
Metabolische Störungen bei Psoriasisarthritis: eher die Regel als die Ausnahme
Bericht:
Dr. Susanne Kammerer
Mehrere der beim Europäischen Rheumatologenkongress in Mailand vorgestellten Studien verdeutlichen, dass PsA-Patient:innen häufig an metabolischen und kardiovaskulären Komorbiditäten leiden, was in das therapeutische Kalkül einbezogen werden sollte.
Dr. Marlene Stirnimann-Agustoni vom Universitätsspital in Zürich (Schweiz) verglich in ihrer Studie die Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas bei PsA-Patient:innen mit denjenigen der Allgemeinbevölkerung.1 Eine Entwicklung im Zeitverlauf wurde in den Jahren 2007, 2012 und 2017 untersucht. Die Daten der PsA-Patient:innen stammten aus einem Schweizer Register, diejenigen der Allgemeinbevölkerung vom Schweizer Bundesamt für Statistik. Je nach Body-Mass-Index (BMI) wurden die Studienteilnehmer:innen in vier Gruppen eingeteilt: Untergewichtige (BMI <18,5), Normalgewichtige (BMI 18,5 bis <25), Übergewichtige (BMI 25 bis <30) und Adipöse (BMI ≥30). Zudem wurden auch sozioökonomische Faktoren wie der Bildungsgrad und der Zusammenhang mit Übergewicht untersucht.
Die Stichprobe umfasste im Jahr 2017 1245 PsA-Patient:innen im Vergleich zu 517 im Jahr 2007. Der durchschnittliche BMI der PsA-Patient:innen nahm im Zeitverlauf zu, nämlich von 26,6 im Jahr 2007 auf 27,5 im Jahr 2017. Dasselbe galt für den Prozentsatz der adipösen Patient:innen, der im Jahr 2007 19,9% betrug, im Jahr 2017 schon 27,2%. Noch steiler stieg das Gewicht bei männlichen PsA-Patienten. Nach Ausführung von Dr. Stirnimann-Agustoni scheint Adipositas gerade bei Männern mit PsA immer häufiger aufzutreten.
Unabhängig vom Geschlecht brachten die PsA-Patient:innen viel mehr auf die Waage als die allgemeine Schweizer Bevölkerung. In der Allgemeinbevölkerung waren bei höherem Bildungsgrad Übergewicht und Adipositas weniger häufig. Im Gegensatz dazu hatten überraschenderweise weder die Ausbildung noch die Art des Berufs einen Einfluss auf Übergewicht und Adipositas bei PsA-Patient:innen. Dr. Stirnimann-Agustoni erklärte, dass demnach gezielt und unabhängig von Ausbildung und Beruf Anstrengungen unternommen werden müssten, um Adipositas und Übergewicht bei PsA-Patient:innen zu reduzieren.
Hohes Risiko für die Entwicklung einer Fettleber
PsA-Patient:innen haben auch ein erhöhtes Risiko, eine nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) und eine Leberfibrose zu entwickeln. Einer Studie aus Großbritannien zufolge können Hochrisikopatient:innen auch besser mit dem FIB(Fibrosis)-4-Index-Score identifiziert werden, währenddessen bei anderen der ELF(Enhanced Liver Fibrosis)-Test aussagekräftiger ist.
Im Lehrkrankenhaus von Leeds (Großbritannien) wurde ein Screening-Pfad für NAFLD-Patient:innen entwickelt, der jedoch bisher nicht für Patient:innen mit Psoriasis (PsO) oder PsA validiert wurde. Dieser Aufgabe nahm sich Dr. Stephanie Harrison mit ihrem Team an und untersuchte die Fettleberprävalenz in der Population von PsO- und PsA-Patient:innen.
Folgende Gruppen wurden untersucht, die sich in den dortigen Spezialabteilungen vorstellten: Patient:innen mit PsA (n=60), Patient:innen mit PsO (n=38) sowie Patient:innen mit anderen entzündlichen Arthritiden (n=18). Auch die Aussagekraft des Diagnosepfads wurde unter die Lupe genommen. „Wir untersuchten die Patient:innen mit ELF-Tests kombiniert mit FIB-4-Index-Scores“, erklärte Harrison. Solche mit einem ELF-Score über 9,5 und einem FIB-4-Score über 1,45 wurden an Hepatolog:innen überwiesen, wo eine Elastografie mittels FibroScan® durchgeführt wurde. Ein Ergebnis im FibroScan® von über 10kPa gilt als klinisch relevante NAFLD.
Hinsichtlich der meisten klinischen und demografischen Eigenschaften gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen. Allerdings nahm ungefähr die Hälfte der Patient:innen mit entzündlichen Arthritiden Biologika ein, was nur für einen PsO-Patienten zutraf.
Die Ergebnisse zeigten, dass PsO-Patient:innen höhere ELF-Werte hatten, während PsA-Patient:innen höhere FIB-4-Werte aufwiesen als alle anderen Gruppen. In der PsA-Gruppe zeigten höhere FIB-4-Werte einen signifikanten Zusammenhang mit FibroScan®-Werten über 10kPA (p=0,05), nicht jedoch mit den ELF-Werten. Außerdem gab es einen Zusammenhang zwischen höheren FIB-4-Werten und der Diagnose einer NAFLD-Fibrose (p=0,09).
Nach Ausführung von Dr. Harrison zeigt diese Untersuchung, dass PsA-Patient:innen viel häufiger unter einer Fettleber und einer Leberzirrhose leiden als die anderen untersuchten Gruppen. Zudem ist für die Detektion einer Fettleber bei PsA-Patient:innen der FIB-4-Test aussagekräftiger als der ELF-Test. Allerdings sollten die hier gewonnenen Erkenntnisse in einer größeren Studie validiert werden.
Gefäßinflammation verbreitet beiPsA-Patient:innen
Eine der Ursachen für das bekannte erhöhte kardiovaskuläre Risiko von PsA-Patient:innen könnte in der systemischen Inflammation des Gefäßsystems liegen. Hierauf deutet eine beim EULAR-Kongress vorgestellte retrospektive Untersuchung hin, in der die vaskuläre Inflammation mithilfe von 18-FDG-PET/CTs der Aorta und Bestimmung der Target-to-Background-Ratio ermittelt wurde.3
Die Analyse umfasste 75 PsA-Patient:innen mit aktiver peripherer Arthritis, einem medianen Alter von 53 Jahren und einer medianen Anzahl geschwollener Gelenke von 3. Diese Kohorte wurde mit einer Kontrollgruppe von 40 Melanompatient:innen ohne Fernmetastasen verglichen, die weder eine Autoimmunerkrankung hatten noch mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt wurden. Dr. Nienke Kleinrensink, UMC Utrecht, Niederlande, unterstrich, dass zwar ein etwas höherer BMI bei den PsA-Patient:innen vorhanden war, aber in Bezug auf Alter, Blutdruck oder Geschlecht keine relevanten Unterschiede gesehen wurden. Beide Gruppen bestanden zu etwa 57% aus Männern, und etwa 15% hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung.
Die Ergebnisse zeigten bei vorhandener PsA eine signifikant erhöhte vaskuläre Entzündung im Vergleich zu den Kontrollpersonen, und zwar nicht nur bei der Untersuchung der gesamten Aorta (p≤0,001), sondern auch in ihren fünf einzeln ausgewerteten Teilsegmenten. Diese Ergebnisse blieben auch in einer multivariaten Analyse, die traditionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, BMI und mittleren arteriellen Druck berücksichtigte, signifikant.
„Wir haben auch klinische Parameter der Krankheitsaktivität wie die Anzahl der schmerzhaften Gelenke, die Anzahl der geschwollenen Gelenke, den Enthesitis-Index, die von Psoriasis betroffene Körperoberfläche und Entzündungsparameter gemessen, diese waren aber nicht mit der im PET/CT gemessenen Gefäßentzündung assoziiert“, führte Dr. Kleinrensink aus. Sie sah in diesem Resultat eine mögliche Bestätigung der Hypothese, dass es eine systemische Entzündung bei PsA gibt, und hob hervor, dass es als Nächstes interessant wäre zu untersuchen, ob die Therapie der PsA sich auch positiv auf die Gefäßentzündung auswirkt.
Besonders hohe kardiovaskuläre und metabolische Komorbidität
Eine weitere Untersuchung bestätigt die hohe Prävalenz von metabolischer und kardiovaskulärer Komorbidität bei PsA-Patient:innen.4 Hier verglich man Patient:innen mit PsA (n=67) und rheumatoider Arthritis (RA; n=50) aus zwei prospektiven multizentrischen Kohorten und verglich sie mit gesunden Kontrollen, gematcht nach Geschlecht und Alter. Alle PsA- und RA-Patient:innen waren bislang noch nicht mit DMARDs behandelt worden, und ihre Symptomdauer war kürzer als zwei Jahre.
Insgesamt fanden die Untersucher eine hohe Anzahl an Komorbiditäten, nämlich bei 74,6% der PsA-Patient:innen, bei 66,7% der RA-Patient:innen und auch bei 60,7% in der Kontrollgruppe. PsA-Patient:innen wiesen im Vergleich zu RA-Patient:innen und Kontrollen jedoch häufiger multiple Komorbiditäten auf (p=0,007).
Sowohl PsA- als auch RA-Patient:innen hatten häufig Übergewicht oder Adipositas im Vergleich zu den Kontrollen. 82,1% der PsA- und 88,9% der RA-Patient:innen wiesen kardiovaskuläre Risikofaktoren auf, dagegen nur 62,3% der Kontrollen (p=0,003). Sowohl bei den PsA- als auch bei den RA-Patient:innen waren Dyslipidämien die häufigste Komorbidität. Der Anteil der Patient:innen mit erhöhten Harnsäurespiegeln und Depressionen war bei Patient:innen mit PsA signifikant höher als bei den RA-Patient:innen und Kontrollen. Adipositas, Typ-2-Diabetes, arterielle Hypertonie, COPD, Gicht und onkologische Erkrankungen traten bei PsA- und RA-Patient:innen ähnlich oft auf, doch in beiden Gruppen häufiger als bei den Kontrollen. Zudem wiesen PsA-Patient:innen im Vergleich zu den RA-Patient:innen und den Kontrollen eine höhere Rate an kardiovaskulären Erkrankungen auf.
Die Autor:innen schließen aus der Untersuchung, dass PsA-Patient:innen schon kurz nach der Diagnosestellung eine hohe kardiovaskuläre und metabolische Komorbidität aufweisen. Die Tatsache, dass sie trotz ähnlich hohem BMI und Gewicht häufiger an kardiovaskulären Erkrankungen leiden als RA-Patient:innen, lässt schließen, dass metabolische Störungen eine wesentliche Rolle in der Pathophysiologie der PsA spielen.
Quelle:
EULAR Congress 2023, Mailand, 31. Mai bis 3. Juni 2023
Literatur:
1 Stirnimann M et al.: Obesity in psoriatic arthritis is increasingly affecting men and appears less dependent of socioeconomic status than in the general population. EULAR 2023; OP0064 2 Harrison S et al.: Non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD) in psoriatic disease (PsD): identifying patients at high risk of serious liver disease. EULAR 2023; POS0022 3 Kleinrensink NJ et al.: Increased vascular inflammation on PET-CT in psoriatic arthritis patients in comparison with healthy controls. EULAR 2023; OP0026 4 Ishchenko A et al.: Higher comorbidity burden in early psoriatic arthritis as compared to early rheumatoid arthritis: clues for pathogenesis of psoriatic disease. EULAR 2023; OP0066
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