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Einfluss der chirurgischen Sequenz auf Strikturrezidive nach Mundschleimhaut- Autotransplantation
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Luis A. Kluth
Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main<br> E-Mail: luis.kluth@kgu.de
Autor:
Dr. med. Malte W. Vetterlein
Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br> E-Mail: m.vetterlein@uke.de
Autor:
Dr. med. Valentin Zumstein
Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br> Klinik für Urologie, Kantonsspital St. Gallen<br> E-Mail: v.zumstein@uke.de
30
Min. Lesezeit
29.11.2018
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<p class="article-intro">Schätzungsweise 0,6 % aller Männer leiden in ihrem Leben an einer Harnröhrenstriktur.<sup>1</sup> Bei kurzstreckigen bulbären Engen wird nach ein- bis zweimaliger transurethraler Schlitzung die Exzision mit primärer Anastomose empfohlen, für die längerstreckigen Strikturen hat sich die Mundschleimhautplastik als Therapie der Wahl etabliert.<sup>2, 3</sup> Obwohl exzellente Langzeitresultate für diese Techniken vorliegen, gibt es dennoch eine nicht zu vernachlässigende Patientengruppe mit Strikturrezidiven nach bereits erfolgter offener Harnröhrenrekonstruktion.<sup>4–6</sup> Die Reoperation kann in diesen Fällen besonders schwierig sein. Da es bisher kaum Daten zum Einfluss der vorangegangenen Operationstechnik auf den Behandlungserfolg einer anschliessenden Mundschleimhautplastik gibt, wurde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine Studie zur Beantwortung dieser Fragestellung durchgeführt.<sup>7</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Resultate einer wiederholten Mundschleimhautplastik nach bereits durchgeführter Mundschleimhautplastik sind exzellent und vergleichbar mit denjenigen einer erstmaligen Operation.</li> <li>Patienten mit sekundären Mundschleimhautplastiken nach anderweitiger offener Voroperation haben ein deutlich höheres Risiko, ein Strikturrezidiv zu erleiden.</li> <li>Aktuell gibt es bis auf aufwendige mehrzeitige Operationsverfahren kaum gute Alternativen zur Mundschleimhautplastik.</li> </ul> </div> <h2>Methodik</h2> <p>In die Studie wurden insgesamt 534 Patienten, welche einer einzeitigen Mundschleimhautplastik aufgrund einer anterioren Harnröhrenstriktur unterzogen wurden, eingeschlossen. Die Patienten wurden dann gemäss der vorangegangenen Technik der Harnröhrenplastik in drei Gruppen stratifiziert: Patienten, die eine erstmalige Mundschleimhautplastik ohne vorherige Harnröhrenplastik erhalten haben, Patienten nach bereits vollzogener Mundschleimhautplastik und Patienten mit einer anderweitigen offenen vorherigen Operation an der Harnröhre (also keiner Mundschleimhautplastik).<br /> Die Patienten wurden alle gemäss dem Klinikstandard behandelt, d.h., bulbäre Strikturen von ≥1cm Länge wurden mittels ventraler Onlay-Technik versorgt, wohingegen bei penilen Engen mehrheitlich die dorsale Inlay-Technik angewendet wurde. Perioperativ hatten alle Patienten mit initialen Mundschleimhautplastiken eine Ableitung mit einem suprapubischen und transurethralen Dauerkatheter für 21 Tage erhalten, bei Reoperation wurde auf einen suprapubischen Katheter verzichtet. Nach 21 Tagen fand bei allen Patienten eine Miktionszystourethrografie statt, und wenn sich kein Anhalt für ein Extravasat oder eine funktionelle Obstruktion zeigte, wurde die Miktionsfreigabe erteilt.<br /> Das Follow-up der Patienten wurde dann regelmässig telefonisch oder per EMail anhand eines vordefinierten Fragebogens durchgeführt und die Resultate in der Datenbank des Instituts festgehalten. Als Strikturrezidiv wurde eine interventionsbedürftige Rezidivenge definiert. Nebst dem strikturfreien Überleben wurden verschiedene Patientencharakteristika (Alter, ASA-Status, Body-Mass-Index, Komorbiditäten) und chirurgische Parameter (Anzahl vorhergehender Urethrotomien, vorangegangene Harnröhrenplastiken, Erfahrung des Operateurs, Operationszeit, Länge des Transplantats) verglichen.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Von den 534 Männern, welche eine Mundschleimhautplastik erhielten, waren 436 Eingriffe (81,6 % ) ohne vorgegangene Harnröhrenplastik. Von den reoperierten Patienten hatten 64 (65,3 % ) eine vorgängige Mundschleimhautplastik, wohingegen 34 (34,7 % ) eine anderweitige offene Harnröhrenrekonstruktion in der Vorgeschichte aufwiesen.<br /> Hinsichtlich der Baseline- Charakteristika und der chirurgischen Parameter wie Operationszeit, Länge des Transplantats oder Strikturlokalisation zeigten sich keine Unterschiede in den drei Gruppen. Auch die Anzahl vorgegangener Urethrotomien oder die Erfahrung des jeweiligen Operateurs waren nicht signifikant verschieden. Die Gruppe der Patienten mit offenen Voroperationen ≠ Mundschleimhautplastik war sehr heterogen, u.a. mit Meshgraft- Urethroplastiken, Plastiken mit Vorhaut-Flaps oder Exzision mit primärer End-zu- End-Anastomose (Tab. 1).<br /> Bei einem medianen Follow-up von 33 Monaten zeigten sich Rezidivraten von knapp über 12 % für die erstmaligen wie auch für die wiederholten Mundschleimhautplastiken. Die Mundschleimhautplastiken nach initial anderweitiger offener Harnröhrenplastik schnitten jedoch signifikant schlechter ab, mit fast 30 % Rezidiven. In den statistischen Analysen (Kaplan-Meier und multivariaten Analyse) zeigte sich die chirurgische Sequenz, sprich eine anderweitige offene Voroperation, als unabhängiger Risikofaktor für ein Strikturrezidiv (Abb. 1).<br /> Eine mögliche Erklärung für das signifikant schlechtere Abschneiden letzterer Gruppe könnte ein durch eine anderweitige Voroperation beeinträchtigtes Corpus spongiosum mit vermehrt narbig-fibrotischem Umbau sein. Die veränderte Anatomie und die limitierte Durchblutung durch den alterierenden Zugang könnten weitere Gründe für die höheren Rezidivraten nach anderweitiger Voroperation sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1803_Weblinks_lo_uro_1803_s11_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="1168" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1803_Weblinks_lo_uro_1803_s12_tab1.jpg" alt="" width="1654" height="2308" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Falls nach einer primären Mundschleimhautplastik ein Rezidiv auftritt, weist die erneute Mundschleimhautplastik gleich gute Erfolgsraten wie die Erstoperation auf. Wurde hingegen die vorhergehende Harnröhrenplastik nicht mit Mundschleimhaut durchgeführt, ist mit deutlich höheren Rezidivraten zu rechnen (bis zu 30 % innerhalb von knapp 3 Jahren). Letztendlich gibt es aber, die mehrzeitigen Verfahren ausgenommen, kaum gute Alternativen zur Mundschleimhautplastik. Diese Informationen sind wichtig für die präoperative Aufklärung des Patienten. Ausserdem stellt sich die Frage, ob gerade Patienten mit hohem Rezidivrisiko (z.B. bei penilen Strikturen) bereits initial niederschwellig bevorzugt mit einer Mundschleimhautplastik behandelt werden sollten, um im Falle des Rezidivs die praktisch gleichen Ergebnisse durch eine wiederholte Mundschleimhautplastik erzielen zu können.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Santucci RA et al.: Male urethral stricture disease. J Urol 2007; 177(5): 1667-74. doi: 10.1016/j.juro.2007.01.041 <strong>2</strong> Wessells H et al.: Male Urethral Stricture: American Urological Association Guideline. J Urol 2017; 197(1): 182-90. doi: 10.1016/j.juro.2016.07.087 <strong>3</strong> Chapple C et al.: SIU/ ICUD Consultation on urethral strictures: the management of anterior urethral stricture disease using substitution urethroplasty. Urology 2014; 83(3 Suppl): 31-47. doi: 10.1016/j.urology.2013.09.012 <strong>4</strong> Barbagli G et al.: Longterm followup and deterioration rate of anterior substitution urethroplasty. J Urol 2014; 192(3): 808-13. doi: 10.1016/j.juro.2014.02.038 <strong>5</strong> Barbagli G et al.: Long-term followup of bulbar end-to-end anastomosis: a retrospective analysis of 153 patients in a single center experience. J Urol 2007; 178(6): 2470-3. doi: 10.1016/j.juro.2007.08.018 <strong>6</strong> Kluth LA et al.: Short-term outcome and morbidity of different contemporary urethroplasty techniques--a preliminary comparison. J Endourol 2013; 27(7): 925-9. doi: 10.1089/end.2013.0029 <strong>7</strong> Vetterlein MW et al.: The impact of surgical sequence on stricture recurrence after anterior one-stage buccal mucosal graft urethroplasty: comparative effectiveness of initial, repeat, and secondary procedures. J Urol 2018; Article in Press. doi: 10.1016/j. juro.2018.06.067</p>
</div>
</p>