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Rheumapatientinnen in der Rehabilitation

<p class="article-intro">Rehabilitationsmaßnahmen stellen eine wichtige und wesentliche Säule im österreichischen Gesundheitswesen dar. Für Rheumapatientinnen ist Rehabilitation ein bedeutender Therapiebestandteil und eine gute Chance für ein selbstbestimmtes Leben.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ma&szlig;nahmen der Rehabilitation orientieren sich am ICFSystem unter Miteinbeziehung der Kontextfaktoren (Alter, Geschlecht &hellip;), basierend auf dem biopsychosozialen Modell.</li> <li>Eine genaue Zieldefinition, von der Rheumapatientin gemeinsam mit einem multidisziplin&auml;ren Team erarbeitet, bildet die Grundlage jedes Rehabilitationsaufenthaltes.</li> <li>Erlernen von Selbstmanagementstrategien, Erwerb von Gesundheitskompetenzen und Information &uuml;ber den Zugang zu gesundheitsrelevanten Themen sind essenzielle Kenntnisse.</li> </ul> </div> <p>Laut WHO bedeutet Rehabilitation den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, p&auml;dagogischer und technischer Ma&szlig;nahmen sowie die Beeinflussung des sozialen Umfeldes, um die Funktion zu verbessern und den Betroffenen zu gr&ouml;&szlig;tm&ouml;glicher Selbstst&auml;ndigkeit zu verhelfen.<sup>1</sup> Die Basis der Ma&szlig;nahmen in der Rehabilitation ist das biopsychosoziale Modell, eine mehrdimensionale Betrachtungsweise, die sich in der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) widerspiegelt (Abb. 1).<sup>2</sup> In der Rehabilitation werden die unterschiedlichen Ma&szlig;nahmen entsprechend diesem biopsychosozialen Therapieansatz von multidisziplin&auml;ren Teams ergriffen. <br />Im Mittelpunkt steht das Erreichen der Partizipation in allen Bereichen des t&auml;glichen Lebens. Zu den T&auml;tigkeiten des allt&auml;glichen Lebens z&auml;hlen f&uuml;r Frauen neben ihrer beruflichen T&auml;tigkeit h&auml;ufig auch Kindererziehung, Haushalt sowie mitunter auch die Pflege von Angeh&ouml;rigen. Diese Mehrfachbelastung muss bei der Zieldefinition w&auml;hrend eines Rehabilitationsaufenthaltes miteinflie&szlig;en. Zudem sind Health Professionals aufgefordert, die unterschiedlichen, durch das Geschlecht bedingten Gesundheitsbed&uuml;rfnisse, genderabh&auml;ngigen Risikofaktoren und klinischen Manifestationen in die Therapieprogramme miteinzubeziehen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a1-abb1.jpg" alt="" width="788" height="515" /></p> <h2>Besonderheiten der Rehabilitation bei Rheumapatientinnen</h2> <p>Rheumatische Erkrankungen betreffen sehr heterogene Patientengruppen. Zudem sind manche Diagnosen, wie etwa die rheumatoide Arthritis (RA), h&auml;ufiger bei Frauen als bei M&auml;nnern zu finden. Neben Gelenkaffektionen sind m&ouml;gliche Komorbidit&auml;ten wie kardiovaskul&auml;re Begleiterkrankungen und Diabetes bei der Planung einzelner Rehama&szlig;nahmen zu ber&uuml;cksichtigen. Weiters geht die RA mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r das Auftreten einer Osteoporose einher. Von einem spanischen Spitalsregister wurden H&uuml;ftfrakturen einer Periode &uuml;ber 17 Jahren (1999&ndash;2015) ausgewertet und dabei zeigte sich, dass Patienten mit RA im Vergleich zur Normalbev&ouml;lkerung ohne RA durchschnittlich 6 Jahre fr&uuml;her von H&uuml;ftfrakturen betroffen sind.<sup>3</sup> <br />In der Rehabilitation finden sich Patientinnen, welche prim&auml;r wegen der Diagnose ihrer rheumatischen Erkrankung mit den daraus resultierenden Funktionseinschr&auml;nkungen, Schmerzen und ge&auml;nderten Lebensumst&auml;nden aufgenommen werden, aber auch jene Rheumapatientinnen, die beispielsweise als Folge von Frakturen rehabilitativer Ma&szlig;nahmen bed&uuml;rfen. <br />Bei vielen Erkrankungen stehen Funktionseinschr&auml;nkungen der H&auml;nde im Vordergrund. Die H&auml;nde sind unser wichtigstes Instrument, um die Aktivit&auml;ten des t&auml;glichen Lebens &uuml;bernehmen zu k&ouml;nnen, und H&auml;nde spielen eine sehr bedeutende Rolle in der Kommunikation zur Pflege sozialer Kontakte und Beziehungen. <br />Das Vorhandensein psychischer Belastungen, sei es aus privaten, famili&auml;ren oder beruflichen Ursachen, ist oft ein begleitendes Thema w&auml;hrend eines Rehabilitationsaufenthaltes. Bestehen solche Belastungen, finden sie Niederschlag in den f&uuml;r die Rehabilitation gemeinsam zu erarbeitenden Zielen. <br />M&uuml;digkeit und Ersch&ouml;pfung bei chronischen Erkrankungen und die Unsicherheit, welche Art von Belastung, sei es im Kraft- und/oder Ausdauerbereich, gut anzuwenden und umzusetzen w&auml;re, sind ein wichtiger Ansatz bei der Auswahl der Therapien. Das Ziel ist hierbei, mit den Patientinnen wieder Vertrauen in die M&ouml;glichkeiten des eigenen K&ouml;rpers zu gewinnen und &Uuml;bungsprogramme anzuwenden, die gelenkschonende Bewegungen erm&ouml;glichen. Wieder Freude an der Bewegung zu haben, erh&ouml;ht die Wahrscheinlichkeit, dass die erlernten Trainingsprogramme in den Alltag &uuml;bernommen werden. <br />Eine besondere Herausforderung stellen geriatrische Rheumapatientinnen dar, da bei ihnen neben der rheumatischen Grunderkrankung Beeintr&auml;chtigungen der Sinnesfunktionen und der kognitiven Leistungsf&auml;higkeit zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang interessant sind Ergebnisse einer Studie zum Thema &bdquo;behavioral medicine&ldquo; f&uuml;r &auml;ltere Frauen, welche alleine mit chronischen Schmerzen leben.<sup>4</sup> Derzufolge ist es auch f&uuml;r &auml;ltere Frauen mittels Verhaltens&auml;nderungen durchaus m&ouml;glich zu lernen, physikalische Aktivit&auml;ten in den Alltag zu integrieren und dadurch die Aufgaben des t&auml;glichen Lebens besser zu managen. Im biopsychosozialen Modell sind die Herangehensweisen gut abbildbar und auch als Ziel bei &auml;lteren Patientinnen denkbar.</p> <h2>Was ist wichtig vor dem Rehabilitationsaufenthalt?</h2> <p>Grunds&auml;tzlich m&uuml;ssen die drei Voraussetzungen Rehabilitationsbed&uuml;rftigkeit, Rehabilitationsf&auml;higkeit und Rehabilitationsprognose gegeben sein. Die Rehabilitationsbed&uuml;rftigkeit wird im Vorfeld durch den behandelnden Arzt gemeinsam mit der Patientin er&ouml;rtert, im Sinne einer gemeinsamen Entscheidung. Grunds&auml;tzlich ist immer die Patientin die Antragstellerin. Rehabilitationsf&auml;higkeit bedeutet, dass die Patientin motiviert ist und keine hohe Aktivit&auml;t der rheumatologischen Grunderkrankung vorliegt, also eine Phase besteht, in welcher die medikament&ouml;se Einstellung nicht im Vordergrund steht. Die Rehabilitationsprognose ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Rehabilitationsziel in einem bestimmten Zeitraum erreichbar ist. <br />F&uuml;r eine optimale Planung des Rehabilitationsaufenthaltes sollte eine entsprechende Qualit&auml;t der Zuweisung vorliegen. Der &Ouml;GR-Arbeitskreis f&uuml;r Rehabilitation hat sich eingehend mit diesem Thema besch&auml;ftigt und auf der &Ouml;GR-Jahrestagung 2018 ein Poster pr&auml;sentiert, in welchem die w&uuml;nschenswerten Basisinformationen dargestellt wurden.<sup>5</sup> Exemplarisch genannt seien eine aus der Zuweisung hervorgehende Zieldefinition, die Gehf&auml;higkeit der Patientin oder vorliegende Einschr&auml;nkungen im Beruf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a1-abb2.jpg" alt="" width="589" height="468" /></p> <h2>Ma&szlig;nahmen in der Rehabilitation</h2> <p>In der Rehabilitation stehen die nicht medikament&ouml;sen Therapien im Vordergrund. Neben den einzelnen therapeutischen Ma&szlig;nahmen sind multidisziplin&auml;re Schulungen im Fokus. Durch entsprechende Informationen und Erwerb von Gesundheitskompetenzen bei Vorliegen der rheumatologischen Grunderkrankung soll die Basis f&uuml;r das Erlangen der besten Selbstmanagementstrategien gelegt werden.</p> <p><strong>&Auml;rztliche, pflegerische und therapeutische Anamnese und Statuserhebung</strong><br /> Die Erhebung erfolgt multidisziplin&auml;r und erfasst jedenfalls die Zieldefinition unter Miteinbeziehung der Patienten. Neben Schmerzen, Funktionseinschr&auml;nkungen, Komorbidit&auml;ten und Medikamenten werden &ndash; entsprechend dem biopsychosozialen Modell &ndash; auch die Kontextfaktoren wie umwelt- und personenbezogene Faktoren, darunter f&auml;llt auch das Geschlecht, erfasst. Hier wird bei Aufnahmen auch erfasst, ob die Zuweisung als Folge einer Fraktur erfolgt ist und ob eine RA oder Osteoporose vorliegt, um entsprechende Ma&szlig;nahmen einzuleiten.</p> <p><strong>Ergotherapien</strong><br /> Die Ergotherapie umfasst die klassische Einzeltherapie, wobei hier in Abh&auml;ngigkeit von der vorliegenden Situation die Stabilisierung der betroffenen Gelenke, die Schmerzreduktion und die Verbesserung der koordinativen F&auml;higkeiten im Vordergrund stehen. Ein weiterer Schwerpunkt der Ergotherapie ist alltagsrelevantes Training inklusive Versorgung mit individuell angepassten Schienen und Hilfsmitteln, so der Bedarf gegeben ist. Die Vermittlung von Informationen &uuml;ber ergonomische Arbeitsweisen ist f&uuml;r Rheumapatientinnen, vor allem bei oft von Frauen ausge&uuml;bten T&auml;tigkeiten im B&uuml;ro und Arbeiten an Bildschirmen und PCs, von enormer Bedeutung, um lange am Arbeitsprozess teilhaben zu k&ouml;nnen. Ergotherapeuten arbeiten im Bereich der gesamten oberen Extremit&auml;t inklusive Schultergelenk. Dem Schultergelenk sollte bei Patienten mit RA schon in fr&uuml;hen Stadien, vor allem bei physisch anstrengenden Berufen mit &Uuml;berkopfarbeiten, Beachtung geschenkt werden.<sup>6</sup></p> <p><strong>Physiotherapie</strong><br /> Physiotherapie gibt es als Gruppenund als Einzeltherapien. Im Fokus stehen hier das individuelle Training, die Verbesserung von koordinativen F&auml;higkeiten, die Kr&auml;ftigung der Muskulatur unter Miteinbeziehung der jeweils individuellen Situation und das Erlernen von Bewegungsmustern, die gut in den Alltag integrierbar sind. Die F&auml;higkeit des Vermittelns von Freude an der Bewegung ist eine wesentliche Eigenschaft im Training mit den Patienten. Mitarbeiter sollten daher &uuml;ber entsprechende Kompetenzen in dieser Form der Kommunikation verf&uuml;gen. Herauszufinden, was die einzelnen Patientinnen motiviert, &bdquo;in Bewegung zu bleiben&ldquo;, ist wesentlich f&uuml;r die nachhaltige Implementation der erlernten Bewegungsmuster.</p> <p><strong>Informationen und Schulungen</strong><br /> Informationen und Schulungen k&ouml;nnen im Rahmen von Einzelsettings oder in Gruppen geboten werden. Die Themen sind vielf&auml;ltig und umfassen die Bereiche Di&auml;tologie und Psychologie. Gruppen gibt es zu bestimmten Themen und in unterschiedlichen Gr&ouml;&szlig;en. Raucherberatung oder Informationen zum Lebensstil sind Beispiele daf&uuml;r. F&uuml;r Rheumapatientinnen ist der gute Umgang mit Stress, Schmerzen im Alltag und den sich durch die Diagnose ergebenden &Auml;nderungen der Lebensumst&auml;nde Ziel der Ma&szlig;nahmen der Rehabilitation.</p> <p><strong>Massagen, Thermo- und Elektrotherapie</strong><br /> Alle diese Therapieformen werden in der Schmerztherapie als Teil eines multimodalen Konzeptes angeboten. Massagen dienen zur Lockerung von Muskeln, Sehnen und B&auml;ndern. Thermotherapien finden, je nach Erfordernis, als K&auml;lte- und W&auml;rmetherapien Anwendung. Durch Stromanwendungen im Rahmen der Elektrotherapie kann es zur Beeinflussung der Nozizeptoren und zur Unterdr&uuml;ckung der Schmerzweiterleitung kommen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Im Zentrum der Rehabilitation von Rheumapatientinnen stehen die individuelle Rehabilitandin und die mit ihr definierten Ziele entsprechend dem biopsychosozialen Modell. Das multidisziplin&auml;re Team unterst&uuml;tzt sie in der Umsetzung der gesetzten Ziele. In der Erarbeitung der Ziele wird ganz speziell auch auf Themen eingegangen, welche sich aus den Kontextfaktoren ergeben. <br />Das Erlernen von Selbstmanagementstrategien und Gesundheitskompetenz inklusive Erwerb von Kenntnissen &uuml;ber den Zugang zu gesundheitsrelevanten Themen ist f&uuml;r jede einzelne betroffene Rheumapatientin ein wesentlicher Bestandteil, um in Zusammenschau mit dem eigenen Krankheitsbild mit den Anforderungen des Lebens zurechtzukommen. <br />Sich &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum hinweg mit den vorgeschlagenen Ma&szlig;nahmen einverstanden zu erkl&auml;ren und an der Erarbeitung dieser auch selbst mitzuwirken, ist ganz im Sinne des biopsychosozialen Modells und f&uuml;hrt auch zu Nachhaltigkeit. Je besser Patientinnen geschult und ge&uuml;bt sind, umso besser gelingt der Alltag im Arbeitsumfeld und sp&auml;ter auch im h&ouml;heren Alter. Nicht verbieten, sondern M&ouml;glichkeiten finden und anbieten, damit Rheumapatientinnen das machen k&ouml;nnen, was ihnen Freude bereitet, das ist meine Vorstellung von Rehabilitation.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> WHO Technical Report 668/1981 <strong>2</strong> www.who.int/classifications/ icf/en/ <strong>3</strong> Mazzucchelli R et al.: RMD Open 2018; 4: e000671 <strong>4</strong> Cederbom S et al.: Clin Interv Aging 2014; 9: 1383-97 <strong>5</strong> Mur E et al.: &Ouml;GR-Jahrestagung 2018, Wien, Poster 9 <strong>6</strong> Bilberg A et al.: Scand J Rheumatol 2014; 43: 119-23</p> </div> </p>
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