Die Rolle der lokalen Therapie beim primär oligometastasierten Prostatakarzinom
Autoren:
Dr. Nathalie Garstka
DDr. Bernhard Grubmüller
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
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Eine medikamentöse Systemtherapie ist die Standardbehandlung des metastasierten Prostatakarzinoms (mPCa). Die Rolle der Lokaltherapie im Falle einer oligometastasierten Erkrankung ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien. Bislang existiert keine einheitliche Definition des Zustandsbildes einer Oligometastasierung. Ebenso ist das für die Detektion der Tumorherde einzusetzende bildgebende Verfahren nicht klar festgelegt.
Keypoints
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Die Meinung, dass eine lokale Therapie im oligometastasierten Stadium keinen Sinn macht, wird zunehmend aufgelockert.
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Die verbesserten Überlebensraten bei lymphogen metastasiertem Prostatakrebs durch lokale Therapie legen nahe, dass Patienten mit Fernmetastasen möglicherweise auch von einer lokalen Therapie profitieren könnten.
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Eine begrenzte Metastasenanzahl scheint ein valider prädiktiver Faktor für den Einsatz lokaler Therapien zu sein.
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Der Begriff Oligometastasierung ist nicht einheitlich definiert und schließt meist ≤5 Metastasen in 1–2 Organen mit maximal gleichzeitig 3 Metastasen in einem Organ ein.
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Level-1-Evidenz gibt es derzeit für die Prostatabestrahlung im oligometastasierten Setting, Ergebnisse randomisierter Studien zur radikalen Prostatektomie stehen aus.
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Es besteht Bedarf an hochwertigen Studien, welche die Wertigkeit der lokalen Therapie des oligometastasierten Prostatakarzinoms prospektiv, randomisiert untersuchen.
Die Hypothese einer Oligometastasierung wurde erstmals von Hellman und Weichselbaum 1995 präsentiert.1 Diese beruht auf der Beobachtung, dass viele solide Krebserkrankungen im Falle eines Fortschreitens Zwischenstadien mit einer limitierten Metastasierung ausbilden. Dies unterstützt die Überlegung einer lokalen Therapie in der oligometastasierten Krankheitsphase, da in dieser Phase potenziell noch eine Heilung möglich sein könnte. Ist von Oligometastasierung die Rede, wird in der Literatur eine Metastasenanzahl von ≤3–5 Filiae angegeben, die auf ≤2 Organsysteme begrenzt sind. Dabei ist die detektierte Metastasierungsrate von der jeweiligen radiologischen Methode abhängig. Durch die neuen Hybridbildgebungen (PET/CT oder PET/MRT) erhöht sich die Metastasen-Detektionsrate im Vergleich zur konventionellen Bildgebung, welche beim Staging des PCa Anwendung findet (CT/MRT/Skelettszintigrafie).
Gegenstimmen zur Theorie einer potenziell kurativen oligometastasierten Erkrankung gehen davon aus, dass es sich, sofern schon wenige Metastasen gesichtet wurden, stattdessen um eine mikrometastatische Situation handelt, die sich von der aktuellen Bildgebungstechnik lediglich nicht ausreichend darstellen lässt.
Die potenziellen Vorteile einer Behandlung von Oligometastasen sind ein längeres Überleben, die Verzögerung oder gar der Verzicht auf eine systemische Therapie sowie die Verhinderung von Tumorkomplikationen (Schmerzen, Querschnittssymptomatik usw.). Potenzielle Nachteile sind hingegen eine mögliche Übertherapie und die Verzögerung einer möglicherweise notwendigen systemischen Therapie. Auch die Meinung, dass eine lokale Metastasentherapie keinen Sinn macht, wird zunehmend aufgelockert.
Lokale Therapie bei regionalen Lymphknotenmetastasen
Während noch vor Jahren eine RPE abgebrochen wurde, wenn in der intraoperativen Schnellschnittuntersuchung positive Lymphknoten (LK) entdeckt wurden, ist aus heutiger Sicht bei einem pN+ Status von einem Überlebensvorteil auszugehen, wenn die Prostata entfernt wird.
Analog konnte das in einer Studie der Arbeitsgruppe um T. Steuber bestätigt werden. Das 5- und 10-Jahres-Überleben bei RPE/pN+ Patienten betrug 84% und 76% vs. keine RPE bei pN+ Status mit 81% und 46%, p=0,001.2
Ob PCa-Patienten, welche in der Staging-Bildgebung klinisch suspekte LK aufweisen, ebenfalls von einer RPE profitieren, untersuchte die Forschungsgruppe um Gandaglia.3 Hierbei wurde das progressionsfreie Überleben nach 8 Jahren von 162 PCa-Patienten untersucht, welche in der konventionellen Bildgebung einen LK-Metastasenverdacht zeigten. Bei 78% dieser Patienten konnte auch in der histologischen Aufarbeitung ein pathologischer LK-Status festgestellt werden, wovon sich bildgebend 80% auf das Becken beschränkten und 20% im Retroperitoneum zu finden waren. Nach 8 Jahren konnte eine Rate an progressionsfreiem Überleben von 60% gezeigt werden. Hierbei profitieren am meisten diejenigen mit ≤2 regionalen und ausschließlich pelvinen LK-Metastasen.
Lokale Therapie bei Fernmetastasen
Ob im Falle einer Fernmetastasierung (M+) die lokale chirurgische Therapie mittels RPE sinnvoll ist, wird derzeit in zahlreichen Studien evaluiert. In einem Review von der Arbeitsgruppe um Tilki mit 18 inkludierten Studien konnte ein Überlebensvorteil für M+ PCa-Patienten durch die lokale Therapie nachgewiesen werden.4 Dadurch, dass die verfügbaren Studien retrospektiv sind und diverse Selektionsbias aufweisen, ist eine direkte Übertragung in die klinische Behandlung allerdings nicht möglich. Dennoch zeichnete sich bereits in einigen dieser Studien ab, dass nicht alle Patienten von einer RPE profitieren.5, 6, 7 Insbesondere hatten diejenigen mit erhöhter Tumormasse keinen Benefit.
So zeigte eine Auswertung der National Cancer Data Base von der Arbeitsgruppe um Löppenberg, dass metastasierte PCa-Patienten dann nicht mehr von einer lokalen Therapie profitieren, wenn das 3-Jahres-Sterblichkeitsrisiko über 70% lag.6
Aktuell stehen die Ergebnisse prospektiver randomisierter Studien aus, welche die lokale chirurgische Therapie bei oligometastasierten PCa-Patienten hinsichtlich des onkologischen Outcomes untersuchen (NCT00268476, ISRCTN15704862, NCT02454543, NCT01751438).
Beispielhaft sei hier die Multicenterstudie „Impact of Radical Prostatectomy as Primary Treatment in Patients With Prostate Cancer With Limited Bone Metastases“ (g-RAMPP) erwähnt (NCT02454543), welche 2015 initiiert wurde und an der unsere Universitätsklinik für Urologie am AKH Wien ebenfalls beteiligt war. Ziel dieser Studie war die Evaluation einer RPE + extendierten Lymphadenektomie hinsichtlich des krebsspezifischen 5-Jahres-Überlebens, der Zeit bis zu einem kastrationsresistenten Stadium, der Zeit bis zu einer Progression sowie der Lebensqualität. Inkludiert wurden Patienten, welche nach der D’Amico-Klassifikation ein neu diagnostiziertes intermediäres oder Hochrisiko-PCa aufwiesen und in der Bildgebung (Skelettszintigrafie, CT, MRT oder PET) 1 bis maximal 5 ossäre Metastasen aufwiesen. Leider wurde die Studie aber aufgrund von schlechter Rekrutierung vorzeitig geschlossen, sodass hier nach Erreichen des Follow-ups mit den Ergebnissen nur eine geringe Aussagekraft gewonnen wird.
Mit der randomisierten Phase-III-Studie STAMPEDE konnte mit Level-1-Evidenz gezeigt werden, dass eine Bestrahlung (RTx) des Primärtumors das Überleben von ausgewählten Patienten mit neu diagnostiziertem, metastasiertem Prostatakarzinom verbessern kann.7 Zwischen 2013 und 2016 erhielten 1029 PCa-Patienten eine Hormontherapie, 18% erhielten nach Dezember 2015 primär ebenfalls eine Therapie mit Docetaxel. Die zweite Gruppe von 1032 Patienten erhielt neben der systemischen Therapie zusätzlich eine RTx des Primärtumors. Im Median waren die Patienten 68 Jahre alt, der mediane PSA-Wert betrug 97ng/ml. Bei 40% lag eine geringe Metastasenlast mit <4 ossären Filiae des Achsenskeletts oder des knöchernen Beckens vor, definiert nach den Kriterien der CHAARTED-Studie.8 Wiederum 54% hatten eine hohe Metastasenlast, bei 6% war der Status unbekannt. Ohne Berücksichtigung der jeweiligen Metastasenanzahl konnte für die Kohorte des RTx-Arms im Vergleich zur Kontrollgruppe kein verbessertes Gesamtüberleben festgestellt werden (HR: 0,92; 95% CI: 0,80–1,06; p=0,266). Ein signifikanter Überlebensvorteil ergab sich allerdings für oligometastasierte RTx-Patienten, sprich Patienten mit geringer Tumorlast (HR: 0,68; 95% CI: 0,52–0,90; p=0,007). Das 3-Jahres-Überleben lag in der Kontrollgruppe bei 73%, und bei 81% nach zusätzlicher Strahlentherapie. Im Falle einer hohen Metastasenlast hatte die RTx keinen zusätzlichen Nutzen (HR: 1,07; 95% CI: 0,90–1,28; p=0,420). Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen der HORRAD-Studie.9
Im Zuge der Erkenntnis eines Überlebensvorteils durch die medikamentöse Kombinationstherapie bestehend aus Abirateron und Hormontherapie bei oligometastasierten PCa-Patienten muss noch gezeigt werden, ob die Strahlentherapie auch dieser wirksamen systemischen Therapie gegenüber überlegen ist.10 Untersucht wird dies derzeit in der 4-armigen Phase-III-Studie PEACE-1 (NCT01957436), welche folgende Therapien miteinander vergleicht:
ADT + Docetaxel
ADT + Docetaxel + Abirateron
ADT + Docetaxel + Strahlentherapie
ADT + Docetaxel + Abirateron + Strahlentherapie
Welchen Stellenwert die RPE im direkten Vergleich mit einer RTx bei oligofernmetastasierten PCa-Patienten hat, ist noch offen und sollte prospektiv klinisch untersucht werden. Anhand retrospektiver Daten von der Arbeitsgruppe um Knipper ergeben sich vielversprechende Ergebnisse.11 Dabei wurde das onkologische Outcome von 78 oligometastasierten PCa-Patienten (<4 Knochenmetastasen, medianes Alter 64 Jahre, medianer PSA 35ng/ml) analysiert, welche zwischen 2008 und 2018 eine RPE erhielten. Hierbei handelte es sich vom Krankheitsprofil her um Patienten, die dem STAMPEDE-Arm H entsprachen. Nach 3 Jahren lag das Gesamtüberleben bei 91%, metastasenfrei waren 63% und das krebsspezifische Überleben betrug 92%. In der RTx-Kohorte des STAMPEDE-H-Arms lagen die Werte jeweils bei 81%, 67% und 86%.
Ausblick
Die zukünftigen Untersuchungen müssen den Stellenwert der unterschiedlichen Lokaltherapien beim oligometastasierten PCa evaluieren. In Zukunft werden eine individuelle Krankheitsstratifizierung und eine entsprechende Therapieplanung an Bedeutung gewinnen.
Literatur:
1 Hellman S et al.: Oligometastases. J Clin Oncol 1995; 13(1): 8-10 2 Steuber T et al.: Radical prostatectomy improves progression-free and cancer-specific survival in men with lymph node positive prostate cancer in the prostate-specific antigen era: a confirmatory study. BJU Int 2011; 107(11): 1755-61 3 Gandaglia G et al.: Which patients with clinically node-positive prostate cancer should be considered for radical prostatectomy as part of multimodal treatment? The impact of nodal burden on long-term outcomes. Eur Urol 2019; 75(5): 817-25 4 Tilki D et al.: Local treatment for metastatic prostate cancer: a systematic review. Int J Urol 2018; 25(5): 390-403 5 Fossati N et al.: Identifying the optimal candidate for salvage lymph node dissection for nodal recurrence of prostate cancer: results from a large, multi-institutional analysis. Eur Urol 2019; 75(1): 176-83 6 Löppenberg B et al.: The impact of local treatment on overall survival in patients with metastatic prostate cancer on diagnosis: a national cancer data base analysis. Eur Urol 2017; 72(1): 14-9 7 Parker CC et al.: Radiotherapy to the primary tumour for newly diagnosed, metastatic prostate cancer (STAMPEDE): a randomised controlled phase 3 trial. Lancet 2018; 392(10162): 2353-66 8 Kyriakopoulos CE et al.: Chemohormonal therapy in metastatic hormone-sensitive prostate cancer: long-term survival analysis of the randomized phase III E3805 CHAARTED trial. J Clin Oncol 2018; 36(11): 1080-7 9 Boevé LMS et al.: Effect on survival of androgen deprivation therapy alone compared to androgen deprivation therapy combined with concurrent radiation therapy to the prostate in patients with primary bone metastatic prostate cancer in a prospective randomised clinical trial: data from the HORRAD trial. Eur Urol 2019; 75(3): 410-8 10 Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone in metastatic, castration-sensitive prostate cancer. N Engl J Med 2017; 377(4): 352-60 11 Knipper S et al.: Outcome of patients with newly diagnosed prostate cancer with low metastatic burden treated with radical prostatectomy: a comparison to STAMPEDE arm H. World J Urol 2020; 38(6): 1459-64
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