© Getty Images/iStockphoto

Einfluss der Multimedikation auf die Kontinenz geriatrischer Patienten

<p class="article-intro">Geriatrische Patienten nehmen aufgrund ihrer altersabhängigen körperlichen und funktionellen Veränderungen und aufgrund ihrer Multimorbidität oft sehr viele Medikamente ein. Nach einer Definition der WHO von 2006 spricht man ab einer Anzahl von mehr als fünf verschiedenen verordnungspflichtigen und/oder rezeptfreien Substanzen von Multimedikation oder Polypharmazie. Multimedikation ist aber gerade bei älteren Menschen mit einer Vielzahl von Problemen assoziiert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Diese Probleme &auml;u&szlig;ern sich als unspezifische Beschwerden wie M&uuml;digkeit, Inappetenz, Schwindel, Verwirrtheit, Tremor, St&uuml;rze, Blutungen oder Inkontinenz. Solche Zust&auml;nde lassen sich schwer von den Symptomen bestehender oder neu aufgetretener Krankheiten unterscheiden und werden oft als eigene Krankheitsentit&auml;ten eingestuft, was eine Kaskade weiterer Arzneimittelverordnungen zur Folge haben kann.</p> <h2>Nebenwirkung Inkontinenz</h2> <p>Medikamente, die als Nebenwirkung eine Inkontinenz ausl&ouml;sen oder eine bestehende Inkontinenz verschlimmern k&ouml;nnen, gibt es mehr als allgemein angenommen. Es existieren mittlerweile mehrere Listen von sogenannten &bdquo;inkontinenzf&ouml;rdernden&ldquo; Medikamenten, in denen h&auml;ufig verwendete Pr&auml;parate und deren Einfluss auf die Kontinenz zusammengefasst werden (Liste &bdquo;potenziell inkontinenzf&ouml;rdernder Medikamente&ldquo;) (Tab. 1). Es muss auch beachtet werden, dass nicht nur einzelne Wirkstoffe, sondern auch die Summe aller eingenommenen Substanzen durch verschiedene Interaktionen negative Auswirkungen auf den Harntrakt und die Kontinenzsteuerung haben k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1904_Weblinks_urologik_uro_1904_s10_tab1_talasz.jpg" alt="" width="800" height="485" /></p> <h2>Ausl&ouml;sende Mechanismen</h2> <p>Kontinenz kann nur durch ein ungest&ouml;rtes Zusammenspiel von gesunden anatomischen Strukturen und einem ungest&ouml;rten zentralen, peripheren und vor allem vegetativen Nervensystem gew&auml;hrleistet werden. Es sind verschiedene Mechanismen bekannt, &uuml;ber die Medikamente Inkontinenz verursachen k&ouml;nnen. Substanzen, die entweder das sympathische oder das parasympathische Nervensystem stimulierend oder auch hemmend beeinflussen, k&ouml;nnen durch ihre Wirkung auf den Blasenmuskel selbst oder auf die Verschlussmechanismen Blasenentleerungsst&ouml;rungen hervorrufen.<br /> Auch Opiate, Benzodiazepine, Neuroleptika, Hypnotika und antiepileptisch wirksame Substanzen haben durch ihre zentralen und peripheren Nebenwirkungen oft einen negativen Einfluss auf die Kontinenzsteuerung.<br /> Weiters m&uuml;ssen Medikamente beachtet werden, die in irgendeiner Weise auf den Fl&uuml;ssigkeitshaushalt des K&ouml;rpers einwirken. Diuretika k&ouml;nnen durch eine gesteigerte Harnanflutung Drangsymptome verst&auml;rken und Inkontinenzepisoden verursachen. Kalziumkanalblocker, die gerade bei &auml;lteren Patienten wegen ihres geringen Nebenwirkungsprofils oft in der Hypertoniebehandlung eingesetzt werden, k&ouml;nnen Wassereinlagerung und &Ouml;deme in den Beinen verursachen und dadurch zu einer verst&auml;rkten n&auml;chtlichen Harnanflutung und h&auml;ufigeren belastenden Nykturieepisoden f&uuml;hren. Dieser Mechanismus ist auch f&uuml;r andere Substanzen bekannt, die eine Fl&uuml;ssigkeitsretention im Gewebe verursachen k&ouml;nnen, wie etwa Gabapentin, Glitazone oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).<br /> Eher selten k&ouml;nnen Medikamente auch als Nebenwirkung einen chronischen Husten ausl&ouml;sen und dadurch Stressinkontinenzsymptome hervorrufen.</p> <h2>Vermeidung von Inkontinenz durch Multimedikation</h2> <p>Neben einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Patienten und behandelnden &Auml;rzten ist ein umfassendes Wissen &uuml;ber Kontinenzmechanismen und Inkontinenzentstehung einerseits und &uuml;ber Medikamentenwirkungen und -nebenwirkungen andererseits eine wichtige Voraussetzung, um Probleme durch Multimedikation zu vermeiden. Die regelm&auml;&szlig;ige Durchforstung langer Medikamentenlisten nach &bdquo;potenziell inkontinenzf&ouml;rdernden Pr&auml;paraten&ldquo; und die Reduktion auf unbedingt erforderliche Substanzen k&ouml;nnen oft eine bemerkenswerte Verbesserung von Harninkontinenzsymptomen auch beim &auml;lteren multimorbiden Patienten bewirken.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Talasz H: Harninkontinenz geriatrischer PatientInnen. Screening und Abkl&auml;rung. Z Gerontol Geriat 2014; 47: 57- 68 &bull; Brosch&uuml;re Harninkontinenz der &auml;lteren Frau der &Ouml;GGG (&Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Geriatrie und Gerontologie) und der MK&Ouml; (Medizinische Kontinenzgesellschaft &Ouml;sterreich), 2014 &bull; Journal f&uuml;r Urologie und Urogyn&auml;kologie Oktober 2019</p> </div> </p>
Back to top