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Koinzidenz von Symptomen der überaktiven Blase und der Blasenentleerungsstörung bei Frauen mit vaginalem Prolaps
Urologik
Autor:
Dr. rer. nat. Alexander Yassouridis
für die Propel-Studiengruppe<br> Zentrum für Rekonstruktive Urogenitalchirurgie<br> Urologische Klinik München-Planegg, Planegg
Autor:
Dr. Bernhard Liedl
für die Propel-Studiengruppe<br> Zentrum für Rekonstruktive Urogenitalchirurgie<br> Urologische Klinik München-Planegg, Planegg<br> E-Mail: liedl@ukmp.de
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Frauen mit vaginalem Prolaps leiden häufig an unterschiedlichen Symptomen einer überaktiven Blase, die hochsignifikant mit Symptomen der Blasenentleerungsstörung assoziiert sind. Durch eine adäquate netzgestützte Prolapskorrektur können alle Symptome in hohen Prozentsätzen geheilt werden, nach 24 Monaten besteht weiterhin eine signifikante Koinzidenz der Symptomgruppen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Vaginaler Prolaps kann u.a. sowohl Harndrangbeschwerden als auch Blasenentleerungsstörungen verursachen.<sup>1</sup> Als Pathomechanismus der prolapsbedingten Blasenentleerungsstörung wurde die Minderung der dorsalen Muskelkräfte zur aktiven Öffnung des Blasenhalses während der Miktion dargestellt.<sup>2–4</sup> Prolapsbedingte Harndrangbeschwerden können durch Reizung der Dehnungsrezeptoren am Blasenboden und vorzeitige Aktivierung des Miktionsreflexes erklärt werden.<sup>5, 6</sup> Die prolapsbedingte obstruktive Miktion äußert sich in Detrusorhypertrophie, die zystoskopisch als Trabekulierung erkannt werden kann oder sich sonografisch als Blasenwandverdickung zeigt. Diese kann – ähnlich wie bei benigner Prostatahyperplasie – auch zu Harndrangbeschwerden führen. Es wäre daher interessant zu wissen, ob eine Koinzidenz der Symptome der überaktiven Blase und der Symptome der Blasenentleerungsstörung bei Frauen mit vaginalem Prolaps besteht.</p> <h2>Methode</h2> <p>Zur Beantwortung dieser Frage analysierten wir die Rohdaten der Propel- Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00638235). Bei dieser Studie wurden Frauen mit 2- bis 4-gradigem vaginalem Prolaps einer netzgestützten Prolapskorrektur mit „elevate anterior/apical“ (n=142) oder „elevate posterior/apical“ (n=135) unterzogen. Präoperativ, 6, 12 und 24 Monate postoperativ erfolgten POP-Q-Messungen sowie eine patientenbezogene Symptomerfassung mit Fragen des „pelvic floor disorder inventory“ (PFDI) zu Pollakisurie (PFDI 17), Harndrang (PFDI 18), Dranginkontinenz (PFDI 19) und Nykturie (PFDI 27) sowie Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung (PFDI 12). Als Antwortmöglichkeiten hinsichtlich der Symptombelästigung konnte angegeben werden: nichts, ja – überhaupt nicht, leicht, mäßig, stark.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Die Analyse der präoperativen Daten (Tab. 1) zeigte eine hochsignifikante Assoziation aller OAB-Symptome mit dem Symptom der Blasenentleerung (PFDI 12). So beklagten die Patientinnen mit starker Blasenentleerungsstörung nur selten keine oder kaum OAB-Symptome – 2,2 % (für Pollakisurie), 7,1 % (für Harndrang), 10,1 % für Dranginkontinenz und 15,6 % für Nykturie –, während sie sehr häufig über starke OAB-Symptome klagten: 43,2 % Pollakisurie, 40 % Harndrang, 36,6 % Dranginkontinenz, 31,1 % Nykturie. In der Tabelle sind alle Assoziationen der unterschiedlichen Schweregrade der Symptome angegeben.<br /> Tabelle 2 zeigt den Zustand 24 Monate nach der Operation. Es ist ersichtlich, dass sich alle OAB-Symptome – vor allem die starken Beschwerden – signifikant besserten: So waren 24 Monate postoperativ 74,6 % der Frauen mit Pollakisurie (versus 32,9 % präoperativ), 70,8 % der Frauen mit Harndrang (versus 30,7 % präoperativ), 74,1 % der Frauen mit Dranginkontinenz (versus 25,6 % präoperativ) und 56,2 % der Frauen mit Nykturie (versus 27,8 % präoperativ) beschwerdefrei (Antwort: nichts oder kaum). Auch hinsichtlich des Symptoms der unvollständigen Blasenentleerung wurden viele Patientinnen beschwerdefrei. Auch in der postoperativen Phase hat sich für jedes der OAB-Symptome dessen Assoziation mit dem Symptom PFDI 12 als signifikant herausgestellt.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <ol> <li>Frauen mit vaginalem Prolaps beklagen häufig Symptome der überaktiven Blase und von Blasenentleerungsstörungen.</li> <li>Die Koinzidenz dieser Symptomgruppen ist hochsignifikant.</li> <li>Beide Symptomgruppen – sowohl Pollakisurie, Harndrang, Dranginkontinenz, Nykturie als auch das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung – sind durch adäquate netzgestützte Prolapskorrektur in einem hohen Prozentsatz heilbar.</li> <li>Die Koinzidenz kann ein Hinweis darauf sein, dass die Harndrangentstehung nicht nur – wie von P. Petros postuliert – durch Reizung der Dehnungsrezeptoren am Blasenboden bedingt, sondern auch Folge einer prolapsbedingten obstruktiven Miktion mit Detrusorhypertrophie sein kann.</li> </ol></p>
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<p><strong>1</strong> Liedl B et al.: Current treatment of pelvic organ prolapse correlated with chronic pelvic pain, bladder and bowel dysfunction. Curr Opin Urol 2017; 27: 274-81 <strong>2</strong> Petros P, Ulmsten U: Role of pelvic floor in bladder neck opening and closure: I. Muscle forces. Int Urogynecol J 1997; 8: 74-80 <strong>3</strong> Bush MB et al.: A finite element model validates an external mechanism for opening of the urethral tube prior to micturition in the female. World J Urol 2016; 33: 1151-7 <strong>4</strong> Liedl B et al.: Update of the integral theory and system for management of pelvic floor dysfunction in females. Eur Urol Suppl 2018; 17: 100-8 <strong>5</strong> Liedl B et al.: Can surgical reconstruction of vaginal and ligamentous laxity cure over active bladder symptoms in women with pelvic organ prolapse? BJU Int 2018; doi:10.1111/bju.14453 <strong>6</strong> Petros P, Ulmsten U: Bladder instability in women: a premature activation of the micturition reflex. Neurourol Urodyn 1993; 12: 135-239</p>
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