
Wenn Babys im Mutterleib einer Covid-19-Infektion ausgesetzt waren
Bericht:
Dr. Gabriele Senti
Säuglinge von Müttern, die während der Schwangerschaft an Covid-19 erkrankt waren, zeigen offenbar Unterschiede in der neurologischen Entwicklung nach 6 Wochen, so eine vorläufige Analyse, die auf dem 30. Europäischen Kongress für Psychiatrie vorgestellt wurde.
Die Forscher fanden heraus, dass Säuglinge von Müttern, die während der Schwangerschaft an einer Covid-19-Infektion erkrankt waren, im Vergleich im Vergleich zu Säuglingen von nicht infizierten Müttern größere Schwierigkeiten haben, ihren Körper zu entspannen und sich anzupassen, wenn sie gehalten werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Infektion in der späten Schwangerschaft aufgetreten ist. Außerdem haben Säuglinge von infizierten Müttern tendenziell größere Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Kopf- und Schulterbewegungen. Diese Veränderungen deuten auf einen möglichen Einfluss von Covid-19 auf motorische Funktionen hin.
COGESTCOV-19-Studienergebnisse
Die Ergebnisse stammen aus einer ersten Auswertung des spanischen COGESTCOV-19-Projekts, das den Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklung von Babys mit Covid-19-infizierten Müttern verfolgt. 212 schwangere Frauen (14% infiziert) wurden während der gesamten Schwangerschaft und nach der Entbindung beobachtet und die Entwicklung der Neugeborenen wurde analysiert. Die SARS-COV-2-Infektion wurde während der Schwangerschaft serologisch bestätigt. Die Brazelton Neonatal Assessment Scale (NBAS) wurde bei den Babys im Alter von 6 Wochen von einem geschulten Neonatologen angewandt, um neurologische, soziale und Verhaltensaspekte der Funktionsfähigkeit des Neugeborenen zu bewerten. Die Unterschiede in den NBAS-Werten zwischen Fällen und Kontrollen wurden durch ANOVAs („analysis of variance“; Varianzanalysen) getestet. Alle Analysen wurden für das Alter der Mutter, den soziodemografischen Status, den ängstlich-depressiven soziodemografischenStatus der Mutter, ängstlich-depressive Symptomatik, Geschlecht und Gestationsalter des Kindes bei der Geburt und NBAS sowie für den Zeitraum der Schwangerschaft (vor oder während der Covid-19-Pandemie) adjustiert.
Die Untersuchungen ergaben, dass die sozial-interaktive Dimension der NBAS bei denjenigen Säuglingen signifikant verringert war, die pränatal SARS-COV-2 ausgesetzt waren (F=4248, p=0.043), insbesondere wenn die Infektion vor der 20. Schwangerschaftswoche stattfand. Die Schwangerschaft während der Covid-19-Pandemie veränderte die NBAS-Subskalen nicht.
Für weitere Untersuchungen internationale Kooperationen gewünscht
Studienleiterin Águeda Castro Quintas von der Universität Barcelona, Netzwerkzentrum für Biomedizinische Forschung im Bereich der psychischen Gesundheit, berichtet: „Wir haben festgestellt, dass bestimmte Elemente der NBAS-Messung bei sechs Wochen alten Säuglingen, und zwar den Säuglingen, die dem SARS-COV-2-Virus ausgesetzt waren, verändert waren. Sie reagieren leicht anders darauf, gehalten oder gestreichelt zu werden. Es handelt sich hierbei um vorläufige Ergebnisse eines umfassenderen Projekts mit einer größeren Stichprobe. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um internationale Kooperationen aufzubauen, die es uns ermöglichen, die Langzeit-Neuroentwicklung bei Kindern zu untersuchen, die während der Covid-19-Pandemie geboren wurden.“
Dringend Bedarf an weiteren Studien zu Schwangerschaft und pandemiebedingtem Stress
In einem unabhängigen Kommentar betonte Dr. Livio Provenzi von der Universität Pavia, Italien, die Wichtigkeit dieses Projekts: „Es besteht ein großer Bedarf, sowohl die direkten als auch die indirekten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Eltern und Säuglingen zu untersuchen. Die Schwangerschaft ist ein Lebensabschnitt, der einen Großteil unserer späteren Entwicklung prägt, und Belastung kann lang anhaltende biologische Fußabdrücke hinterlassen. Diese Ergebnisse aus der Gruppe von Dr. Rosa Ayesa Arriola untermauern die Hinweise auf epigenetische Veränderungen bei Kindern von Müttern, die während der Schwangerschaft pandemiebedingtem Stress ausgesetzt waren. Sie zeigen, dass wir mehr groß angelegte internationale Forschung brauchen, um die Auswirkungen dieser gesundheitlichen Notlage auf die Entwicklung zu verstehen und eine bessere Qualität der Betreuung für Eltern und Säuglinge zu gewährleisten.“
Quelle:
„The Impact of Maternal SARS-COV-2 Infection in Early Stages of Newborn Neurodevelopment: Preliminary Results in a Multicenter Spanish Study“, Vortrag beim 30. Kongress für Psychiatrie der European Psychiatric Association (EPA), 4.–7. Juni 2022, virtuell