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Metastasiertes Nierenzellkarzinom

Hat die Einführung moderner Systemtherapeutika das Überleben der Patienten wirklich verbessert?

<p class="article-intro">Die Einführung von Tyrosinkinaseinhibitoren und mTor-Inhibitoren hat die therapeutische Landschaft des metastasierten Nierenzellkarzinoms deutlich verändert. Die vormalige Standardtherapie, eine Kombination von Interleukin 2 und Inferferon alpha, hat heute nur noch historische Bedeutung. Mit den nunmehr verfügbaren Immuntherapeutika steht bereits die nächste Generation medikamentöser Behandlungsoptionen zur Verfügung. Doch hatte die Etablierung eines neuen Therapiestandards tatsächlich einen Einfluss auf das Überleben der Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom in Österreich? Zur Beantwortung dieser Frage wurden knapp 1500 Patienten mit primär metastasiertem Nierenzellkarzinom des österreichischen Krebsregisters retrospektiv analysiert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das mittlere &Uuml;berleben von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom war seit jeher eher schlecht. Die ehemalige Standardtherapie, bestehend aus einer Kombination aus Interleukin 2 und Interferon alpha, konnte mit einer Ansprechrate von knapp 18 % und einem Gesamt&uuml;berleben von rund 17 Monaten daran kaum etwas &auml;ndern. Wenig verwunderlich war dementsprechend die gro&szlig;e Hoffnung, welche in die neu zugelassene Substanzgruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) gesetzt wurde. Eine durchgreifende &Auml;nderung der Therapielandschaft des metastasierten Nierenzellkarzinoms in &Ouml;sterreich brachte die Zulassung von Sunitinib im Jahr 2006. Von dem daraufhin folgenden breiten Einsatz von TKI und mTor-Inhibitoren wurde fast selbstverst&auml;ndlich ein globaler &Uuml;berlebensbenefit angenommen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Verf&uuml;gbarkeit von Registerdaten und Langzeitdaten zum &Uuml;berleben der Gesamtpopulation abseits von Studienkohorten auf sich warten lie&szlig;. Umso mehr ist es nun von Interesse, den Einfluss dieser aus gesundheits&ouml;konomischer Sicht nicht unumstrittenen Therapeutika auf die Mortalit&auml;t des Nierenzellkarzinoms auch aus diesem Blickwinkel zu betrachten.</p> <h2>Datenanalyse aus dem &ouml;sterreichischen Krebsregister</h2> <p><br /> Im &ouml;sterreichischen Krebsregister werden seit 1983 alle Patienten mit der Diagnose &bdquo;Nierentumor&ldquo; erfasst. In einer retrospektiven Datenanalyse des Zeitraumes 1998 bis 2014 wurden durch eine Kooperation mit der Bundesanstalt Statistik Austria aus knapp 18 000 erfassten Nierentumorpatienten 1468 Patienten mit diagnostiziertem, prim&auml;r metastasiertem Nierenzellkarzinom identifiziert. Ein Mindestalter von 18 Jahren wurde als Einschlusskriterium definiert. In die Studie inkludiert wurden Patienten mit Erstdiagnose der Erkrankung zwischen 1998 und 2009. Diese Patienten wurden anschlie&szlig;end in zwei Gruppen stratifiziert: Patienten mit Erstdiagnose zwischen 1998 und 2003 (Gruppe 1; vor der Zulassung von Sunitinib in &Ouml;sterreich) und Patienten mit Erstdiagnose zwischen 2006 und 2009 (Gruppe 2; nach der Zulassung von Sunitinib in &Ouml;sterreich). In der anschlie&szlig;enden Analyse wurde das &Uuml;berleben der beiden Kohorten verglichen und m&ouml;gliche Einflussfaktoren wie Patientenalter, Geschlecht, Tumorstadium und die Rate chirurgischer Interventionen wurden untersucht. <br />Grunds&auml;tzliche Parameter wie Alter und Geschlechtsverteilung waren in beiden Gruppen vergleichbar. Interessanterweise zeigte sich im beobachteten Zeitraum eine Abnahme der Tumoren im Stadium T4 (von 15 % auf 6,5 % ) zugunsten einer Zunahme des Tumorstadiums T1 (von 6,6 % auf 10 % ). Dies d&uuml;rfte eine Folge effektiver Screening- und Fr&uuml;herkennungsma&szlig;nahmen sein, am ehesten des mittlerweile weitverbreiteten Einsatzes der Sonografie sowie der guten Zug&auml;nglichkeit von Schnittbildverfahren wie Computertomografie und Magnetresonanztomografie. Die Analyse der &Uuml;berlebensdaten zeigte eine Verbesserung der &Uuml;berlebensrate (5 Jahre) bei Patienten mit prim&auml;r metastasiertem Nierenzellkarzinom nach Operation um knapp 4 % (Abb. 1). Bei Patienten ohne chirurgische Intervention betrug der &Uuml;berlebensvorteil f&uuml;r Patienten der TKI-&Auml;ra nach 5 Jahren knapp 3,5 % . Insgesamt zeigte sich eine Risikoreduktion f&uuml;r Patienten, die in der TKI-&Auml;ra behandelt wurden, um knapp 17 % , mit einem zus&auml;tzlichen Benefit f&uuml;r Patienten nach tumorchirurgischem Eingriff.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Urologik_Uro_1703_Weblinks_urologik_uro_1703_seite_12_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="867" /></p> <h2>Vergleichbare Ergebnisse anderer Datenbankanalysen</h2> <p><br /> Die Auswertung von Registerdaten erlaubt aufgrund der unabh&auml;ngigen und breit gestreuten Datenerfassung sowie der davon getrennten Datenanalyse einen groben &Uuml;berblick &uuml;ber die Behandlungsrealit&auml;t au&szlig;erhalb von Studienprotokollen oder der Zentrumsmedizin. Trotzdem gibt es nat&uuml;rlich gel&auml;ufige Kritikpunkte, die bei der Bewertung von Registerdaten zu ber&uuml;cksichtigen sind. Zum einen beschreiben die erfassten Daten eine Erkrankung nur sehr oberfl&auml;chlich und lassen keine R&uuml;ckschl&uuml;sse auf einen individuellen Erkrankungsverlauf zu. Gr&uuml;nde hierf&uuml;r liegen vor allem im berechtigten Schutz von Patienteninteressen (Datenschutz) oder auch in der andernfalls &uuml;berbordenden Datenmenge, die sich letztendlich negativ auf die Qualit&auml;t der Datenerfassung auswirkt. Zum anderen h&auml;ngt eben diese Datenqualit&auml;t auch von der gleichm&auml;&szlig;igen Verteilung der teilnehmenden Kliniken und Zentren ab und ganz ma&szlig;geblich von der Motivation derjenigen, die mit der Datenerfassung betraut werden.<br /> Die Ergebnisse unserer Analyse der &ouml;sterreichischen Krebsregisterdaten decken sich durchaus mit Vergleichsuntersuchungen anderer gro&szlig;er Datenbanken, etwa der SEER Database (Surveillance, Epidemiology and End Results, National Cancer Institute, U.S. Department of Health and Human Services). Eine schon etwas l&auml;nger zur&uuml;ckliegende Analyse von immerhin knapp 23 000 Patienten der SEER Database zeigte eine deutliche Verbesserung des medianen &Uuml;berlebens (20 Monate vs. 15 Monate) von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom und Behandlung in der TKI-&Auml;ra (2005&ndash;2008) verglichen mit der Behandlung davor (2000&ndash;2003). Neben der Behandlungsperiode waren auch das Alter der Patienten und der Nephrektomiestatus wesentliche Einflussfaktoren f&uuml;r das &Uuml;berleben. Eine aktualisierte Analyse derselben Datenbank zu diesem Thema zeichnet ein &auml;hnliches Bild mit einem &Uuml;berlebensvorteil nach 3 Jahren von fast 10 Monaten f&uuml;r nephrektomierte Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom.<br /> &Auml;hnliche Ergebnisse liegen auch f&uuml;r das nicht klarzellige Nierenzellkarzinom vor. Eine weitere Analyse des kalifornischen Krebsregisters untersuchte 4483 Patienten mit papill&auml;rem, chromophobem und nicht klassifiziertem Nierenzellkarzinom. Die Vergleichsanalyse wurde wiederum in zwei Gruppen durchgef&uuml;hrt, einer Gruppe der Zytokin-&Auml;ra (1998&ndash; 2003) und einer Gruppe der TKI-&Auml;ra (2004&ndash;2009). Auch hier zeigte sich in der univariaten Analyse ein signifikant besseres Gesamt&uuml;berleben nach 3 Jahren f&uuml;r die in der TKI-&Auml;ra behandelten Patienten (83,7 % vs. 79,6 % ). <br />Abseits gesundheits&ouml;konomischer &Uuml;berlegungen scheinen die Ergebnisse aus Registeranalysen also die vorliegenden Daten aus Zulassungsstudien oder Analysen gro&szlig;er Zentrumskohorten zu best&auml;tigen. Das &Uuml;berleben von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom konnte durch die Einf&uuml;hrung von Tyrosinkinaseinhibitoren, die auch binnen k&uuml;rzester Zeit zu einem neuen Therapiestandard avancierten, deutlich verbessert werden. Dies gilt f&uuml;r die gro&szlig;e Gruppe der Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom, d&uuml;rfte aber ebenso auf die Minderheit der Patienten mit papill&auml;rem, chromophobem und nicht klassifiziertem Nierenzellkarzinom zutreffen. Mit der Renaissance der Immuntherapie steht nun eine weitere Bereicherung des systemtherapeutischen Armamentariums zur Verf&uuml;gung. Ob sich daraus der n&auml;chste Therapiestandard entwickelt &ndash; wir werden es sehen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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