
Minimalinvasive Therapie des BPS: welche Therapie für welche Patienten?
Autoren:
Dr. Gautier Müllhaupt1
Priv.-Doz. Dr. Dominik Abt2
1Klinik für Urologie, Spital Thun
2Klinik für Urologie, Spitalzentrum Biel
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Minimalinvasive Therapien im Rahmen der operativen BPS-Behandlung erfreuen sich bei Patienten zunehmender Beliebtheit. Welche Therapie jedoch bei welchem Patienten eingesetzt werden soll, ist bei der unterschiedlichen und teilweise spärlichen Evidenzlage schwierig zu entscheiden. Ein Leitfaden für den klinischen Alltag erleichtert die Patientenberatung.
Keypoints
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Leitlinien und Evidenz widerspiegeln häufig nicht die Versorgungsrealität.
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Die aktuell vier häufigsten minimal invasiven Therapien in der BPS-Therapie sind UroLift®, PAE, Rezum® und iTIND®.
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Die S2e-Leitlinien stellen einen evidenzbasierten Leitfaden unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität dar.
In den letzten Jahren sind viele minimalinvasive Therapieverfahren (MITs) des benignen Prostatasyndroms (BPS) auf den Markt gekommen. Die BPS-Therapie ist ein lukratives Geschäft und wird entsprechend von der Industrie angetrieben. Studien für die Zulassung am Markt haben oftmals ein Studiendesign, das die gewünschten Outcomes begünstigt, und neue Therapien werden, trotz mangelnder Evidenz, vielfach über Schlupflöcher für ähnliche Verfahren vergütet. Zudem sind gerade minimalinvasive Therapien auch von den Patienten sehr gefragt. Die Evidenz kommt somit den Neuentwicklungen nicht hinterher und entsprechend schwierig ist es, Leitlinien zu gestalten, die gleichermaßen Evidenz und Versorgungsrealität gerecht werden. Die neuen Methoden sollen den Patienten auch nicht unnötig lange vorenthalten werden.
In diesem Artikel wird die Evidenz der aktuell für den klinischen Alltag vier wichtigsten MITs erläutert, wobei das Hauptaugenmerkt auf randomisierte kontrollierte Studien (RCT) gelegt wird. Hierbei sollen die durchschnittlich eingeschlossene Patientenpopulation, Sponsoring, Follow-up, Resultate, Reinterventionsraten sowie „adverse events“ (AE) beleuchtet werden. Zudem werden die Empfehlungen der aktuellen europäischen (EAU-Leitlinie),1der amerikanischen (AUA-Leitlinie)2 sowie der deutschen Leitlinie(S2e-Leitlinie)3angeführt.
„Prostatic Urethral Lift“ (UroLift®)
Zu UroLift® gibt es zwei RCTs, die dieses Verfahren einmal SHAM (L.I.F.T-Studie)4 sowie einmal der transurethralen Resektion der Prostata (TURP; BPH6-Studie)5 gegenüberstellen. Bei der L.I.F.T-Studie wurden 206 Patienten mit einem Prostatavolumen von 30–80ml und bei der BPH6-Studie 80 Patienten mit <60ml eingeschlossen, wobei bei beiden Patientengruppen jeweils kein Mittellappen vorhanden sein durfte. Die L.I.F.T-Studie wurde, wie bei durch die Industrie gesponserten Zulassungsstudien üblich, bereits nach 3 Monaten entblindet, mit einem anschließenden Follow-up von 5 Jahren. Das Follow-up bei der BPH6-Studie, die ebenso durch die Industrie gesponsert wurde, betrug 2 Jahre. In der BPH6-Studie betrug der Restharn im Schnitt 86ml und der IPSS (International Prostate Symptom Score) 22. Die IPSS-Reduktion lag durchschnittlich bei 9,2 Punkten, die Verbesserung im Uroflow ergab 5ml/s und der Restharn konnte um 10,6ml reduziert werden. Die Reinterventionsrate lag bei 13,6% nach „Prostatic Urethral Lift“ (PUL) vs. 7,5% nach TURP. „Adverse events“ (AE) nach PUL beinhalteten vor allem irritative Symptome oder Schmerzen (52%) sowie Hämaturie (39%) und waren in der Regel nur von kurzer Dauer.
Die Leitlinien äußern sich wie folgt:
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EAU:„Offer prostatic urethral lift (UroLift®) to men with LUTS interested in preserving ejaculatory function, with prostates < 70mL and no middle lobe.“
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AUA:„PUL should be considered as a treatment option for patients with LUTS/BPH provided prostate volume 30–80cc and verified absence of an obstructive middle lobe. PUL may be of-fered as treatment option to eligible patients who desire preservation of erectile and ejaculatory function.“
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S2e: „Sollte Patienten mit Prostatagrösse bis 80cm3 und ohne vergrößerten Mittellappen als ejakulationsschonende Alternative angeboten werden.“
„Prostatic Artery Embolization“ (PAE)
Für die PAE gibt es mittlerweile recht gute Evidenz mit 5 RCTs, die sie einerseits mit SHAM (Pisco et al.)6 und TURP (Abt etal., Carnevale et al., Gao etal. und Insausti etal.)7–10 vergleichen. Es wurden 30 bis 114 Patienten mit einem Prostatavolumen von 25 bis 100ml eingeschlossen, ohne Restriktion bezüglich des Mittellappens. Der Restharn betrug im Schnitt 34,5–169ml und der IPSS 18,9 bis 25,8 Punkte. In der Studie von Pisco et al. wurden die Patienten nach 6 Monaten entblindet mit einem anschließenden Follow-up von einem Jahr. Die restlichen Studien hatten ein Follow-up von 12 bis 24 Monaten. Keine der Studien wurde durch die Industrie gesponsert. Die IPSS-Reduktion betrug durchschnittlich 9,2–21 Punkte, es gab eine Uroflow-Verbesserung von 3,1–14,2ml/s und der Restharn konnte um 20–62ml reduziert werden. Die Reinterventionsraten lagen bei 9,4–20%. Die AE waren im Schnitt 50% weniger häufig sowie weniger schwerwiegend als nach TURP.
Die Leitlinien äußern sich wie folgt:
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EAU: „Offer PAE to men with moderate-to-severe LUTS who wish to consider minimally invasive treatment options and accept less optimal outcomes compared with transurethral resection of the prostate. Perform PAE only in units where the work-up and follow-up is performed by urologists working collaboratively with trained interventional radiologists for the identification of PAE suitable patients.“
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AUA:„PAE for the routine treatment of LUTS/BPH is not supported by current data, and benefit over risk remains unclear; therefore, PAE is not recommended outside the context of clinical trials.“
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S2e:„Wirksamkeit kurz- und mittelfristig gegeben. Sollte bei Patienten in Erwägung gezogen werden, welche für MIT geeignet und bereit sind, eine unterlegene Verbesserung objektiver Parameter zu akzeptieren.“
„Water Vapor Thermal Therapy“ (Rezum®)
Obwohl bereits sehr häufig verwendet, gibt es zu Rezum® nur eine RCT vs. SHAM (McVary et al.).11 In diese Studie wurden 197 Patienten eingeschlossen, mit einem Prostatavolumen von 30–80ml ohne Restriktion bezüglich des Mittellappens. Der Restharn betrug im Schnitt 82,4ml und der IPSS 22 Punkte. Die Patienten wurden auch in dieser Industrie-gesponserten Studie nach 3 Monaten entblindet, mit einem anschließenden Follow-up von 5 Jahren. Die IPSS-Reduktion betrug im Schnitt 11,1 Punkte, die Uroflow-Verbesserung lag bei 3,5ml/s und der Restharn konnte um 26,4ml reduziert werden. Die Reinterventionsrate lag bei 4,4% nach 5 Jahren, wobei berücksichtigt werden muss, dass zu diesem Zeitpunkt nur noch 98 Patienten in der Studie waren. AE beinhalteten Dysurie (17%), Hämaturie (12%), Drangbeschwerden (6%) sowie Verhalt (4%) und waren in der Regel nur von kurzer Dauer.
Die Leitlinien äußern sich wie folgt:
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EAU: Keine Empfehlung. „Under investigation.“
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AUA: „Rezum® should be considered as a treatment option for patients with LUTS/BPH provided prostate volume 30–80cc. Rezum® may be offered as a treatment option to eligible patient who desire preservation of erectile and ejaculatory function.“
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S2e:„Rezum® kann eine Therapieoption des BPS bei Patienten mit einem Prostatavolumen bis zu 80cm3 sein, insbesondere bei Wunsch nach Ejakulationserhalt.“
„Temporary Implantable Nitinol Device“ (iTIND®)
Die bislang spärlichste Evidenz gibt es zu iTIND® mit einer Industrie-gesponserten RCTvs. SHAM (Chughtai et al.)12, die nach 3 Monaten entblindet wurde;das anschließende Follow-up betrugein Jahr. Eingeschlossen wurden 175 Patienten mit Prostatavolumen von 25–75ml, wobei kein Mittellappen vorhanden sein durfte, sowie mit einem durchschnittlichen Restharn von 43ml und IPSS von 22,38 Punkten. Die durchschnittliche IPSS-Reduktion nach „wash-out“ der Medikation bei iTIND® betrug 9 Punkte vs. 6,6 Punkte bei SHAM und somit zeigte sich eine Differenz der beiden Verfahren von gerade einmal 2,4 Punkten. Die Verbesserung des Uroflow betrug 3,52ml/s und der Restharn konnte um gerade einmal 2,2ml reduziert werden. Die Reinterventionsrate war 4,7% für eine erneute Medikation sowie 4,7% für eine erneute Intervention chirurgischer Natur. AE beinhalteten Dysurie (22,9%) sowie Hämaturie (8,8%) und waren auch hier nur von kurzer Dauer.
Die Leitlinien äußern sich wie folgt:
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EAU: Keine Empfehlung. „Under investigation.“
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AUA: iTIND® wird in diesen Leitlinien nicht erwähnt.
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S2e:„iTIND® kann eine Therapiealternative des BPS sein, wenn kein vergrößerter Mittellappen und Prostatavolumen max. 75cm3 insbesondere bei Patienten mit Wunsch nach Ejakulationserhalt.“
Welche Therapie für wen?
Es existieren keine klaren Vorgaben, ab welcher Evidenz ein Verfahren in Leitlinien empfohlen werden kann, was sich in den o.g. Diskrepanzen der verschiedenen Leitlinien widerspiegelt und teilweise zu Empfehlungen führt, die an der Versorgungsrealität vorbeigehen.
Die neuen deutschen S2e-Leitlinien zum BPS versuchen hier, unter Berücksichtigung von Evidenz und Versorgungsrealität mittels Flow-Chart (Abb. 1) durch die Vielzahl der Behandlungsoptionen und deren Differenzialindikationen zu helfen. Hierbei werden im Algorithmus verschiedene klinische Umstände, wie Hauptfokus der Therapie, Narkosemöglichkeit, Antikoagulation, Wunsch nach Ejakulationserhalt sowie Anatomie der Prostata (Prostatavolumen und Vorhandensein eines Mittellappens) berücksichtigt. Der Flow-Chart ersetzt natürlich keine ausführliche individuelle Patientenberatung, kann jedoch eine nützliche Orientierungshilfe im klinischen Alltag darstellen.
Abb. 1: Flow-Chart für differenzierte interventionelle Therapie (nach der Deutschen Gesellschaft für Urologie aus S2e-Leitlinien, S. 171)3
Literatur:
1 Gravas S et al.: EAU Guidelines on Management of Non-Neurogenic Male Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS), incl. Benign Prostatic Obstruction (BPO). https://uroweb.org/wp-content/uploads/EAU-Guidelines-on-Management-of-Non-Neurogenic-Male-LUTS-2021.pdf ; zuletzt aufgerufen am 15.5.2023 2 Lerner LB et al.: Management of lower urinary tract symptoms attributed to benign prostatic hyperplasia: AUA Guideline part II, surgical evaluation and treatment. J Urol 2021; 206(4): 818-26 3 Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (Hrsg.): S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS), 2023. AWMF-Registernummer: 043-034. https://www.urologenportal.de/fachbesucher/wirueberuns/dgu/leitlinien-der-deutschen-gesellschaft-fuer-urologie.html ; zuletzt aufgerufen am 06.5.2023 4 Roehrborn CG et al.: Five year results of the prospective randomized controlled prostatic urethral L.I.F.T. study. 2017. Can J Urol 24(3): 8802-13 5 Gratzke C et al.: Prostatic urethral lift vs transurethral resection of the prostate: 2-year results of the BPH6 prospective, multicentre, randomized study. BJU Int 2017; 119(5): 767-75 6 Pisco JM et al.: Randomised clinical trial of Prostatic Artery Embolisation versus a sham procedure for benign prostatic hyperplasia. Eur Urol 2020; 77(3): 354-62 7 Abt D et al.: Prostatic artery embolisation versus transurethral resection of the prostate for benign prostatic hyperplasia: 2-yr outcomes of a randomised, open-label, single-centre trial. Eur Urol 2021; 80(1): 34-42 8 Carnevale FC et al.: Transurethral resection of the prostate (TURP) versus original and PErFecTED prostate artery embolization (PAE) due to benign prostatic hyperplasia (BPH): Preliminary results of a single center, prospective, urodynamic-controlled analysis. Cardiovasc Intervent Radiol 2016; 39(1): 44-52 9 Gao YA et al.: Benign prostatic hyperplasia: prostatic arterial embolization versus transurethral resection of the prostate-a prospective, randomized, and controlled clinical trial. Radiology 2014; 270(3): 920-8 10 Insausti I et al.: Randomized comparison of prostatic artery embolization versus transurethral resection of the prostate for treatment of benign prostatic hyperplasia. J Vasc Interv Radiol 2020; 31(6): 882-90 11 McVary KT et al.: Final 5-year outcomes of the multicenter randomized sham-controlled trial of a Water Vapor Thermal Therapy for treatment of moderate to severe lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia. J Urol 2021; 206(3): 715-24 12 Chughtai B et al.: The iTind Temporarily Implanted Nitinol Device for the treatment of lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia: A multicenter, randomized, controlled trial. Urology 2021; 153: 270-6
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