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Schnittstelle Rheumatologie/Orthopädie

„Interdisziplinärer Austausch wird immer wichtiger“

<p class="article-intro">Wie kann man eine Arthritis von anderen rheumatologischen/orthopädischen Erkrankungen abgrenzen? Schwierig ist die klinische Differenzierung bei Schulter- und Hüftgelenksbeschwerden, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Welche Beschwerden weisen auf eine Arthritis hin? </strong></em><br /><em><strong>L. Erlacher:</strong></em> Wenn Patienten mit Gelenksschmerzen/-schwellungen zum Arzt kommen, stellt sich die Frage: Handelt sich um eine entz&uuml;ndlich-rheumatische Gelenkserkrankung oder um ein anderes rheumatologisches oder orthop&auml;disches Problem? Die Diagnose einer Arthritis mittels Erhebung des Rheumastatus gelingt dann gut, wenn Gelenke im Berich der H&auml;nden oder Vorf&uuml;&szlig;e, das Knie oder das Sprunggelenk betroffen sind, weil hier Schwellungen gut tastbar sind. Schwierig ist die Beurteilung von tiefsitzenden Gelenken, z. B. Schulteroder H&uuml;ftgelenk. Hier sind Schwellungen oder Druckschmerzen schwer zu erfassen, diese Gelenke k&ouml;nnen aber ebenso von einer Arthritis befallen sein.</p> <p><em><strong>Welche diagnostische Vorgehensweise empfehlen Sie in diesen F&auml;llen? </strong></em><br /><em><strong>L. Erlacher:</strong></em> Die Diagnose der Arthritis beruht unver&auml;ndert auf dem rheumatologischen Gelenksstatus. Es gibt aber zus&auml;tzliche hilfreiche diagnostische Parameter. Dazu z&auml;hlt das Labor. Erh&ouml;hte Entz&uuml;ndungsparameter m&uuml;ssen aber nicht vorhanden sein. Ein normales CRP schlie&szlig;t eine rheumatoide Arthritis nicht aus. Das Gleiche gilt f&uuml;r die Rheumafaktoren und CCP-Antik&ouml;rper. Diese k&ouml;nnen bei rheumatoider Arthritis positiv sein, m&uuml;ssen aber nicht. Umgekehrt kann ein Patient Rheumafaktorpositiv sein, ohne Arthritis zu haben. Das hei&szlig;t: Das Labor unterst&uuml;tzt mich, kann mich aber auch in die falsche Richtung lenken: Ein &auml;lterer Patient mit Gelenksbeschwerden und positivem Rheumafaktor, aber ohne Gelenksschwellungen, kann ebenso eine Polyarthrose haben.</p> <p><em><strong>Bei Gelenksschmerzen wird meist ein R&ouml;ntgenbefund gemacht. Wann ist weitere Bildgebung zielf&uuml;hrend? </strong></em><br /><em><strong>L. Erlacher:</strong> </em>Die Bildgebung ist neben dem Labor ein zweiter wichtiger Hilfsparameter. Im R&ouml;ntgen sichtbare Gelenksdestruktionen treten erst im Sp&auml;tstadium der rheumatoiden Arthritis auf und sind heute dank erfolgreicher Behandlungsmethoden sehr selten geworden. F&uuml;r die Fr&uuml;hdiagnostik ist das R&ouml;ntgen nicht geeignet. Hochaufl&ouml;sender Gelenkultraschall und Kontrastmittel-MRT werden zunehmend popul&auml;r. Sie sind aber zum definitiven Nachweis einer rheumatoiden Arthritis auch nicht geeignet. Denn es gibt viele gesunde Patienten, die ein Knochenmarks&ouml;dem und/oder eine milde Synovitis, aber trotzdem keine Arthritis haben. Man darf also niemals einen Patienten nur aufgrund eines positiven MRT-Befunds behandeln. Man muss sich mit den Befunden aus klinischer Untersuchung, Bildgebung und Labor ein Bild machen. Daf&uuml;r braucht man sehr viel Erfahrung, es ist kein einfaches Abarbeiten einer Checkliste &ndash; da kann man vieles falsch machen.</p> <p><em><strong>Wenn bei einem Patienten der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht und der Arzt an den Rheumatologen &uuml;berweist, was kann/darf er inzwischen verschreiben? </strong></em><br /><em><strong>L. Erlacher:</strong></em> Ein h&auml;ufiger Fehler, der in der Praxis passiert, ist die Behandlung von Patienten mit NSAR oder Kortison, bevor die Diagnostik abgeschlossen ist. Das kann sowohl den klinischen Rheumastatus verf&auml;lschen als auch die Labor- und Bildgebungsbefunde ver&auml;ndern. Insofern ist eine solche &bdquo;Anbehandlung&ldquo; nicht zielf&uuml;hrend, weil sie keine L&ouml;sung bringt und die Diagnostik nur verz&ouml;gert. Patienten mit Verdacht auf Arthritis geh&ouml;ren sofort zum Rheumatologen &uuml;berwiesen. Dieser sollte einmalig die Diagnose erstellen k&ouml;nnen. Wenn es sich nicht um eine rheumatologische Erkrankung handelt, muss selbstverst&auml;ndlich wieder an den Zuweiser zur&uuml;ck&uuml;berwiesen werden. Eine rasche Vorstellung beim Facharzt f&uuml;r Rheumatologie ist wichtig: Wir wissen, dass bei Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis der entscheidendste Parameter f&uuml;r eine erfolgreiche Therapie der Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ist. Das bedeutet, dass eine schmerzstillende Vorbehandlung ohne Diagnosestellung den Patienten letztlich schaden kann.</p> <p><em><strong>Wie wichtig ist interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit zwischen Orthop&auml;den und Rheumatologen? </strong></em><br /><em><strong>L. Erlacher:</strong></em> Die Zusammenarbeit mit den Orthop&auml;den ist sowohl in der Fr&uuml;hdiagnostik wichtig als auch in Sp&auml;tstadien, wenn Rheumapatienten eine operative Versorgung ben&ouml;tigen. Die Rheumaorthop&auml;die ist zwar dank moderner pharmakologischer Therapiem&ouml;glichkeiten nur mehr selten notwendig. Destruktive Gelenksver&auml;nderungen sind bei Rheumapatienten stark zur&uuml;ckgegangen, im Einzelfall ist eine rheumaorthop&auml;dische Versorgung jedoch unver&auml;ndert n&ouml;tig. Umso mehr begr&uuml;&szlig;e ich die Spezialisierung der orthop&auml;dischen Chirurgie auf bestimmte Gelenke bzw. Gelenksregionen wie Schultergelenke, Vorf&uuml;&szlig;e etc. Denn wenn doch eine operative Therapie n&ouml;tig wird, ist das Niveau der Versorgung durch die Spezialisierung deutlich gestiegen. Das zeigt sich ja in allen Fachdisziplinen: Wer etwas &ouml;fter macht, hat bessere Ergebnisse. Ein zweiter Aspekt: Wir haben eine Vielzahl an medikament&ouml;sen Therapieoptionen und es werden jedes Jahr mehr. Das ist zwar eine sehr gute Entwicklung, f&uuml;hrt aber auch dazu, dass sich &Auml;rzte &ndash; auch Orthop&auml;den &ndash; zunehmend mit den unterschiedlichen Wirkweisen und Nebenwirkungen dieser Medikamente auseinandersetzen m&uuml;ssen. Der interdisziplin&auml;re Austausch wird immer wichtiger, insbesondere wenn Patienten mehrere Erkrankungen haben und von verschiedenen &Auml;rzten behandelt werden. Grundkenntnisse &uuml;ber die Wirkung der Rheumamedikamente werden in Zukunft auch von Nichtrheumatologen gefordert sein.</p></p>
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