
Kinderurologie: Enuresis und Guideline zu rezidivierenden Harnwegsinfekten
Bericht:
Reno Barth
Kinderurologie war auch im Rahmen des diesjährigen Kongresses der European Association of Urology (EAU) ein wichtiges Thema. Vorgestellt wurden unter anderem Expertenempfehlungen zum Managenent der Enuresis sowie ein Update der Guideline für das Management von rezidivierenden Harnwegsinfekten bei Kindern.
Enuresis: Lebensstilmodifikation und medikamentöse Therapie
Unter Enuresis versteht man das unwillkürliche Einnässen während des Schlafes bei Kindern im Alter von mehr als fünf Jahren, sofern keine körperliche Ursache vorliegt. Enuresis wird als primär bezeichnet, wenn das Kind niemals eine trockene Periode von mehr als sechs Monaten hatte. Von monosymptomatischer Enuresis spricht man, wenn während des Tages keine Symptome auftreten. Betroffen sind 7–10% der Siebenjährigen, die Mehrzahl davon leidet unter monosymptomatischer Enuresis. In rund 40% der Fälle liegt eine schwere Enuresis mit mindestens dreimaligem Einnässen pro Woche vor. Pro Jahr vergeht das Problem bei rund 15% der Betroffenen von alleine, so Prof. Dr. Emilio Merlini vom Ospedale Infantile Regina Margherita in Turin. Allerdings kann Enuresis bei einer kleinen Minderheit der Patienten auch bis ins Erwachsenenalter persistieren. Buben sind häufiger betroffen als Mädchen.
Enuresis hat eine ausgeprägte erbliche Komponente. War ein Elternteil betroffen, liegt das Risiko des Kindes bei 40%, es steigt auf 70%, wenn beide Eltern unter Enuresis litten. Ein autosomal-dominanter Erbgang mit mehr als 90% Penetranz wurde beschrieben, wobei allerdings die Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp nicht ganz klar ist.1
Enuresis ensteht durch ein Missverhältnis von nächtlicher Blasenkapazität zu nächtlicher Blasenfüllung in Verbindung mit fehlendem Erwachen, wenn die Blase gefüllt ist. Bei rund 70% der betroffenen Kinder fehlt der nächtliche Peak der Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH), was zu einer höheren Urinproduktion während der Nacht führt. Diese Patienten sprechen gut auf eine Therapie mit Desmopressin an, einem synthetischen Analogon von ADH. Bei rund einem Drittel der Patienten liegt jedoch eine reduzierte Blasenkapazität unter Umständen infolge einer nächtlichen Detrusorüberaktivität vor. Diese Patienten sprechen in der Regel nicht auf Desmopressin an. Ist eine eingeschränkte Blasenkapazität die Ursache des Problems, so werden Alarminterventionen und in ausgewählten Fällen auch Anticholinergika empfohlen. Imipramin soll wegen seines ungünstigen Sicherheitsprofils nicht mehr eingesetzt werden. Auch seltene Ursachen von Enuresis wie zum Beispiel Hypertonie sind möglich.
Zunächst sollte jedoch – nach ausführlicher Anamnese und Untersuchung – Lebensstilmodifikation versucht werden. Häufig trinken Kinder in der Schule zu wenig, so Merlini, kommen dehydriert nach Hause und nehmen am Nachmittag und Abend große Flüssigkeitsmengen zu sich. Ausgewogene Verteilung der Flüssigkeitsaufnahme über den Tag, Verzicht auf übermäßigen Salzkonsum, sparsames Trinken am Abend sowie regelmäßige Toilettengänge führen bei rund 20% der Betroffenen zum Verschwinden der Enuresis. Die große Mehrheit benötigt jedoch eine medikamentöse Therapie, wobei Desmopressin die Option der ersten Wahl darstellt.
Neue Guideline für UTI bei Kindern
In seltenen Fällen können Kinder auch von rezidivierenden Harnwegsinfekten (UTI) betroffen sein. Im Rahmen des EAU 2021 stellte Dr. Lisette ’t Hoen von der Erasmus-Universität in Rotterdam die aktualisierten EAU/ESPU-Leitlinien für das Management solcher Infektionen2 vor und betonte, dass UTI bei Kindern das erste Zeichen anatomischer Auffälligkeiten sein können. Dies müsse im Rahmen der diagnostischen Abklärung berücksichtigt werden. Dennoch sollte diese Abklärung so wenig invasiv wie möglich erfolgen. Hinweise auf anatomische Auffälligkeiten liefert auch die Klinik.
Prädiktoren für das rezidivierende Auftreten sind unter anderem Infektionen mit anderen Keimen als E. coli, hohes Fieber und ein verdächtiger Ultraschallbefund. Werden diese Risikofaktoren im Rahmen der Abklärung berücksichtigt, so können bei einem größeren Anteil der jungen Patienten invasive Untersuchungen vermieden werden.
Im Management von UTI zählt nicht nur die Behandlung der aktuellen, aktiven Infektion, sondern auch die Prävention weiterer Ereignisse. Diese ist besonders im Hinblick auf die Gefahr von Nierenschädigung durch UTI von großer Bedeutung und wird in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen potenziell schwieriger. Daher sollte auch an alternative Maßnahmen wie Nahrungsergänzungsprodukte sowie Blasen- und Darmmanagement gedacht werden.
Quelle:
EAU-Kongress 2021, virtuell, 8. bis 12. 7. 2021
Literatur:
1 Eiberg H, Berendt I et al.: Nat Genet 1995; 10(3): 354-6 2’t Hoen LA et al.: Update of the EAU/ESPU guidelines on urinary tract infections in children. J Pediatr Urol 2021; 17(2): 200-07
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