
Das Alpenländische Symposium aus der Sicht des Veranstalters
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Stephan Madersbacher, FEBU
Abteilung für Urologie und Andrologie
Klinik Favoriten, Wien
Nach einer einjährigen Corona-bedingten Pause fand das 54. Alpenländische Symposium vom 29.3. bis 1.4.2023 mit spannenden wissenschaftlichen Vorträgen in entspannter Atmosphäre, die zu regem Austausch animierte, am Zauchensee statt.
Als ich mich entschloss, dieses traditionsreiche Symposium zu organisieren, war für mich klar, dass dies zu „meinen“ Bedingungen erfolgt: d.h. schönes Hotel in einem Ambiente, welches in der vortragsfreien Zeit Wellness oder Schifahren ermöglicht, mit einem Fest- und Hüttenabend. Wir hatten das gesamte, neue Hotel FIRST peak für uns exklusiv, was den kollegialen Austausch erleichterte und ein familiäres Flair ermöglichte. Durch die Industrieausstellung und den Verzicht auf die Unterstützung einer Kongressorganisationsfirma konnte von einer Teilnahmegebühr abgesehen werden. Alle Teilnehmer, auch die Referenten und Vorsitzenden, bezahlten die Übernachtungen selbst. Es nahmen insgesamt 70 Urologinnen und Urologen aus 4 Ländern (D-A-CH und Italien) teil, wobei die bei Weitem meisten Teilnehmer Österreich und – mit deutlichem Abstand – die Schweiz stellten. 15 Sponsoren unterstützten die Veranstaltung.
Geriatrie, neoadjuvante Therapiekonzepte, Zukunft der Urologie
In 9 Themenblöcken wurden aktuelle Aspekte unseres Faches beleuchtet. Der erste Block beschäftigte sich mit DER Fragestellung in den nächsten Dekaden, nämlich geriatrischen Aspekten. Prof. Köller (Vorstand der Abteilung für Geriatrie, Klinik Favoriten) unterstrich in seinem Vortrag die Notwendigkeit eines geriatrischen Assessments vor allem vor größeren urologischen Eingriffen bei betagten Patienten und stellte verschiedene Fragebögen wie den CSHA- oder den G8-Fragebogen vor.
Im Folgenden wurden das Harnblasenkarzinom (Prof. Pycha), der Nierentumor (Doz. Riedl) und die Urolithiasis in diesem Kontext aufgearbeitet. Doz. Seklehner stellte zwei hochrangig publizierte Arbeiten zur Steintherapie bei über 80-Jährigen vor, welche vom AK für Endourologie durchgeführt wurden. Zum Schluss präsentierte Dr. Banner einige Gedanken zum schwierigen Thema „end of life“ und stellte Daten aus Österreich zu diesem Thema vor.
Der zweite Themenblock erarbeitete die (neo)adjuvanten Therapiekonzeptebeim Prostatakarzinom (Dr. Loidl), Urothelkarzinom (OA Gust) und Nierenzellkarzinom (Dr. Gaisl). Die drei Präsentationen zeigten die enorme Dynamik auf diesem Gebiet. Dieses Konzept ist beim Harnblasenkarzinom bereits Standard und wird sich möglicherweise auch in den anderen beiden Entitäten durchsetzen.
Der erste Tag wurde durch eine über 2-stündige D(Dr. Oberneder)-A(Prof. Krause)-CH(Prof. Schmid)-Diskussion zum Thema Urologie 2023 mit italienischer Beteiligung (Prof. Pycha) abgeschlossen. Die Diskussion wurde launig von Prof. Krause geleitet, u.a. wurden folgende Themen unter reger Beteiligung der Teilnehmer diskutiert: Gibt es genug Nachwuchs? Wie gelingt eine gute Ausbildung? Wie steht es mit der Work-Life-Balance? Wie sieht es mit der Wissenschaft aus? Der erste Tag klang bei einem gemütlichen Hüttenabend aus.
BPH/LUTS, Klinik gehackt – was tun?,urologischer Nachwuchs
Der zweite Tag wurde mit einer Sitzung zu BPH/LUTS eröffnet. Dr. Müllhaupt präsentierte eine sehr gute Übersicht über die verschiedenen minimal-invasiven Therapieoptionen sowie den Therapiealgorithmus der neuen S2e-Leitlinie der deutschen Urologen. Dr. Abenhardt stellte die provokante Frage, ob die offene Prostatektomie mittlerweile eine historische Operation ist. Zum Abschluss stellte Dr. Eredics Behandlungsoptionen (Wasserdampfablation/Prostataembolisation) für Patienten mit Dauerharnableitung vor, welche für einen Eingriff in Allgemeinnarkose nicht geeignet sind.
In einer „special lecture“ berichtete Dr. Oberneder über den Hackerangriffauf seine urologische Klinik Planegg. Er demonstrierte minutiös den Ablauf dieser elektronischen Attacke, den kompletten Ausfall der EDV, die verschiedenen Gegenmaßnahmen, die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Bezahlung des Erpressungsgeldes in Bitcoins. Er stellte verschiedenste Maßnahmen vor, um sich vor solchen Angriffen zu schützen, meinte aber, es sei nicht die Frage, ob man gehackt wird, sondern nur wann.
Die zweite Sitzung, organisiert vom AK Assistenzärzt*innen (Dr. Oswald), widmete sichdem urologischen Nachwuchs. In zwei Präsentationen wurde die Ausbildungsqualität in Österreich (Dr. Zeder) und der Schweiz (Dr. Röthlin) diskutiert. Wesentliche Unterschiede in den beiden Ausbildungsmodellen sind die Verpflichtung zur wissenschaftlichen Tätigkeit in der Schweiz sowie das Voroperieren im Zuge der Facharztprüfung. Darüber hinaus besteht in der Schweiz nahezu eine Verpflichtung zur Ausbildungsrotation. Dr. Oswald stellte das Nebenwirkungsmanagement der Instillationstherapie beim NMIBC vor und der Student Stefan Plas seine Masterarbeit zur operativen Samenzellgewinnung bei Azoospermie.
Rekonstruktive Urologie, Robotics
Die erste Sitzung am Nachmittag beschäftigte sich mit 4 Aspekten der rekonstruktiven Urologie und Endourologie. Die ersten beiden Präsentationen stellten Behandlungsoptionen bei Rezidivanastomosen nach RPE (OA Mock) und TURP (Prof. Ahyai) vor. Beide zeigten verschiedene, zum Teil anspruchsvolle rekonstruktive Techniken zur Behebung dieser Entitäten. PD Baumeister berichtete über die Technik von ECIRS zur Behandlung komplexer Nierensteine und Dr. Klumpen über die geschlechtsangleichende Operation (Mann zu Frau).
Den wissenschaftlichen Abschluss des zweiten Tages bildete der Vortragsblock Robotics – is only the sky the limit?und inkludierte die robotische radikale Prostatektomie (Prof. Mattei) und die Nierentumorchirurgie (Prim. Ponholzer). In seinem Vortrag „Is only the sky the limit?“ präsentierte Prim. Hruby die rezenten Entwicklungen auf den Gebieten Robotics und AI, welche unsere Arbeit in den nächsten Dekaden verändern werden.
Transitionsmedizin, uroonkologische Kontroversen
Der Samstag startete mit einem Block zum Thema „Kinderurologie – Transitionsmedizin“, der vom AK für Kinderurologie organisiert und von Dr. Rein geleitet wurde. Ich stellte eine rezente Studie zum Wissensstand Jugendlicher zum Thema Hodenkrebsvorsorge vor. In den folgenden zwei Vorträgen wurde die Rolle der Transitionsmedizin in der Niederlassung (Dr. Rein) und im Zentrum (Dr. Steinkellner) beleuchtet. Abgerundet wurde die Sitzung durch eine rege Podiumsdiskussion zum Thema Transitionsmedizin. Der AK für Kinderurologie wird diesbezüglich ein Konzept erarbeiten und dem ÖGU-Vorstand vorlegen, wobei es primär um die Versorgung von Kindern/Erwachsenen mit komplexen, angeborenen Missbildungen mit urologischer Beteiligung geht.
Den wissenschaftlichen Abschluss des 54. Alpenländischen Symposiums bildete eine Sitzung zu 5 aktuellen uroonkologischen Kontroversen: radikale Prostatektomie ohne Histologie (Prim. Plas), aktive Überwachung bei ISUP 2 (Dr. Seidl), Zukunft der radikalen Zystektomie in Zeiten der neoadjuvanten Chemo/Immuntherapie (Dr. Pichler), Management von BCG-Versagern, die radikale Zystektomie (Dr. Gaisl) und die Rolle der dynamischen Sentinel-Node-Biopsie beim Peniskarzinom (OA Henning).
Aus meiner Sicht war es eine gelungene Veranstaltung mit einer breiten Themenpalette, Podiumsdiskussionen und sehr guten Präsentationen. Die Tatsache, dass wir das Hotel für uns exklusiv hatten, erleichterte den kollegialen Austausch und unterstrich das familiäre Flair des 54. Alpenländischen Symposiums. Damit dieses Symposium langfristig eine gute Zukunft hat, muss es gelingen, den urologischen Nachwuchs und den niedergelassenen Bereich noch stärker zu inkludieren.