
Wenn sich der Hustenreiz selbstständig macht
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Chronischer refraktärer Husten stellt sowohl für Betroffene als auch Behandler ein erhebliches Problem dar. Zwar wird die Pathophysiologie des krankhaften Hustenreizes immer besser verstanden, doch sind die therapeutischen Optionen begrenzt. Die Situation wird zusätzlich durch die hohen Ansprechraten in den Placebogruppen der klinischen Studien erschwert.
Chronischer Husten wurde erst 2019 durch die Veröffentlichung der ersten ERS-Leitlinie zu diesem Thema als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Für sein Management wurde bereits 2016 ein einfacher Algorithmus in vier Schritten vorgeschlagen1:
Schliesse erkennbare Gründe für den Husten aus. Diese Gründe können von der Einnahme eines ACE-Inhibitors bis zu Lungenkrebs reichen.
Suche und behandle verbreitete Trigger wie Asthma oder Refluxösophagitis.
Stelle sicher, dass keine seltenen Trigger übersehen wurden.
Kontrolliere oder unterdrücke den Husten.
Das klingt einfacher, als es in der klinischen Realität ist. Denn die therapeutischen Optionen beim chronischen Husten sind nach wie vor sehr überschaubar, wie Prof. Dr. Jaclyn Smith von der University of Manchester ausführt. In der 2019 publizierten ERS-Leitlinie tragen die meisten Empfehlungen den Disclaimer „conditional recommendation, very low quality evidence“. Wirksamkeit beim chronischen, refraktären Husten konnte zwar, so Smith, etwa für niedrig dosiertes Morphium und Gabapentin gezeigt werden, doch sind diese Substanzen wegen ihres Nebenwirkungsprofils und wegen der Gefahr von Missbrauch keineswegs ideale Optionen.
Ein Blick auf die Pathophysiologie des chronischen Hustens kann den Weg zu neuen Therapien weisen. In den allermeisten Fällen hat chronischer Husten seine Ursache in einer Hypersensitivität der Atemwege gegenüber unterschiedlichen chemischen oder physikalischen Stimuli. Diese werden über den Nervus vagus an das Gehirn weitergeleitet, so Smith. Wird der Stimulus stark genug, kommt es zu Husten. Zunehmend besser verstanden wurde in den letzten Jahren die Rolle absteigender Hemmung, die diesen Mechanismus beim Gesunden unter Kontrolle hält. Konditionierung und Lernen spielen dabei eine wichtige Rolle. Neue Therapien, die die Aktivierung der Nerven in den Atemwegen reduzieren, könnten hilfreich sein. Potenzielle Ziele sind die Signalübertragung sowohl im Vagus als auch im Gehirn.
P2X3-Rezeptor-Antagonisten
Hier kommt der fast ausschliesslich auf sensorischen Neuronen in den Atemwegen exprimierte ATP-gesteuerte Ionenkanal P2X3, auch P2X3-Rezeptor genannt, ins Spiel. Strukturell hat der P2X3-Rezeptor eine grosse Ähnlichkeit mit nicotinischen Acetylcholin- und Glutamatrezeptoren. Antagonisten am P2X3-Rezeptor werden gegenwärtig in klinischen Studien untersucht. Smith: „Wir nehmen an, dass die P2X3-Antagonisten die Aktivierung vagaler Afferenzen in den Atemwegen blockieren.“ Erstmals in einem klinischen Setting bestätigt wurde diese Hypothese in einer Studie mit dem P2X3-Rezeptor-Antagonisten Gefapixant, der bei maximal verträglicher Dosis einen sehr deutlichen Effekt auf refraktären, chronischen Husten zeigte. Dies allerdings mit Geschmacksverlust als Nebenwirkung bei allen Patienten.2 Daher wurde in weiteren Studien die Dosis reduziert.
Die Phase II brachte vielversprechende Ergebnisse, wie zum Beispiel eine Reduktion der Hustenattacken in der Grössenordnung von 40 % mit 50 mg Gefapixant im Vergleich zu Placebo.3 Dabei betont Smith, dass man in der Studie auch einen überraschend grossen Effekt in der Placebogruppe gesehen habe. Geschmacksverlust trat auf, war jedoch bei Weitem nicht so häufig wie in der zuvor erwähnten Arbeit. Auf Basis dieser Daten wurden schliesslich die beiden doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studien COUGH-1 (NCT03449134) und COUGH-2 (NCT03449147) durchgeführt. In die Studien wurden mehr als 2000 Patientinnen (75% des Studienkollektivs waren Frauen) und Patienten mit einer Erkrankungsdauer von durchschnittlich elf Jahren und einem Cough Severity VAS Score ≥ 40 mm eingeschlossen. Das Studienkollektiv wurde in drei Gruppen randomisiert und mit Placebo, Gefapixant 15 mg BID oder Gefapixant 45 mg BID behandelt. Primäre Endpunkte waren die Hustenfrequenz über 24 Stunden nach 12 Wochen (COUGH-1) bzw. nach 24 Wochen (COUGH-2). In beiden Studien konnte für Gefapixant 45 mg im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion der Hustenfrequenz über 24 Stunden demonstriert werden.4 Smith betont jedoch, dass der Placeboeffekt in dieser Studie noch grösser war als in der Phase II. Dies könne daran liegen, dass der Vagus ein Teil des vegetativen Nervensystems ist und als solcher leicht durch psychische Faktoren beeinflusst werden kann. Endogene Opioide dürften dabei eine Rolle spielen. In der 15-mg-Dosis wurde unter diesen Gegebenheiten Signifikanz verfehlt.4
Aktuell werden auch P2X3-Rezeptor-Antagonisten der zweiten Generation in Studien untersucht. Smith nennt Eliapixant, Sivopixant und BLU-5937. Diese sollen beispielsweise durch höhere Rezeptorselektivität das Problem des nach wie vor häufig als Nebenwirkung beobachteten Geschmacksverlustes lösen.
Quelle:
ERS 2021, State of the Art Session „Airway Disease“ am 5. September 2021
1) Smith JA, Woodcock A: Chronic Cough. N Engl J Med 2016; 375(16): 1544-551
2) Abdulqawi R et al.: P2X3 receptor antagonist (AF-219) in refractory chronic cough: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 2 study. Lancet 2015; 385(9974): 1198-205
3) Smith JA et al.: Gefapixant, a P2X3 receptor antagonist, for the treatment of refractory or unexplained chronic cough: a randomised, double-blind, controlled, parallel-group, phase 2b trial. Lancet Respir Med 2020; 8(8): 775-85
4) McGarvey L et al.: Two phase 3 randomized clinical trials of Gefapixant, a P2X3 receptor antagonist, in refractory or unexplained chronic cough (COUGH-1and COUGH-2). ERS 2021; Late Breaking Abstract #3800