
Ein Erklärungsansatz für die psychogene Wirkung der mediterranen Kost
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Eine mediterrane Diät, welche sich durch einen hohen Anteil an pflanzlichen Nahrungsmitteln auszeichnet, wird mit einer Reihe von gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht, darunter auch positive Effekte auf die Psyche. Viele pflanzliche Lebensmittel beinhalten sekundäre Pflanzenstoffe, wie Polyphenole, für die ebenfalls eine Reihe von gesundheitlichen Benefits aufgezeigt wurden. Nachfolgend werden potenzielle Mechanismen erörtert, die für mögliche präventive und kurative Effekte von Polyphenolen auf psychische Erkrankungen grundlegend sein könnten.
Keypoints
-
Polyphenole sind wichtige Inhaltsstoffe pflanzlicher Nahrungsmittel und werden bei einer abwechslungsreichen, pflanzenbetonten Kost in größeren Mengen aufgenommen.
-
Diese vielfältige Substanzgruppe steht in einer symbiotischen Beziehung zur Darmmikrobiota und hat modulierende Eigenschaften auf die Darm-Gehirn-Achse.
-
Durch antientzündliche Effekte könnten sich Polyphenole positiv auf depressive Symptome auswirken.
Polyphenole: Pflanzeninhaltsstoffe mit multiplen physiologischen Effekten
Polyphenole zählen zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und sind neben Carotinoiden die häufigsten natürlichen Farbstoffe in Pflanzen. Sie verleihen vor allem dunklen Früchten wie Beeren, Obst und Gemüse, aber auch Getreide, Tee und Wein die überwiegend blauen, dunkelvioletten, purpurnen und roten Farben. Polyphenole finden sich aber auch in Gewürzen und können für eine intensive Gelbfärbung verantwortlich sein. In Tabelle 1 sind einige besonders polyphenolreiche Lebensmittel entsprechend den Lebensmittelkategorien dargestellt.

Tab 1: Elektiver Überblick über polyphenolhaltige Lebensmittel (nach Pérez-Jiménez et al. 2010)
Im humanen Organismus entfalten Polyphenole durch ihre antioxidativen, antiinflammatorischen und immunmodulierenden Eigenschaften vielfältige positive Wirkungen auf die Gesundheit. Es konnten mitunter positive Effekte von Polyphenolen auf die Prävention, den Verlauf und die Behandlung von kardiovaskulären, neurodegenerativen und neurologischen Entwicklungserkrankungen sowie Krebserkrankungen und psychiatrischen Krankheitsbildern beobachtet werden.
Mechanistisch werden diese Effekte einerseits auf eine Interaktion der Polyphenole auf zellulärer Ebene, die in weiterer Folge Enzymaktivitäten und Signalkaskaden beeinflussen, andererseits aber auch über die symbiotische Interaktion der Polyphenole mit der Darmmikrobiota erklärbar. Gerade bei Depressionen zeigen Polyphenole wesentliche Eigenschaften, die im Hinblick auf pathophysiologische Vorgänge bedeutsam sind: antientzündliche Effekte, Beeinflussung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(HPA)-Achse, Verminderung von oxidativem Stress und Interaktion mit Neurotransmittern.
Polyphenole reduzieren intestinale Inflammation, modulieren die Darmmikrobiota und können sogar die Blut-Hirn-Schranke passieren und so direkt zentrale Wirkung entfalten.
Eine pflanzenbasierte Ernährung, wie beispielsweise die mediterrane Kostform, ist besonders reich an Polyphenolen; dies stellt deshalb einen Erklärungsansatz für die positiven Effekte auf den Organismus und auf die Psyche dar.
Natürliche Polyphenole als Modulatoren der Mikrobiota-Darm-Gehirn-Achse
Im Wesentlichen sind zwei von der Mikrobiota gebildete Stoffwechselprodukte maßgeblich für deren systemische Wirkung: Einerseits werden durch eine diverse mikrobielle Darmbesiedlung für den Organismus wichtige kurzkettige Fettsäuren („short chain fatty acids“, SCFA) gebildet, die die Darmintegrität fördern und endokrine Regelmechanismen induzieren. Andererseits entstehen bei einer Imbalance der Darmbakterien – einer Dysbiose – vermehrt Lipopolysaccharide (LPS) als bakterielle Endotoxine, welche die Darm- und auch die Hirnbarriere beeinträchtigen und als Antigene das Immunsystem aktivieren. So stehen intestinale Entzündungen und Dysbiose in einem engen Zusammenhang. Die infolge der Dysbiose gebildeten Zytokine können die Blut-Hirn-Schranke passieren und als Entzündungsmediatoren Neuroinflammation im Gehirn auslösen. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung der HPA-Achse, was mit Ängstlichkeit und depressivem Verhalten in Verbindung gebracht werden konnte.
Die Interaktion von Darmbakterien mit Polyphenolen wirkt in zweierlei Hinsicht: Einerseits fungieren Polyphenole als sogenannte Präbiotika. Sie dienen der Mikrobiota als Nahrung, fördern so das Wachstum spezifischer Bakterien und tragen zu einer diversen Zusammensetzung der Mikrobiota bei. Andererseits werden die Polyphenole dabei fermentiert und metabolisiert. Dadurch werden sie für den menschlichen Organismus besser bioverfügbar und verwertbar. Durch diese Biotransformation entfalten Polyphenole auch ein erweitertes Wirkspektrum hinsichtlich kognitiver Resilienz, Ängstlichkeit und Depressionen. Dabei kommt es auf ein komplexes Wechselspiel bestimmter Bakterien- und Polyphenol-Kombinationen an.
Neuroinflammation – Depression – Polyphenole
Mit der durch Dysbiose assoziierten erhöhten Permeabilität des Darms („leaky gut“) und der damit einhergehenden Aktivierung des Immunsystems wird auch eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke in Verbindung gebracht („leaky brain“), wodurch vermehrt Zytokine und Chemokine das zentrale Nervensystem infiltrieren und Neuroinflammation induzieren können, die mit drei zentralen Aspekten der Depression assoziiert ist: einem Serotoninmangel im Gehirn, der Dysregulation der HPA-Achse und der Beeinträchtigung der hippocampalen Neurogenese.
Polyphenole und deren Metaboliten haben neben ihrer Rolle in der Modulierung der Darmmikrobiota und der direkten Verminderung inflammatorischer Zustände auch eine Wirkung auf die Serotonin-Vorstufe Tryptophan, indem sie den Tryptophan-Kynurenin-Stoffwechsel beeinflussen.
Ergebnisse von In-vivo-Daten
Klinische Studien am Menschen zur Wirkung der Polyphenole auf Symptome der Depression sind leider noch rar. Einige Hinweise auf die modulierenden Eigenschaften der Polyphenole in vivo liegen aber aus Tiermodellen vor. In Ratten konnte eine positive Wirkung von Reservatrol und Curcumin auf depressive Symptome bedingt durch das Reizdarmsyndrom (IBS) gezeigt werden, indem die Serotoninsignale im Hippocampus und im Darm der IBS-Ratten durch diese Substanzen moduliert wurden.
Eine andere Studie zeigte protektive Effekte eines polyphenolreichen Estragonextrakts auf stressbedingte Depressionen bei Ratten, indem periphere Entzündungen reduziert wurden und die synaptische Plastizität des Nucleus accumbens erhalten werden konnte.
Weiters konnten antidepressive und angstreduzierende Effekte von polyphenolreichem Aroniasaft bei Ratten beobachtet werden. Als potenzieller Mechanismus dieses Effekts wird die Inhibierung der Monoaminooxidasen (MAO-A und MAO-B) durch die phenolischen Inhaltsstoffe des Aroniasafts postuliert. Daher kann es unter anderem zu einer erhöhten Verfügbarkeit des wichtigen Neurotransmitters Serotonin kommen.
Travica et al. kamen in ihrem Review zur Wirkung von Polyphenolen der Heidelbeere auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Stimmung in klinischen Humanstudien zum Schluss, dass Heidelbeeren möglicherweise zu einer Verbesserung der kognitiven Leistung beitragen können. Aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns der verglichenen Studien ist aber eine pauschale Aussage dazu nicht möglich.
Polyphenole als Modulatoren der Adipozytenbiologie
Adipositas ist infolge der erhöhten Körperfettakkumulation mit chronischen latenten Inflammationen assoziiert, die wiederum negative Effekte im Sinne einer depressiven Stimmung haben können („Inflamed mind“-Hypothese“).
Polyphenole wirken im Adipozytennukleus auf Transkriptionsfaktoren und können zu einer Reduktion der Ausdifferenzierung von Adipozyten sowie einer gesteigerten Beta-Oxidation von Fettsäuren führen. Somit spielen Polyphenole eine wesentliche Rolle in der Aktivität der Fettzellen und ihrer Fettspeicherfähigkeit. Folglich könnte sich eine Unterversorgung mit Polyphenolen ungünstig auf die Entstehung von Adipositas auswirken und in weiterer Folge Entzündungen und Depressionen begünstigen.
Ausblick: Polyphenole – natürliche Nahrungsbestandteile mit dem Potenzial zur Behandlung von Depressionen?
Die Wirkung der Polyphenole auf die Psyche ist durch verschiedene Eigenschaften dieser vielfältigen Substanzklasse begründet und besteht primär aus der modulierenden Funktion in Bezug auf die Darm-Hirn-Achse: Polyphenole fungieren als Präbiotika und fördern dadurch eine diverse Mikrobiota. Sie wirken sich damit positiv auf systemische und zentrale Entzündungsherde aus, die ursächlich an der Entstehung von Depressionen beteiligt sein können. Zudem wirken Polyphenole antioxidativ, regulieren die Differenzierung von Immunzellen und haben Einfluss auf die Adipozytenbiologie.
Um mögliche therapeutische Effekte ableiten zu können, bedarf es weitergehender Forschung im Rahmen von klinischen Humanstudien, da aktuell eindeutige Ergebnisse dazu noch ausständig sind. Insgesamt betrachtet wird vermutet, dass es auf das komplexe Wechselspiel bestimmter Bakterien- und Polyphenol-Kombinationen ankommt und daher große interpersonelle Variationen in der Wirkung der Polyphenole wahrscheinlich sind.
Autorin:
MMag. Dr. Sonja Lackner
Otto-Loewi-Forschungszentrum
Lehrstuhl für Immunologie und Pathophysiologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: sonja.lackner@medunigraz.at
Literatur:
bei der Verfasserin