<p class="article-intro">Rekonstruktionen im Kopf-Hals-Bereich stellen eine besondere Herausforderung im Hinblick auf den Erhalt anatomisch-funktioneller und ästhetischer Einheiten dar und sollten von erfahrenen Chirurgen durchgeführt werden. Die Komponenten der Rekonstruktion betreffen neben Haut und Weichteilen auch struktur- und formgebende Komponenten wie Knorpel und Knochen.</p>
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<p class="article-content"><p>Wesentliche Bestandteile der plastisch-chirurgischen Therapie betreffen das Integumentum des Kopf-Hals-Bereichs: die Exzision maligner und prämaligner Tumoren, die chirurgische Behandlung benigner Neoplasien sowie angeborener und erworbener Fehlbildungen der Haut im Bereich der ästhetischen Zonen des Gesichtes. Zusätzlich machen radiogene Schäden und damit assoziierte osteokutane Fisteln sowie posttraumatische Defekte komplexe plastisch-chirurgische Rekonstruktionsverfahren erforderlich. Hier sind die Kunst und die Expertise des Chirurgen nötig, die bestmögliche Art der Defektdeckung zu wählen, um die entsprechende ästhetische Einheit sowie die Funktionen zu erhalten.<br /> Vor allem im Gesichtsbereich ist ein optimales funktionelles Ergebnis und der Erhalt der ästhetischen Integrität der verschiedenen ästhetischen Oberflächenkomponenten ausschlaggebend, weil das Gesicht unweigerlich gegenüber der Umwelt exponiert ist und ein schlechtes ästhetisches wie auch ungenügendes funktionelles Ergebnis zu einer großen Belastung für die Patienten und zu sozialer Isolation führen kann.<br /> Im folgenden Artikel beschreiben wir deshalb Möglichkeiten der Rekonstruktion von Haut- und Weichteildefekten in ästhetisch und funktionell problematischen Regionen des Kopf-Hals-Bereiches.</p> <h2>Rekonstruktives Management</h2> <p>Zu den anatomischen Subregionen des Kopfbereiches zählen das Kapillitium, die Stirn, die Schläfen, die Lider und Augenbrauen, die Nase, die Wangen, die Lippen, das Kinn, die Ohren sowie das Integumentum des Halses. Eine genaue Kenntnis der anatomischen Gegebenheiten und der topografischen Beziehungen von Blutgefäßen, mimischer Muskulatur und Nervenbahnen ist in der Rekonstruktion dieser Bereiche unerlässlich. <br /> Eine detaillierte Kenntnis der Gefäßanatomie des Gesicht-Hals-Bereichs ist hier von besonderer Bedeutung. Nach der Blutversorgung können fünf verschiedene Lappenarten im Gesichtsbereich kategorisiert werden: „random pattern“ und axiale Lappenplastik, fazio- und myokutane Lappenplastik sowie „Composite“-Lappenplastik. Die Möglichkeiten der Rekonstruktion sind vielfältig und bestehen neben Spalt- und Vollhauttransplantaten vor allem aus regionalen und Fernlappenplastiken, wobei das Konzept für die Wiederherstellung auch bei größeren Defektarealen dem Prinzip der rekonstruktiven Leiter entsprechen soll. Für kleinere bis mittelgroße Defekte im Gesicht-Hals-Bereich ist als chirurgische Maßnahme die lokale Lappenplastik mit Gefäßversorgung über den subdermalen Plexus die Methode der Wahl. Der Einsatz mikrochirurgischer Verfahren sowohl für gestielte auch als für freie Lappenplastiken ist vor allem bei komplizierten Defektdeckungen unerlässlich. <br /> Für den Chirurgen ist es zudem essenziell, die ästhetischen Zonen in das rekonstruktive Management miteinzubeziehen, da die Haut der jeweiligen ästhetischen Einheiten in Bezug auf Farbe, Textur, Dicke und Verschieblichkeit einheitlich ist. Das Gesicht ist als besonders sensible ästhetische Einheit zu sehen, weshalb das Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu ersetzen, von grundlegender Wichtigkeit für das Gewährleisten eines ansprechenden Outcomes ist. Problemzonen für Rekonstruktionen im Gesichtsbereich sind vor allem Lider, Augenwinkel. Lippen, Nasenflügel und damit zusammenhängend die Nasoalar- und Nasolabialfalten, aber auch die Augenbrauen und das Ohr. Hier sind eine akkurate präoperative Evaluierung des zu erwartenden Defekts und eine intensive Planung der Defektdeckung von äußerster Wichtigkeit.</p> <h2>Präoperative Planung</h2> <p>Für die präoperative Planung ist es zunächst hilfreich, eine allgemeine Konturanalyse des Gesichtsbereiches durchzuführen. Anschließend erfolgen die Evaluierung der anatomisch-funktionellen Einheit des zu rekonstruierenden Areals und die detaillierte Planung der voraussichtlichen Größe und Lage des Defektes. Zusätzlich sind die Untersuchung der individuellen anatomischen Gegebenheiten sowie die Bewertung der Hauttextur und des vorherrschenden Hautreservoirs beim Patienten sehr wichtig. Als Besonderheit im Gesicht-Hals-Bereich stehen „wrinkle lines“, also die Faltenlinien, die senkrecht zur mimischen Muskulatur laufen, als Hautreservoir für lokoregionale Lappenplastiken zur Verfügung. Die Planung der Schnittführung inkludiert das Positionieren der Operationsnaht parallel zu einer Hautspannungslinie. Die Platzierung der Inzisionslinien an der Grenze von definierten anatomischen Untereinheiten des Gesichts gewährleistet zusätzlich eine Minimierung von sichtbaren Narben. Fehler in Logistik, Design, Gewebebeurteilung und Spannungsevaluation wie auch in der chirurgischen Imagination führen zu Misserfolgen in der Rekonstruktion.</p> <h2>Ziel der Rekonstruktion</h2> <p>Oberstes Ziel in der Rekonstruktion ist die Gewährleistung des Funktionserhalts oder der Funktionswiederherstellung der zu rekonstruierenden Region. Zusätzlich ist bei der Durchführung der Rekonstruktion auf die Sicherung der Funktion der angrenzenden ästhetischen und funktionellen Untereinheit zu achten. Veränderungen im Bereich benachbarter Areale durch Spannung und Zug kann deren Form und/oder Kontur verändern und hat eine Beeinträchtigung der jeweiligen Funktion zur Folge. Deshalb ist es besonders wichtig, auf den Erhalt von Form und Kontur des Rekonstruktionsbereichs, aber auch der angrenzenden ästhetisch-funktionellen Einheiten zu achten. Hier ist es von Bedeutung, ein rekonstruktives Verfahren zu wählen, das Stabilität und Spannungsfreiheit gewährleistet, um ein optimales ästhetisch-funktionelles Ergebnis zu erzielen. Im Folgenden werden Möglichkeiten für komplexe Rekonstruktionen von ästhetisch-funktionell problematischen Untereinheiten der Haut-Weichteil-Komponenten des Kopf-Hals-Bereichs mit gutem funktionell-ästhetischem Outcome präsentiert.</p> <h2>Fallbeispiele</h2> <h2>Beispiel 1: Fricke-Lappen zur Unterlidrekonstruktion</h2> <p>Der modifizierte Fricke-Lappen stellt eine Option zur Unterlidrekonstruktion bei inkompletter und kompletter Resektion des Unterlids mit sehr gutem funktionellem und ästhetischem Ergebnis dar. Wir bevorzugen eine Tunnelierung des Lappens im Bereich seines Ursprungs, um ein Aufwerfen der Lappenplastik im Bereich seines Drehpunktes zu verhindern. Die Abbildung 1 zeigt die intraoperative Tunnelierung des Lappens und das Ergebnis unmittelbar postoperativ.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s64_1.jpg" alt="" width="1405" height="1006" /></p> <h2>Beispiel 2: Mosaiklappen zur Rekon­struktion der Nasoalarfurche</h2> <p>Der Mosaiklappen ist eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Defektdeckung von kleinen Defekten im mittleren Bereich des Nasenflügels. Durch dieses Vorgehen ist das Erhalten der Nasoalarfurche gegeben, wodurch ein hervorragendes kosmetisches Ergebnis erzielt werden kann. Die Abbildung 2 zeigt das Ergebnis unmittelbar postoperativ, sowie das Ergebnis 3 Wochen postoperativ.</p> <h2>Beispiel 3: temporoparietaler Faszienlappen zur Ohrrekonstruktion</h2> <p>Aufgrund seiner anatomischen Nahebeziehung zum Ohr ist der temporoparietale Faszienlappen eine hervorragende Möglichkeit zur Defektdeckung im Bereich der Ohrkontur. Mit dieser Methode kann die Ohrkontur auch bei größeren Defekten erhalten werden. Zusätzlich bleibt das Ohr in seiner ursprünglichen Größe bestehen, was z.B. bei Keilresektionen nicht gegeben ist. Allerdings muss der Faszienlappen mittels Spalthauttransplantat gedeckt werden, wodurch ein zusätzlicher Wunddefekt verursacht wird (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s64_2.jpg" alt="" width="1405" height="2004" /></p> <h2>Beispiel 4: lateraler Oberarmlappen zur submentalen Rekonstruktion</h2> <p>Der laterale Oberarmlappen spielt aufgrund seiner Zuverlässigkeit und dadurch, dass er einfach gehoben werden kann, eine bedeutende Rolle in der Rekonstruktion größerer Defekte. Als freier Lappen wird er deshalb in verschiedenen Arealen zur Defektdeckung genutzt. Auch im Kopf-Hals-Bereich kann der freie Lappen zur zuverlässigen Defektdeckung herangezogen werden. Im nachfolgend präsentierten Fall wurde der laterale Oberarmlappen für die Rekonstruktion eines submentalen radiogenen Defekts herangezogen (Abb. 4).</p> <h2>Beispiel 5: gestielte A.-temporalis-Composite-Lappenplastik zur Rekon­struktion der behaarten Augenbraue</h2> <p>Eine ideale Methode zur Rekonstruktion der Augenbraue ist die gestielte A.-temporalis-Composite-Lappenplastik. Hier werden die temporoparietale Faszie inklusive der A. temporalis und die entsprechende Haarkleidinsel als Ganzes gehoben. Notwendig ist eine epiperiostale Tunnelierung zur Augenbrauenregion, um die Haarkleidinsel in der Augenbrauenregion korrekt zu positionieren. Diese Methode hat sich aufgrund der Zuverlässigkeit der Lappenplastik und des ausgezeichneten ästhetischen Outcomes bewährt (Abb. 5).</p> <h2>Conclusio</h2> <p>Im Bereich des Kopfes und Halses stehen verschiedene Möglichkeiten für die Rekonstruktion zur Verfügung, wobei das Verfahren so zu wählen ist, dass in erster Linie die Funktionsfähigkeit des zu rekonstruierenden Areals erhalten bleibt oder wiederhergestellt wird. Hierfür ist es unabdingbar, dass der Chirurg aus dem gesamten Spektrum an operativen Möglichkeiten schöpfen kann. In der rekonstruktiven Chirurgie des Kopf-Hals-Bereiches geht es nicht darum, einen Defekt lediglich zu verschließen, sondern auf Grundlage plastisch-chirurgischer Erkenntnisse auch ein optimales funktionelles und ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu erzielen.</p></p>