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Amenorrhö und Co.

Zyklusstörungen bei Leistungssportlerinnen

Während die Menstruation bis vor wenigen Jahren im Sport ein absolutes Tabuthema war, sind es nun Ansätze für zyklusbasiertes Training oder Vorzeigesportlerinnen wie etwa die Skirennfahrerin Mikalea Shiffrin, die ein öffentliches Sprechen über den weiblichen Zyklus anstoßen und so die damit verbundenen Herausforderungen für weibliche Athletinnen sichtbar machen. Gänzlich unsichtbar bleiben dagegen viele Leistungssportlerinnen, deren Blutung teils gänzlich ausbleibt oder gar nicht eingetreten ist. Unter dem Hashtag Perioden Recovery Challenge teilen etwa die Zwillingsschwestern Anabel und Maria Glocker auf Social Media ihren Weg als Leistungssportlerinnen zurück zur regelmäßigen Menstruation und sprechen öffentlich über das Thema Amenorrhö.

Eine regelmäßige Menstruation stellt einen Indikator für ein gesundes Zusammenspiel der körpereigenen Hormone dar. Kommt es zu einer Störung dieses Systems, sollte dies nicht außer Acht gelassen werden und mögliche Ursachen sollten abgeklärt werden. Ein physiologischer Zyklus dauert zwischen 24 und 35 Tagen. Neben der Blutungsstärke und -dauer kann auch die Zykluslänge variieren. Dauert ein Zyklus regelmäßig länger als 35 Tage (bis maximal 90 Tage), spricht man von einer Oligomenorrhö. Bleibt die Menstruationsblutung komplett aus, unterscheidet man zwischen primärer und sekundärer Amenorrhö. Bei der primären Amenorrhö bleibt die Menarche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr aus. Sind die Abstände zwischen zwei Blutungen länger als drei Monate (bei initial regelmäßigen Zyklen) bzw. länger als sechs Monate (bei zuvor unregelmäßigen Zyklen), spricht man von einer sekundären Amenorrhö. Die Ursachen dafür können vielfältig sein und bedürfen einer Abklärung.

Junge Leistungssportlerinnen sind statistisch gesehen häufiger von Zyklusstörungen betroffen. Verschiedene Faktoren wie Sportart, Intensität, Umfang und Dauer des Trainings können einen Einfluss haben. Ein niedriges Körpergewicht und Stress stellen zusätzliche Risikofaktoren dar. Eine Übersichtsarbeit mit Analyse von 48 Studien bezüglich Zyklusstörungen bei weiblichen Athletinnen zeigte in den gepoolten Daten eine Prävalenz einer primären Amenorrhö bei 33%, einer sekundären Amenorrhö bei 73% bzw. einer Oligomenorrhö bei 69%. Deutliche Unterschiede gab es auch innerhalb der verschiedenen Disziplinen. Bei der primären Amenorrhö zeigten unter anderem rhythmische Sportgymnastik (25%), Fußball (20%) und Schwimmen (19%) die höchsten Prävalenzen. Bei der sekundären Amenorrhö führte der Radsport (56%) vor Triathlon (40%) und rhythmischer Sportgymnastik (31%). Verglichen dazu wird bei der Normalbevölkerung die Prävalenz der sekundären Amenorrhö mit ca. 5–12% beschrieben. Vor allem bei Sportarten, in denen bereits in sehr jungen Jahren um Weltmeistertitel oder Olympiasiege gekämpft wird, kann es zu einem Ausbleiben der Menarche kommen. Häufig betroffen von Zyklusstörungen sind auch Ausdauersportlerinnen. Auch ästhetische Aspekte sowie definierte Gewichtsklassen beeinflussen ein niedriges Körperzielgewicht bei gleichzeitig hohem Trainingsumfang. Eine Metaanalyse zeigte in diesem Zusammenhang auch erhöhte Raten von Essstörungen bei Leistungssportlerinnen im Vergleich zu Gleichaltrigen.

Hypothalamisch-hypophysäre Ovarialinsuffizienz

Durch exzessiven Leistungssport kann es im Hypothalamus zu einer Störung der pulsatilen GnRH-Ausschüttung und dadurch zu einer Störung der hypophysären Sekretion von FSH und LH kommen. In weiterer Folge kommt es zu keiner zyklischen Follikelreifung und die Menstruationsblutung bleibt aus. In der Hormonbasisdiagnostik sind sowohl FSH und LH als auch Östradiol erniedrigt und man spricht von einem hypogonatropen Hypogonadismus oder einer WHO-I-Zyklusstörung. Folge eines anhaltenden Östrogenmangel ist unter anderem ein erhöhtes Osteoporoserisiko. Unter dem Begriff „female athlete triad“ (FAT) wurde 1992erstmalig der klinische Zusammenhang zwischen Energieverfügbarkeit, Menstruationszyklus und Knochengesundheit bei Leistungssportlerinnen zusammengefasst. Im 2023 neu überarbeiteten Konsensuspapier des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wird dieser vom Begriff des relativen Energiemangels im Sport („relative energy deficiency in sports“, kurz REDs) abgelöst. Unter diesem Begriff abgebildet werden Athletinnen mit optimaler Energieverfügbarkeit, regelmäßigen Zyklen und unauffälliger Knochendichte bis hin zur Sportlerinnen mit erniedrigter Energieverfügbarkeit („low energy availability“; LEA) mit konsekutiver Amenorrhö und Osteoporose.

Durch das Ungleichgweicht an Energieaufnahme und Energieverbrauch bei exzessiver sportlicher Betätigung kommt es zu einem Energiedefizit. Dies in Kombination mit Stress durch Leistungsdruck und restriktivem Essverhalten kann über Neurotransmitter (u.A. erniedrigtes Insulin und Leptin, erhöhtes Cortisol, „growth hormone“ und Ghrelin) zu einer veränderten GnRH-Pulsatilität in Frequenz und Höhe mit konsekutiv erniedrigter LH- und FSH-Ausschüttung kommen. Dieser Effekt ist beschrieben als dosisabhängig, mit abnehmender LH-Pulsatilität, je größer das Energiedefizit ist, jedoch nicht abhängig von der Trainingsintensität per se. Weiters stellt Fettgewebe einen Ort der Östrogenproduktion dar. Durch diese Mechanismen können sich Anovulationen und eine Lutealphaseninsuffizenz mit Oligo- oder Amenorrhö als Folge entwickeln. Es besteht somit eine funktionelle hypothalamische Amenorrhö.

Durch einen chronischen Östrogenmangel kommt es im weiteren Verlauf zu einer Verringerung der Knochendichte mit den möglichen Spätfolgen einer Osteoporose. Östrogen wirkt etwa hemmend auf die Osteoklasten durch eine Aktivierung der Apoptose oder indirekt durch eine Hemmung der Osteoklastenreifung sowie durch Förderung der Kalziumresorption und Einbau in den Knochen. Im Gegenzug dazu wirkt Östrogen auf die Apoptose von Osteoblasten stabil und hält somit deren Anzahl aufrecht. Die höchste metabolische Aktivität findet in der Spongiosa statt, sodass eine Erniedrigung der Knochendichte insbesondere in den Wirbelkörpern beginnt. Durch eine verminderte Knochendichte ist bei hoher Belastung die Gefahr von Stressfrakturen bei Leistungssportlerinnen erhöht. In einer Untersuchung unter 390 Athletinnen bezüglich des Auftretens einer Stressfraktur trat bei 36 Teilnehmerinnen innerhalb der ersten drei Monate nach Studieneinschluss eine Stressfraktur auf. Bei jungen Frauen mit einer sekundären Amenorrhö war das Risiko 12,9-mal höher. Ein geringes Körpergewicht hingegen erhöhte das Risiko nur um das 1,1-Fache. Die „peak bone mass“ also die maximale Knochendichte, wird mit ca. 30 Jahren erreicht. Kommt es bis zu diesem Alter zu einem Defizit, hat dies einen Einfluss auf die Knochenqualität der Frauen im Alter. Bei chronischer Amenorrhö zeigte sich ein irreversibler Verlust der Knochendichte. Neben der Knochengesundheit hat Östrogen auch eine protektive Wirkung auf das kardiovaskuläre System. Weiters können bei chronisch erniedrigten Östrogenwerten Symptome wie eine vaginale Atrophie oder sexuelle Inappetenz auftreten.

Besteht bereits vor Eintreten der Menarche ein hypogonadotroper Hypogonadismus, kann es neben der primären Amenorrhö auch zu einer verspäteten oder ausbleibenden Entwicklung von sekundären Geschlechtsmerkmalen kommen. Haben Athletinnen auch nach dem Karriereende weiterhin eine Anovulation, kann dies eine Ursache für Infertilität bei unerfülltem Kinderwunsch sein. Leistungs- und Kaderathletinnen werden zwar sportmedizinisch meist durch ein betreuendes Team versorgt, bei Zyklusstörungen sollte diese Patientinnengruppe jedoch einer fachärztlich-gynäkologischen Abklärung zugeführt werden. Eine Anamnese mit Einbezug des Sportaspekts ist notwendig, da auch normalgewichtige Frauen und Mädchen mit leistungssportlichem Hintergrund davon betroffen sein können. Auch im Rahmen der gynäkologischen Routinekontrollen sollten bei Leistungssportlerinnen Zyklusstörungen durch die betreuende Gynäkologin/den betreuenden Gynäkologen identifiziert und weiter abgeklärt werden.

Diagnostik bei (sekundärer) Amenorrhö nach Ausschluss einer Schwangerschaft

  • Allgemeine Anamnese (mit Fokus auf Zyklus, Sportumfang und -intensität, Essverhalten, Gewicht aktuell und im Verlauf, Stress, psychische Belastung, Leistungsdruck)

  • Hormonstatus (FSH, LH, Östradiol, Progesteron, Testosteron, ADION, DHEA-S, SHBG, TSH, fT3, fT4, Prolaktin, 17-OHP, Cortisol, AMH

  • Transvaginalsonografie (wenn möglich)

  • Knochendichtemessung bei Amenorrhö länger als sechs Monate oder Untergewicht

  • Vitamin D

Zur leichteren Evaluierung des Risikos gibt es das REDs Clinical Assessment Tool (REDs CAT), welches durch das Internationale Olympische Komitee zur Verfügung gestellt wird. Über die Ausprägung der Symptome ist so eine Risikoeinschätzung in drei Stufen (grün, gelb und rot) möglich, die bei hohem Gesundheitsrisiko bis zu einem Aussetzen der Sportfreigabe führen kann. Der Severity/Risk Stratification Calculator steht kostenlos zum Download zur Verfügung und ermöglicht mit der Beantwortung von elf Fragen mit Ja/Nein eine Risikoeinschätzung.

Therapie/präventive Maßnahmen

Sofern andere Ursachen der Amenorrhö ausgeschlossen wurden und die Diagnose einer hypothalamisch-hypophysären Amenorrhö gestellt wird, ist – auch bei normalgewichtigen Leistungssportlerinnen – das Ziel, das Kaloriendefizit durch Reduktion des Trainingsumfangs und eine erhöhte Kalorienzufuhr auszugleichen. Einen genauen Wert vorherzusagen, bei dem es zu einem Wiedereinsetzen der Menstruation kommt, stellt sich als schwierig dar. Aufgrund sportlicher Anforderungen (Gewichtsklassen, Ästhetik etc.) sind diese Maßnahmen häufig nur schwer umsetzbar oder mit dem Leistungsanspruch nicht vereinbar und somit von Athletinnen auch nicht direkt gewünscht. Für eine effektive Behandlung ist ein multidisziplinäres Team aus Trainer:innen, Sportmediziner:innen, Ernährungsberater:innen, Psycholog:innen inklusive Einbindung des familiären Umfeldes notwendig. In Bezug auf den Hormonhaushalt kann bei anhaltender Amenorrhö und erniedrigten Östrogenwerten Östradiol (E2) substituiert werden, was in der Regel mit einer zyklischen Gestagengabe kombiniert werden sollte. Alternativ kann insbesondere bei sicherem Kontrazeptionsbedarf ein kombiniertes orales Kontrazeptivum zur Verhinderung eines weiteren Abbaus der Knochendichte angewendet werden. Allerdings ist Östradiol zur Prävention einer Osteoporose gegenüber dem synthetischen Ethinylestradiol zu bevorzugen, da E2 die Herabregulierung von IGF1 verhindert und somit direkt zur Erhöhung der Knochendichte beiträgt. Weiters ist auf eine ausreichende Vitamin-D- und Kalzium-Supplementation zu achten.

Fazit für die Praxis

  • Erhöhte Awareness für die „female athlete triad“ ist notwendig – bei Leistungssportlerinnen (auch normalgewichtigen) an Zyklusstörungen denken.

  • Andere Ursachen müssen vor Diagnosestellung einer hypothalamisch-hypophysären Amenorrhö ausgeschlossen werden

  • Additive gynäkologische Betreuung zur multidisziplinären sportmedizinischen Betreuung ist nötig.

  • Eine länger anhaltende Amenorrhö kann zu einer Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels führen. Eine verminderte Knochendichte stellt einen Risikofaktor für Stressfrakturen bei Leistungssportlerinnen dar und kann zu einem irreversiblen Verlust der Knochendichte führen.

  • Therapie der Wahl sind eine Erhöhung der Kalorienzufuhr sowie die Reduktion des Sportumfangs und eine psychologische Betreuung.

  • Bei anhaltender Amenorrhö sind kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) bei Kontrazeptionsbedarf oder eine Substitution mit E2 (transdermal) + zyklischem Progesteron empfohlen.

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