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Unter der Bettdecke und auf der Couch

<p class="article-intro">Sexualität und Depression – zwei Themen, die von Rheumatologen im Patientengespräch oft vermieden werden. Bei der Jahrestagung der ÖGR 2018 wurde in einer Session angesprochen, was in der Praxis oft unausgesprochen bleibt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Obwohl allgemein bekannt sein d&uuml;rfte, dass Sexualit&auml;t untrennbar mit Lebensqualit&auml;t, Wohlbefinden und Gesundheit verbunden ist, l&auml;sst der professionelle Umgang mit diesem Thema im Arzt-Patienten- Gespr&auml;ch noch viel zu w&uuml;nschen &uuml;brig, wie Dr. Judith Sautner, LK Stockerau, ausf&uuml;hrte. Rheumatologen sind dabei keine Ausnahme: Eine Umfrage unter Health Professionals aus Oslo zeigte zum Beispiel, dass zwar fast alle Befragten zustimmten, dass Sexualit&auml;t ein wichtiges Thema in der Betreuung von Rheumapatienten sei; dennoch gaben 71 % zu, das Thema nie oder nur ganz selten anzusprechen.<sup>1</sup> Unter den genannten Gr&uuml;nden waren Zeitmangel, Peinlichkeit der Situation und gegens&auml;tzliches Geschlecht zwischen Arzt und Patient. Health Professionals mit einer einschl&auml;gigen Ausbildung f&uuml;hlen sich entsprechend sicherer beim Ansprechen dieses Themas.<br /> Ein Bedarf an Beratung besteht durchaus, wie eine neue &ouml;sterreichische Studie zeigt: Eine gro&szlig; angelegte Patientinnenbefragung an mehreren &ouml;sterreichischen Zentren ergab, dass RA-Patientinnen gegen&uuml;ber gesunden Kontrollpersonen signifikant schlechtere Scores im CSFQ (&bdquo;Changes in Sexual Functioning Questionnaire&ldquo;) und auch signifikant h&auml;ufiger pathologische CSFQ-Scores aufweisen.<sup>2</sup> &bdquo;Die Ergebnisse waren f&uuml;r alle abgefragten Komponenten hoch signifikant&ldquo;, so Sautner. Ein besonders h&auml;ufiges Problem war Scheidentrockenheit.<br /> Von allen erhobenen Risikofaktoren war die RA am st&auml;rksten mit einer sexuellen Dysfunktion assoziiert. Weitere Risikofaktoren waren h&ouml;heres Alter und geringer Ausbildungsstatus. Der Unterschied zwischen RA-Patientinnen und gesunden Kontrollpersonen war in jeder Altersgruppe signifikant. Die Auswertung zeigte weiters einen Zusammenhang zwischen sexueller Dysfunktion und erh&ouml;hten Depressions-Scores. Der Grad der Behinderung, die Krankheitsaktivit&auml;t und die Medikation hatten in dieser Studie keine signifikante Auswirkung auf die sexuelle Funktion.</p> <h2>Was kann der Rheumatologe zur sexuellen Gesundheit beitragen?</h2> <p>&bdquo;Wir sind zwar keine Sexualtherapeuten, aber wir sind m&ouml;gliche wichtige Ansprechpartner&ldquo;, sagt Sautner. &bdquo;Wir k&ouml;nnen Hilfestellung geben und Kontakte zu Sexual- und Psychotherapeuten herstellen.&ldquo; Wichtig sei jedenfalls eine vermehrte Kommunikation in patientenad&auml;quater Sprache. Ein diesbez&uuml;gliches Kommunikationstraining f&uuml;r medizinisches Personal w&auml;re w&uuml;nschenswert.<br /> Generell kann Bewegung empfohlen werden: &Uuml;ber Schmerzreduktion und verbesserte Beweglichkeit hat etwa Physiotherapie einen positiven Effekt auf die Sexualit&auml;t von RA-Patientinnen gezeigt. Regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t reduziert Fatigue und f&ouml;rdert die Erregbarkeit. Ein Beckenbodentraining, z.B. nach Kegel, bringt zus&auml;tzlich eine Orgasmusverbesserung. Auch bei M&auml;nnern verbessert regelm&auml;&szlig;iges Training die sexuelle Performance und reduziert die Rate an erektiler Dysfunktion.<br /> &bdquo;Einige konkrete Tipps k&ouml;nnen wir auch ohne spezielle Ausbildung geben&ldquo;, meint Sautner. So ist etwa eine warme Dusche vor dem Geschlechtsverkehr g&uuml;nstig, um die Muskeln zu lockern. Im Bedarfsfall k&ouml;nnen Analgetika eingesetzt werden. F&uuml;r schmerzende Gelenke k&ouml;nne man Coolpacks empfehlen, bei Sicca-Problemen lokale Gels. Beim Geschlechtsakt selbst kann die Wahl der richtigen Position, abgestimmt auf die Grundkrankheit und die betroffenen Gelenke, entscheidend sein. Patienten mit akuten Entz&uuml;ndungen sollten eine passive Position einnehmen.</p> <h2>Stressoren f&uuml;r RA</h2> <p>In den 1980er-Jahren belegten mehrere Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen belastenden Lebensereignissen oder Stressoren und dem Ausbruch von Krankheiten. Die &bdquo;Stresshypothese&ldquo; wurde 1992 von K&ouml;hler auf die rheumatoide Arthritis angewandt: Stress k&ouml;nne demnach die Ausbildung oder den Verlauf einer RA beeinflussen. Dr. Rudolf Puchner, Wels, pr&auml;sentierte dazu Studien, welche diesen Zusammenhang untersucht haben. Zusammengefasst sprechen die Ergebnisse daf&uuml;r, dass leichter bis moderater chronischer Stress die Entz&uuml;ndung und damit die RA-Krankheitsaktivit&auml;t steigern kann. Cutolo et al. berichten, dass zu Beginn der Erkrankung Stress auch mit einer rascheren radiologischen Progression korrelieren kann.<sup>3</sup> Major Stress scheint dagegen keine Auswirkungen auf den Verlauf der RA zu haben.<sup>4</sup> Davids et al. wiesen dann 2008 nach, dass chronischer interpersoneller Stress mit einer vermehrten Produktion von IL-6 und einer verminderten Inhibition der IL-6-Produktion durch Glukokortikoide einhergeht, womit sich die erh&ouml;hte Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t erkl&auml;ren l&auml;sst.<sup>5</sup></p> <h2>Zytokine singen den Blues</h2> <p>Depressionen treten bei Rheumapatienten etwa doppelt so h&auml;ufig auf wie in der Allgemeinpopulation. Als m&ouml;gliche Ursachen stehen u.a. die Konfrontation mit einer chronischen Erkrankung, mangelnder Behandlungserfolg, das Gef&uuml;hl der Hilflosigkeit, Schmerzen, Funktionseinschr&auml;nkungen bzw. ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren in Diskussion. Forschungsergebnisse sprechen jedoch auch f&uuml;r einen direkten Zusammenhang zwischen Depression und Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t.<sup>6&ndash;8</sup> &bdquo;Man nimmt an, dass proinflammatorische Zytokine den Neurotransmitter- Metabolismus negativ beeinflussen&ldquo;, erkl&auml;rt Puchner. Umgekehrt kann eine Depression die Entz&uuml;ndung f&ouml;rdern, etwa durch verminderte Therapieadh&auml;renz.<br /> Wie auch immer der Zusammenhang sein mag: Fakt ist, dass Depressionen zu einem deutlich schlechteren Krankheitsverlauf bei RA f&uuml;hren und deshalb rasch diagnostiziert und behandelt werden sollten. &bdquo;Bei jedem RA-Patienten sollte an das m&ouml;gliche Vorliegen einer Depression gedacht werden&ldquo;, betont Puchner. Zum Depressions- Screening bei Rheumapatienten empfiehlt er den BDI-FS (Beck Depressions- Inventar &ndash; Fast Screen). Dieser kann in wenigen Minuten einen Hinweis auf eine Major Depression liefern und ist f&uuml;r Patienten mit chronischen Erkrankungen besonders geeignet, weil er keine somatischen Beschwerden zur Diagnose der Depression verwendet. &bdquo;Rheumasymptome wie M&uuml;digkeit oder Fatigue k&ouml;nnten sonst zu falsch positiven Ergebnissen f&uuml;hren&ldquo;, erkl&auml;rt Puchner.<br /> Eine &Uuml;berweisung zum Facharzt f&uuml;r Psychiatrie muss nicht sofort erfolgen. Prinzipiell kann auch der Rheumatologe eine erste antidepressive Therapie einleiten (Ausnahme: Suizidrisiko!). Entspannungstechniken sind vom Patienten selbst erlernbar und geben das Gef&uuml;hl der Selbstwirksamkeit. Auch Achtsamkeitstraining und kognitive Verhaltenstherapie k&ouml;nnen depressive Symptome und chronischen Schmerz g&uuml;nstig beeinflussen. Als medikament&ouml;se Therapie empfiehlt Puchner, mit SNRI in einer kleinen Dosis zu starten, weil Medikamente dieser Substanzgruppe auch eine schmerzstillende Wirkung haben.<br /> IL-6-Hemmer wie Tocilizumab k&ouml;nnten sich m&ouml;glicherweise positiv auf die Stimmungslage auszuwirken. Diese Beobachtung wurde von &Auml;rzten und Patienten gemacht und bekr&auml;ftigt die Theorie, wonach Depressionen durch die Entz&uuml;ndungskaskade beeinflusst werden. Weitere Studien sind diesbez&uuml;glich notwendig.<br /> &bdquo;Allgemeinmediziner und Internisten k&ouml;nnen mit der Fr&uuml;hdiagnose der Depression und einem Therapiebeginn einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualit&auml;t ihrer Patienten leisten&ldquo;, sagte Puchner. &bdquo;Sp&auml;testens bei ausbleibendem Therapieerfolg ist die Kooperation mit Fach&auml;rzten f&uuml;r Psychiatrie sinnvoll.&ldquo;<br /> Dass eine klinisch-psychologische Intervention schon nach kurzer Zeit zu erheblichen Verbesserungen der subjektiven Lebensqualit&auml;t f&uuml;hren und die Therapieadh&auml;renz steigern kann, zeigte schlie&szlig;lich Mag. Doris Wolf, Graz. Sie berichtete &uuml;ber eine laufende Studie des Berufsverbandes &ouml;sterreichischer PsychologInnen (B&Ouml;P). F&uuml;r die Studie wurden Gutscheine f&uuml;r je vier kostenlose Einheiten psychologischer Behandlung an Rheumapatienten verteilt. Von denjenigen, die das Angebot in Anspruch nahmen, suchte die Mehrheit (84 % ) Hilfe bei der Schmerzbew&auml;ltigung. &bdquo;Obwohl vier Sitzungen nach allgemeinen Ma&szlig;st&auml;ben eigentlich sehr wenig sind, konnte das psychische Wohlbefinden der Patienten damit deutlich gesteigert und die Krankheitsbew&auml;ltigung signifikant verbessert werden&ldquo;, berichtete Wolf.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation (ÖGR), 29. November bis 1. Dezember 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Helland Y et al.: Current practice and barriers to the management of sexual issues in rheumatology: results of a survey of health professionals. Scand J Rheumatol 2013; 42(1): 20-6 <strong>2</strong> Puchner R et al.: High burden of sexual dysfunction in female patients with rheumatoid arthritis: results of a cross-sectional study. J Rheumatol 2018; Sep 1. pii: jrheum.171287. doi: 10.3899/jrheum.171287 [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Cutolo M et al.: Stress as a risk factor in the pathogenesis of RA. Neuromodulation 2006; 13(5-6): 277-82 <strong>4</strong> Hermann M et al.: Stress and rheumatic diseases. Rheum Dis Clin North Am 2000; 26(4): 737-63 <strong>5</strong> Davis MC et al.: Chronic stress and regulation of cellular markers of inflammation in rheumatoid arthritis: implications for fatigue. Brain Behav Immun 2008; 22(1): 24-32 <strong>6</strong> Kojima M et al.: Depression, inflammation, and pain in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 2009; 61(8): 1018-24 <strong>7</strong> Raison CL, Miller AH: Do cytokines really sing the blues? Cerebrum 2013; 2013: 10 <strong>8</strong> Nerukar L et al.: Rheumatoid arthritis and depression: an inflammatory perspective. Lancet Psychiatry 2018. pii: S2215- 0366(18)30255-4 [Epub ahead of print]</p> </div> </p>
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