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Warum Virusinfektionen depressiv machen
Jatros
30
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09.06.2016
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<p class="article-intro">Virusinfektionen wie Influenza/Grippe können depressive Verstimmungen auslösen. Verantwortlich dafür ist unter anderem das Protein CXCL10, das eigentlich die Virusabwehr steuert. Dieses Protein hemmt eine Hirnregion, die auch bei Depressionen während kognitiver Prozesse vermindert aktiv ist. Die Erkenntnisse könnten zukünftig Patienten helfen, die nach einer Virusinfektion oder nach einer Immuntherapie an depressiven Verstimmungen leiden.</p>
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<p class="article-content"><p>Virale Infekte verursachen häufig Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und ein für Depressionen typisches Verhalten. Bislang war aber völlig unklar, wie Immunabwehr und psychische Veränderungen miteinander zusammenhängen. „Wir konnten jetzt die Mechanismen identifizieren, durch die das Immunsystem den Gemütszustand beeinflusst“, sagt Erstautor Dr. Thomas Blank, Biologe am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg.</p> <h2>CXCL10 wirkt auf Immun- und Nervenzellen</h2> <p>Die Forscher um Studienleiter Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg, wiesen nach, dass bei der Vermittlung zwischen Immun- und Nervensystem die Blutgefäßzellen im Gehirn eine wichtige Rolle spielen. Diese sogenannten Endothel- und Epithelzellen bilden das Protein CXCL10, das bislang dafür bekannt war, Immunzellen anzulocken und so zur Virusabwehr beizutragen. Wie die Forscher nun zeigten, hemmt das Protein außerdem Nervenzellen im Hippocampus und damit auch die zelluläre Grundlage des Lernens. Diese Eigenschaft einzelner Synapsen und Nervenzellen, sich in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern, wird als neuronale Plastizität bezeichnet und ist im Hippocampus auch bei einer Depression verringert. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Neuro_1603_Weblinks_Seite44.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Nächster Schritt: CXCL10-Blockade</h2> <p>Symptome einer Depression können auch durch Immunproteine, sogenannte Typ-I-Interferone, verursacht werden. Diese Proteine werden zur Behandlung von Hepatitis C, bestimmten Krebsarten und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Wie die Freiburger Forscher feststellten, wirken Interferone über denselben, neu beschriebenen Signalweg. In zukünftigen Studien werden die Forscher die molekularen und zellulären Grundlagen untersuchen. „Unsere Daten lassen aber bereits vermuten, dass zumindest zu Beginn einer Virusinfektion oder bei einer Typ-I-Interferon-Therapie eine Blockade von CXCL10 oder seiner Rezeptoren die ersten krankheitsbedingten Verhaltensänderungen unterbinden kann“, sagt Prof. Prinz.</p> <h2>Auch im Tiermodell bestätigt</h2> <p>Den Einfluss von Virusinfektion und Typ-I-Interferonen auf das Verhalten von Tieren untersuchten die Forscher in etablierten Experimenten, in denen Lernvorgänge, aber auch die Stimmung der Tiere gemessen werden. Tiere mit Virusinfektion oder Typ-I-Interferonen zeigten deutlich eingeschränktes Lernvermögen und waren weniger aktiv als die Kontrollgruppe, was als depressionsartiges Verhalten gewertet wird. Um Effekte durch die Krankheit selbst auszuschließen, verabreichten die Forscher den Tieren auch künstliches Virus-Erbgut sowie einzelne Bestandteile des Virus. Beides aktiviert das Immunsystem, ohne die Tiere krank zu machen. In beiden Fällen zeigten die Mäuse ein depressionsartiges Verhalten. Damit lässt sich der Verhaltenseffekt auf den neu entdeckten Signalweg zurückführen. <em>(red)</em></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Pressemitteilung des
Universitätsklinikums Freiburg vom 20.4.2016
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Blank T et al: Brain endothelial- and epithelial-specific interferon receptor chain 1 drives virus-induced sickness behavior and cognitive impairment. Immunity 2016; 44(4): 901-12</p>
</div>
</p>
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