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Evidenz aus klinischen Untersuchungen für die Steintherapie
Urologik
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13.12.2018
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<p class="article-intro">Die Therapie der Urolithiasis wurde über Jahre ohne breite klinische Evidenz durchgeführt. In einer Sitzung beim DGU-Kongress freuten sich die Vorsitzenden Jan-Thorsten Klein, Ulm, Akradiusz Miernik, Freiburg, und Andreas Neisius, Trier, über einen gut gefüllten Saal, der den Stellenwert der Forschung zum Thema Steintherapie unterstrich.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die ureterorenoskopische Steinsanierung (URS) ist eine effiziente und sichere Therapiemethode im Rahmen der Harnsteinerkrankung. Laut EAU-Leitlinien soll vor Durchführung einer minimal invasiven perkutanen Nephrolitholapaxie (PNL) eine Urinkontrolle erfolgen und im Falle einer unauffälligen Urinkultur eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden.<sup>1</sup> Nicht routinemäßig empfohlen wird die präoperative Anlage einer Harnleiterschiene („pre-stenting“) mit Hinweis auf eine längere Steinfreiheit und geringere Komplikationsraten bei Anlage einer Schiene. Beim DGU wurden diese Empfehlungen infrage gestellt.</p> <h2>Kalkulierte Reduktion des Antibiotikagebrauchs möglich</h2> <p>Marco Julius Schnabel, Regensburg, und Kollegen gingen der Frage nach, ob es ohne perioperative Antibiotikaprophylaxe in der Therapie von Nierensteinen zu einer erhöhten Rate an postoperativem Fieber oder Komplikationen kommt.<sup>2</sup> Es wurden 174 Patienten in die retrospektive Untersuchung eingeschlossen. Von 105 Patienten mit einer perioperativen Antibiose entwickelten 3 % postoperativ Fieber, von 69 Patienten ohne perioperative Antibiose kam es bei 1 % zu Fieber (p=0,544). Postoperative Komplikationen wurden häufiger bei Patienten mit perioperativer Antibiose beobachtet (41,9 % vs. 26,1 % ; p=0,001), wobei kein Unterschied bei Clavien-3-Komplikationen bestand (20 % vs. 25 % ). <br />Schnabel schlussfolgerte, dass der Verzicht auf eine perioperative Antibiose bei präoperativ unauffälliger Urinkultur zumindest in Deutschland vertretbar erscheint. Es wurden keine vermehrten Komplikationen beobachtet, wenn die Anamnese unauffällig für Harnwegsinfekte und auch die präoperative Urinkultur unauffällig war. Die Ergebnisse sollten aber in einer prospektiven Untersuchung verifiziert werden, so Schnabel.</p> <h2>Präoperative Einlage einer DJ-Schiene verbessert Therapieerfolg</h2> <p>Die Steinfreiheitsrate und perioperative Komplikationen können positiv durch das „pre-stenting“ beeinflusst werden, so das Ergebnis einer Untersuchung von Thilo Westhofen, München, und Kollegen.<sup>3</sup> Sie untersuchten retrospektiv 308 Patienten mit CT-morphologisch gesicherter Nephrolithiasis bis 12mm. Die Patienten wurden bezüglich der Konkrementgröße gematcht und hinsichtlich der postoperativen Steinfreiheitsrate und perioperativen Komplikationen nach URS mit (n=147) und ohne (n=161) präoperative Einlage einer DJ-Schiene ausgewertet. <br />Die mediane Konkrementgröße betrug bei beiden Patientengruppen 6mm. Die mediane OP-Dauer war mit 51 Minuten bei sekundärer URS signifikant länger als bei der primären URS mit 40 Minuten (p<0,05). Die postoperative Steinfreiheitsrate war allerdings bei Patienten mit DJ signifikant höher als bei Patienten ohne DJ (88 % vs. 60 % ). Die perioperative Komplikationsrate war mit DJ signifikant geringer als ohne Harnleiterschiene (2,72 % vs. 6,21 % ; p<0,05) (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_s23_abb1.jpg" alt="" width="736" height="887" /></p> <h2>Dauer der Beschwerden hat Einfluss auf Therapieerfolg</h2> <p>Ob für den Erfolg der URS auch andere Faktoren als die Lage des Steins eine Rolle spielen, untersuchten Sebastian Nestler, Rosbach, und Kollegen.<sup>4</sup> In die Untersuchung wurden 517 Patienten eingeschlossen, die eine primäre URS aufgrund eines Harnleitersteins erhielten. Um den Einfluss der Position bei den übrigen Zielparametern zu minimieren, wurden die Patienten nach Position des Steins im proximalen, mittleren und distalen Ureter eingeteilt. Als Zielparameter wurden die Beschwerdedauer bis URS (>36 Stunden versus <36 Stunden), Erstereignis (ja/nein), das Geschlecht und die Erfahrung des Operateurs ausgewertet. Bei 52,8 % der Patienten war die primäre URS erfolgreich. An Komplikationen traten bei 7 Patienten (1,35 % ) Schleimhautverletzungen und bei 5 Patienten (0,96 % ) Harnleiterperforationen auf. <br />Die Studie konnte bestätigen, dass der Erfolg der URS von der Position des Konkrements abhängig ist. Die Erfahrung des Operateurs hatte bei der URS im ungeschienten Harnleiter zumindest im distalen Drittel einen Einfluss auf den Therapieerfolg. Fand die Operation innerhalb von 36 Stunden nach Beschwerdebeginn statt, war die URS im distalen Harnleiter in 88,4 % der Fälle erfolgreich (vs. 58,9 % bei >36 Stunden; p<0,001), im mittleren Ureter in 58,5 % der Fälle (vs. 25,4 % ; p=0,002) und im proximalen Ureter in 29,1 % der Fälle (vs. 10 % ; p<0,001). Bei den anderen Parametern wurde kein signifikanter Unterschied gefunden.</p> <h2>Prävention septischer Komplikationen</h2> <p>Zur Prävention septischer Komplikationen nach PNL werden in der Regel präoperative Mittelstrahl-Urin-Kulturen (PMUK) herangezogen, welche nun in einer Untersuchung des Universitätsklinikums Marburg mit intraoperativ gewonnenen Nierenbecken- Urin-Kulturen (NBUK) und Nierenstein- Kulturen (NSK) verglichen wurden.<sup>5</sup> <br />Christian Keil und Kollegen führten eine prospektive Studie mit 55 Patienten durch, die eine PNL oder eine URS bei großen Nierensteinen erhielten. Ein signifikanter Harnwegsinfekt wurde 1 Tag präoperativ beginnend resistenzgerecht therapiert. Bei negativer PMUK wurde eine perioperative Prophylaxe mit einer Dosis Ampicillin/Sulbactam oder Ciprofloxacin durchgeführt. <br />Bei 36 % der eingeschlossenen Patienten wurde eine positive Steinkultur festgestellt, davon zeigten 35 % eine negative PMUK und 65 % eine positive PMUK. Die Keime von PMUK und Steinkultur waren identisch. Bei 7 Patienten lag ein klinisch relevanter Keimnachweis in den PMUK vor. Obwohl eine resistenzgerechte antibiotische Therapie von 2–5 Tagen präoperativ durchgeführt wurde, konnte der Keim im Steinmaterial weiter nachgewiesen werden. Bei keinem Patienten kam es zu einer septischen Komplikation. <br />Keil schloss aus den Ergebnissen, dass eine PMUK vor der PNL durchgeführt werden sollte. Infekte müssten resistenzgerecht therapiert werden, wenn auch der richtige Zeitpunkt der Therapieeinleitung und der Stellenwert der postoperativen antibiotischen Therapie noch unklar seien. Eine PMUK ohne Keimnachweis schließe eine Besiedelung des Steins nicht aus, warnte Keil. Darum sollten im Rahmen der PNL Pyelon-Urin und Steinmaterial zur mikrobiologischen Analyse asserviert werden. Eine perioperative antibiotische Prophylaxe bei PNL war im untersuchten Kollektiv zur Prävention septischer Komplikationen ausreichend und sicher.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 70. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU), 26.–29. September 2018, Dresden
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> EAU-Guidelines Urolithiasis 2018; https://uroweb.org/ guidesline/urotheliasis <strong>2</strong> Schnabel MJ et al.: Mini-PNL ohne perioperative Antibiose, ein unkalkulierbares Risiko? DGU 2018; Abstr. V23.6 <strong>3</strong> Westhofen T et al.: Evaluation der Steinfreiheitsrate und der perioperativen Komplikationen bei Patienten mit und ohne pre-stenting im Rahmen der endourologischen Steintherapie. DGU 2018; Abstr. V23.3 <strong>4</strong> Nestler S et al.: Der Erfolg der Ureterorenoskopie im ungeschienten Harnleiter ist abhängig von der Dauer der Beschwerden. DGU 2018; Abstr. V23.2<strong> 5</strong> Keil C et al.: Steine und Keime – wie aussagekräftig sind präoperative Mittelstrahl-Urin-Kulturen? DGU 2018; Abstr. V23.1</p>
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