abteilung und nat&uuml;rlich der Patientenwunsch.</li> </ul> </div> <p>Im deutschsprachigen Raum hat die Bedeutung der extrakorporalen Sto&szlig;wellenlithotripsie (ESWL) in den letzten 10 Jahren deutlich abgenommen, w&auml;hrend die Fallzahlen einer flexiblen ureteroskopischen Steinsanierung massiv zugenommen haben. Mit der Einf&uuml;hrung der Mini-PCNL (perkutane Nephrolitholapaxie) l&auml;sst sich auch wieder eine langsame Zunahme der Durchf&uuml;hrungen einer perkutanen Steinsanierung feststellen.<br /> Die Leitlinien der European Society of Urology geben einen Behandlungspfad vor, der sich prim&auml;r an der Steingr&ouml;&szlig;e und der Steinlage im Nierenbeckenkelchsystem orientiert; zus&auml;tzlich wurden spezielle Faktoren f&uuml;r die Erfolgsaussichten einer ESWL-Behandlung identifiziert (Abb. 1, 2 und Tab. 1).<br /> Das vorrangige Ziel jeder Steinbehandlung sollte die komplette Steinfreiheit sein, da das Vorhandensein von Restkonkrementen einen erheblichen Risikofaktor f&uuml;r ein erneutes symptomatisches Ereignis darstellt.<sup>4&ndash;6</sup> Dies gilt auch f&uuml;r Konkremente kleiner als 4 mm, welche in der Vergangenheit als klinisch insignifikant beschrieben wurden. Deshalb sollte das angewandte Verfahren darauf abzielen, bei m&ouml;glichst geringer Morbidit&auml;t die h&ouml;chstm&ouml;gliche Steinfreiheit zu erreichen. Gro&szlig;e Metaanalysen haben gezeigt, dass die PCNL insgesamt die besten Steinfreiheitsraten erreicht, gefolgt von der flexiblen Ureterorenoskopie (URS) und der ESWL. Allerdings zeigt die PCNL auch die h&ouml;chste Rate an Komplikationen, w&auml;hrend die ESWL die geringste Morbidit&auml;t aufweist.<sup>7&ndash;9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s41_abb1_zanier.jpg" alt="" width="1051" height="750" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s41_abb2_zanier.jpg" alt="" width="1138" height="750" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s42_tab1_zanier.jpg" alt="" width="350" height="269" /></p> <h2>ESWL</h2> <p>Um erfolgreich zu sein, muss die ESWL eine gute Desintegration des Konkrementes erreichen, zus&auml;tzlich m&uuml;ssen die Fragmente die M&ouml;glichkeit haben, problemlos aus dem Hohlsystem &uuml;ber den Harnleiter abzugehen. Somit limitiert das Vorhandensein von obstruierenden Faktoren wie einer Ureterabgangsenge, von Kelchhalsstenosen oder einer Harnleiterstriktur den Erfolg einer ESWL erheblich. Auch hat es wenig Sinn, einen adip&ouml;sen Patienten einer ESWL zu unterziehen, da zu wenig Energie das Konkrement erreicht. Ebenso sprechen bestimmte Steinarten, wie Kalziumoxalat- Monohydrat-, Brushit- und Zystinsteine, kaum auf eine ESWL- Behandlung an. Im Allgemeinen zeigen sich Harnsteine mit einer Dichte von mehr als 1100 HE wenig von einer Sto&szlig;wellenbehandlung beeinflussbar. Zusammenfassend kann man feststellen, dass eine ESWL nur in Abwesenheit dieser limitierenden Faktoren durchgef&uuml;hrt werden sollte. Der Erfolg einer ESWL ist weniger planbar als jener einer flexiblen URS oder PCNL und nimmt ab einer Steingr&ouml;&szlig;e von 1cm deutlich ab, mit der oftmaligen Notwendigkeit von mehreren Sitzungen oder auxili&auml;ren Ma&szlig;nahmen wie URS bei Harnleiterobstruktion durch Fragmente. Gerade in unserer heutigen teils schnelllebigen Zeit mit vermehrtem Arbeits- und Freizeitstress stellt dies einen Nachteil dar.</p> <h2>Flexible URS</h2> <p>Die flexible Ureterorenoskopie hat durch die technischen Entwicklungen der letzten 10 Jahre einen deutlichen Aufschwung erlebt. Sie zeigt im Vergleich zur ESWL bessere Steinfreiheitsraten bei Konkrementen bis 2 cm Gr&ouml;&szlig;e.<sup>7</sup> Zudem ist der Erfolg der URS unabh&auml;ngig von den Faktoren, die eine ESWL-Behandlung einschr&auml;nken, wie Adipositas und Steinzusammensetzung. Das Vorhandensein von Harnleiterstrikturen, Ureterabgangsenge oder Kelchhalsstenosen kann aber auch eine flexible URS unm&ouml;glich machen. Ein weiterer Vorteil einer flexiblen URS ist die M&ouml;glichkeit, bei multipler peripherer Steinlast in einer Sitzung die Nephrolithiasis zu sanieren, was bei einer ESWL nicht m&ouml;glich ist und bei einer PCNL mit mehreren Punktionen verbunden sein kann. Die Nachteile einer flexiblen URS bestehen in der Manipulation eines sensiblen Organs wie des Harnleiters mit dem Risiko einer Harnleiterl&auml;sion mit Strikturbildung sowie in der h&auml;ufig eintretenden Notwendigkeit einer pr&auml;-und postoperativen Harnleitersplintversorgung mit entsprechender Beschwerdesymptomatik und Morbidit&auml;t des Patienten. Eine &ndash; auch relative &ndash; Harnleiterstriktur erschwert weitere ureterorenoskopische Eingriffe erheblich und verringert die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Steinabgangs, was bei rezidivierenden Steinbildnern ein gro&szlig;es Problem sein kann. Auch spielt der Kostenfaktor eine Rolle, da insbesondere eine l&auml;ngere OP-Dauer, eine gr&ouml;&szlig;ere Steinlast oder ein schr&auml;ger Operationswinkel mit einer erh&ouml;hten Gefahr einer Ger&auml;tesch&auml;digung verbunden sind.</p> <h2>PCNL</h2> <p>Die PCNL stellt den Standard f&uuml;r Nierenkonkremente gr&ouml;&szlig;er als 2 cm dar. Die Steinfreiheitsrate ist naturgem&auml;&szlig; weniger von der Steingr&ouml;&szlig;e und -zusammensetzung abh&auml;ngig als die beiden anderen Verfahren. Zudem kann man mittels PCNL die sauberste Steinfreiheitsrate erreichen, da alle Konkrementfragmente &uuml;ber den dickeren Schaft unter Sicht ausgesp&uuml;lt werden k&ouml;nnen. Auch besteht in der Regel keine Notwendigkeit einer pr&auml;- und postoperativen Versorgung des Patienten mit einem Harnleitersplint. Zudem hat die Mini-PCNL den Vorteil eines Niedrigdrucksystems mit geringerer Einschwemmung, geringerer Gefahr von postoperativem Fieber bis hin zur lebensbedrohlichen Urosepsis sowie einer Sch&auml;digung der Nierenfunktion durch hohen intrarenalen Druck.<sup>10</sup> Diese Gefahren m&uuml;ssen dem Operateur bei der Durchf&uuml;hrung einer flexiblen URS insbesondere bei l&auml;ngerer OP-Dauer und vermehrter Sp&uuml;lung bewusst sein. Auch herrschen bei einer PCNL im Allgemeinen aufgrund des dickeren Schaftes bessere Sichtverh&auml;ltnisse als bei der flexiblen URS, was insbesondere bei impaktierten und mit entz&uuml;ndlichen Gewebsreaktionen einhergehenden Konkrementen von Bedeutung ist. Nicht zuletzt entwickelt sich durch die Anwendung von Laserenergie auch W&auml;rme, welche bei der PCNL im Vergleich zur URS aufgrund des st&auml;rkeren Sp&uuml;lstroms besser abtransportiert werden kann. Es gibt Hinweise auf eine Sch&auml;digung der Niere durch die entstandene W&auml;rmeenergie. <br />Die Nachteile der PCNL liegen insbesondere in der erh&ouml;hten Invasivit&auml;t des Eingriffs mit m&ouml;glichen schwerwiegenden Komplikationen und in Hinblick auf den Operateur in der Lernkurve, die flacher ist als bei den beiden anderen Verfahren. Auch ist eine PCNL mit einer vergleichsweise l&auml;ngeren Hospitalisierung verbunden, einer vermehrten Strahlenbelastung f&uuml;r Patient und Operateur und, inklusive Umlagerung und An&auml;sthesievorbereitung, mit einer l&auml;ngeren OP-Gesamtdauer.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Bei der Auswahl der f&uuml;r den jeweiligen Patienten idealen Steintherapie m&uuml;ssen viele Faktoren ber&uuml;cksichtigt werden, es gibt kein &bdquo;one fits all&ldquo;. Ausgehend von den Leitlinien und der Steingr&ouml;&szlig;e muss auf die individuelle Situation eingegangen werden, mit Ber&uuml;cksichtigung von anatomischen azung, Vorgeschichte, technischer Ausstattung der Abteilung und nat&uuml;rlich des Patientenwunsches.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hesse A et al.: Study on the prevalence and incidence of urolithiasis in Germany comparing the years 1979 vs. 2000. Eur Urol 2003; 44(6): 709 <strong>2</strong> Scales CD Jr et al.: Prevalence of kidney stones in the United States. Eur Urol 2012; 62(1): 160-5 <strong>3</strong> Dwyer ME et al.: Temporal trends in incidence of kidney stones among children: a 25-year population based study. J Urol 2012; 188(1): 247- 52 <strong>4</strong> Altunrende F et al.: Clinically insignificant residual fragments after percutaneous nephrolithotomy: medium- term follow-up. J Endourol 2011; 25(6): 941-5 <strong>5</strong> Raman JD et al.: Natural history of residual fragments following percutaneous nephrostolithotomy. J Urol 2009; 181(3): 1163-8 <strong>6</strong> Ganpule A, Desai M: Fate of residual stones after percutaneous nephrolithotomy: a critical analysis. J Endourol 2009; 23(3): 399-403 <strong>7</strong> Bozzini G et al.: A prospective randomized comparison among SWL, PCNL and RIRS for lower calyceal stones less than 2 cm: a multicenter experience: A better understanding on the treatment options for lower pole stones. World J Urol 2017; 35(12): 1967-75 <strong>8</strong> Zhang W et al.: Retrograde intrarenal surgery versus percutaneous nephrolithotomy versus extracorporeal shockwave lithotripsy for treatment of lower pole renal stones: a meta-analysis and systematic review. J Endourol 2015; 29(7): 745-59 <strong>9</strong> Chung DY et al.: Comparison of stone-free rates following shock wave lithotripsy, percutaneous nephrolithotomy, and retrograde intrarenal surgery for treatment of renal stones: A systematic review and network meta-analysis. PLoS One; 14(2): e0211316 <strong>10</strong> Tokas T et al.: Pressure matters: intrarenal pressures during normal and pathological conditions, and impact of increased values to renal physiology. World J Urol 2019; 37(1): 125-31</p> </div> </p>
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