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Modernes Management der Nephrolithiasis: flexible URS, ESWL oder Mini-PCNL?
Urologik
Autor:
OA Dr. Johannes Zanier
Universitätsklinik für Urologie<br> Medizinische Universität Innsbruck<br> E-Mail: johannes.zanier@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Die Urolithiasis gehört weltweit zu den häufigsten Erkrankungen, mit zunehmender Inzidenz und Prävalenz.<sup>1–3</sup> Sowohl eine weltweite Veränderung in Lebensstil und Ernährungsweise als auch eine deutlich verbesserte bildgebende Diagnostik mittels Ultraschall und Computertomografie tragen zu einer erhöhten Inzidenz bei. Mittlerweile können fast alle Nierensteine erfolgreich minimal invasiv behandelt werden, eine Steinsanierung in offener Chirurgie stellt nunmehr eine absolute Rarität dar. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten mittels ESWL, flexibler URS oder Mini-PCNL und geht kurz auf die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren ein.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Leitlinien der European Society of Urology geben einen Pfad der Steinbehandlung vor.</li> <li>Bei der Therapiewahl muss die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt werden, insbesondere die Anatomie, die Steinzusammensetzung, die technische Ausstattung der Abteilung und natürlich der Patientenwunsch.</li> </ul> </div> <p>Im deutschsprachigen Raum hat die Bedeutung der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) in den letzten 10 Jahren deutlich abgenommen, während die Fallzahlen einer flexiblen ureteroskopischen Steinsanierung massiv zugenommen haben. Mit der Einführung der Mini-PCNL (perkutane Nephrolitholapaxie) lässt sich auch wieder eine langsame Zunahme der Durchführungen einer perkutanen Steinsanierung feststellen.<br /> Die Leitlinien der European Society of Urology geben einen Behandlungspfad vor, der sich primär an der Steingröße und der Steinlage im Nierenbeckenkelchsystem orientiert; zusätzlich wurden spezielle Faktoren für die Erfolgsaussichten einer ESWL-Behandlung identifiziert (Abb. 1, 2 und Tab. 1).<br /> Das vorrangige Ziel jeder Steinbehandlung sollte die komplette Steinfreiheit sein, da das Vorhandensein von Restkonkrementen einen erheblichen Risikofaktor für ein erneutes symptomatisches Ereignis darstellt.<sup>4–6</sup> Dies gilt auch für Konkremente kleiner als 4 mm, welche in der Vergangenheit als klinisch insignifikant beschrieben wurden. Deshalb sollte das angewandte Verfahren darauf abzielen, bei möglichst geringer Morbidität die höchstmögliche Steinfreiheit zu erreichen. Große Metaanalysen haben gezeigt, dass die PCNL insgesamt die besten Steinfreiheitsraten erreicht, gefolgt von der flexiblen Ureterorenoskopie (URS) und der ESWL. Allerdings zeigt die PCNL auch die höchste Rate an Komplikationen, während die ESWL die geringste Morbidität aufweist.<sup>7–9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s41_abb1_zanier.jpg" alt="" width="1051" height="750" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s41_abb2_zanier.jpg" alt="" width="1138" height="750" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s42_tab1_zanier.jpg" alt="" width="350" height="269" /></p> <h2>ESWL</h2> <p>Um erfolgreich zu sein, muss die ESWL eine gute Desintegration des Konkrementes erreichen, zusätzlich müssen die Fragmente die Möglichkeit haben, problemlos aus dem Hohlsystem über den Harnleiter abzugehen. Somit limitiert das Vorhandensein von obstruierenden Faktoren wie einer Ureterabgangsenge, von Kelchhalsstenosen oder einer Harnleiterstriktur den Erfolg einer ESWL erheblich. Auch hat es wenig Sinn, einen adipösen Patienten einer ESWL zu unterziehen, da zu wenig Energie das Konkrement erreicht. Ebenso sprechen bestimmte Steinarten, wie Kalziumoxalat- Monohydrat-, Brushit- und Zystinsteine, kaum auf eine ESWL- Behandlung an. Im Allgemeinen zeigen sich Harnsteine mit einer Dichte von mehr als 1100 HE wenig von einer Stoßwellenbehandlung beeinflussbar. Zusammenfassend kann man feststellen, dass eine ESWL nur in Abwesenheit dieser limitierenden Faktoren durchgeführt werden sollte. Der Erfolg einer ESWL ist weniger planbar als jener einer flexiblen URS oder PCNL und nimmt ab einer Steingröße von 1cm deutlich ab, mit der oftmaligen Notwendigkeit von mehreren Sitzungen oder auxiliären Maßnahmen wie URS bei Harnleiterobstruktion durch Fragmente. Gerade in unserer heutigen teils schnelllebigen Zeit mit vermehrtem Arbeits- und Freizeitstress stellt dies einen Nachteil dar.</p> <h2>Flexible URS</h2> <p>Die flexible Ureterorenoskopie hat durch die technischen Entwicklungen der letzten 10 Jahre einen deutlichen Aufschwung erlebt. Sie zeigt im Vergleich zur ESWL bessere Steinfreiheitsraten bei Konkrementen bis 2 cm Größe.<sup>7</sup> Zudem ist der Erfolg der URS unabhängig von den Faktoren, die eine ESWL-Behandlung einschränken, wie Adipositas und Steinzusammensetzung. Das Vorhandensein von Harnleiterstrikturen, Ureterabgangsenge oder Kelchhalsstenosen kann aber auch eine flexible URS unmöglich machen. Ein weiterer Vorteil einer flexiblen URS ist die Möglichkeit, bei multipler peripherer Steinlast in einer Sitzung die Nephrolithiasis zu sanieren, was bei einer ESWL nicht möglich ist und bei einer PCNL mit mehreren Punktionen verbunden sein kann. Die Nachteile einer flexiblen URS bestehen in der Manipulation eines sensiblen Organs wie des Harnleiters mit dem Risiko einer Harnleiterläsion mit Strikturbildung sowie in der häufig eintretenden Notwendigkeit einer prä-und postoperativen Harnleitersplintversorgung mit entsprechender Beschwerdesymptomatik und Morbidität des Patienten. Eine – auch relative – Harnleiterstriktur erschwert weitere ureterorenoskopische Eingriffe erheblich und verringert die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Steinabgangs, was bei rezidivierenden Steinbildnern ein großes Problem sein kann. Auch spielt der Kostenfaktor eine Rolle, da insbesondere eine längere OP-Dauer, eine größere Steinlast oder ein schräger Operationswinkel mit einer erhöhten Gefahr einer Geräteschädigung verbunden sind.</p> <h2>PCNL</h2> <p>Die PCNL stellt den Standard für Nierenkonkremente größer als 2 cm dar. Die Steinfreiheitsrate ist naturgemäß weniger von der Steingröße und -zusammensetzung abhängig als die beiden anderen Verfahren. Zudem kann man mittels PCNL die sauberste Steinfreiheitsrate erreichen, da alle Konkrementfragmente über den dickeren Schaft unter Sicht ausgespült werden können. Auch besteht in der Regel keine Notwendigkeit einer prä- und postoperativen Versorgung des Patienten mit einem Harnleitersplint. Zudem hat die Mini-PCNL den Vorteil eines Niedrigdrucksystems mit geringerer Einschwemmung, geringerer Gefahr von postoperativem Fieber bis hin zur lebensbedrohlichen Urosepsis sowie einer Schädigung der Nierenfunktion durch hohen intrarenalen Druck.<sup>10</sup> Diese Gefahren müssen dem Operateur bei der Durchführung einer flexiblen URS insbesondere bei längerer OP-Dauer und vermehrter Spülung bewusst sein. Auch herrschen bei einer PCNL im Allgemeinen aufgrund des dickeren Schaftes bessere Sichtverhältnisse als bei der flexiblen URS, was insbesondere bei impaktierten und mit entzündlichen Gewebsreaktionen einhergehenden Konkrementen von Bedeutung ist. Nicht zuletzt entwickelt sich durch die Anwendung von Laserenergie auch Wärme, welche bei der PCNL im Vergleich zur URS aufgrund des stärkeren Spülstroms besser abtransportiert werden kann. Es gibt Hinweise auf eine Schädigung der Niere durch die entstandene Wärmeenergie. <br />Die Nachteile der PCNL liegen insbesondere in der erhöhten Invasivität des Eingriffs mit möglichen schwerwiegenden Komplikationen und in Hinblick auf den Operateur in der Lernkurve, die flacher ist als bei den beiden anderen Verfahren. Auch ist eine PCNL mit einer vergleichsweise längeren Hospitalisierung verbunden, einer vermehrten Strahlenbelastung für Patient und Operateur und, inklusive Umlagerung und Anästhesievorbereitung, mit einer längeren OP-Gesamtdauer.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Bei der Auswahl der für den jeweiligen Patienten idealen Steintherapie müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, es gibt kein „one fits all“. Ausgehend von den Leitlinien und der Steingröße muss auf die individuelle Situation eingegangen werden, mit Berücksichtigung von anatomischen azung, Vorgeschichte, technischer Ausstattung der Abteilung und natürlich des Patientenwunsches.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Hesse A et al.: Study on the prevalence and incidence of urolithiasis in Germany comparing the years 1979 vs. 2000. Eur Urol 2003; 44(6): 709 <strong>2</strong> Scales CD Jr et al.: Prevalence of kidney stones in the United States. Eur Urol 2012; 62(1): 160-5 <strong>3</strong> Dwyer ME et al.: Temporal trends in incidence of kidney stones among children: a 25-year population based study. J Urol 2012; 188(1): 247- 52 <strong>4</strong> Altunrende F et al.: Clinically insignificant residual fragments after percutaneous nephrolithotomy: medium- term follow-up. J Endourol 2011; 25(6): 941-5 <strong>5</strong> Raman JD et al.: Natural history of residual fragments following percutaneous nephrostolithotomy. J Urol 2009; 181(3): 1163-8 <strong>6</strong> Ganpule A, Desai M: Fate of residual stones after percutaneous nephrolithotomy: a critical analysis. J Endourol 2009; 23(3): 399-403 <strong>7</strong> Bozzini G et al.: A prospective randomized comparison among SWL, PCNL and RIRS for lower calyceal stones less than 2 cm: a multicenter experience: A better understanding on the treatment options for lower pole stones. World J Urol 2017; 35(12): 1967-75 <strong>8</strong> Zhang W et al.: Retrograde intrarenal surgery versus percutaneous nephrolithotomy versus extracorporeal shockwave lithotripsy for treatment of lower pole renal stones: a meta-analysis and systematic review. J Endourol 2015; 29(7): 745-59 <strong>9</strong> Chung DY et al.: Comparison of stone-free rates following shock wave lithotripsy, percutaneous nephrolithotomy, and retrograde intrarenal surgery for treatment of renal stones: A systematic review and network meta-analysis. PLoS One; 14(2): e0211316 <strong>10</strong> Tokas T et al.: Pressure matters: intrarenal pressures during normal and pathological conditions, and impact of increased values to renal physiology. World J Urol 2019; 37(1): 125-31</p>
</div>
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