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Tranexamsäure – Goldstandard auch in der Schulterendoprothetik

<p class="article-intro">Die perioperative Verabreichung von Tranexamsäure zur Reduktion des Blutverlustes, der Gabe von Blutkonserven, postoperativer Schmerzen sowie von Hämatomen im Zuge orthopädischer Operationen, allen voran in der Knie- und Hüftendoprothetik, hat sich mittlerweile als Standard etabliert. Neuere Daten belegen selbige positive Effekte auch für die prothetische Versorgung des Schultergelenks, sodass die Gabe von Tranexamsäure heute ebenfalls als Goldstandard in der Schulterendoprothetik angesehen werden sollte.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Gabe von Tranexams&auml;ure reduziert den Blutverlust im Zuge von Schulterprothesenimplantationen.</li> <li>Durch die Verabreichung von Tranexams&auml;ure kann weiters die Anzahl notwendiger postoperativer Erythrozytengaben verringert werden.</li> <li>&Uuml;berdies kann durch die Gabe von Tranexams&auml;ure ein vermindertes Auftreten von postoperativen H&auml;matomen sowie Schmerzen erreicht werden.</li> <li>Eine Dosierung von 1&ndash;2g Tranexams&auml;ure perioperativ hat sich in der Schulterendoprothetik als effektiv und komplikationsarm erwiesen.</li> </ul> </div> <p>Anatomische und inverse Schulterendoprothesen haben sich als &auml;u&szlig;erst erfolgreich in der Behandlung von verschiedensten Schulterpathologien erwiesen.<sup>1&ndash;3</sup> Die ad&auml;quate Kontrolle des perioperativen Blutverlustes inklusive seiner Folgen ist auch in der Schulterendoprothetik ein wichtiger Faktor f&uuml;r ein entsprechend erfolgreiches Resultat. Da die Anzahl der implantierten Schulterprothesen &uuml;ber die letzten Jahrzehnte massiv angestiegen ist und voraussichtlich auch in den n&auml;chsten Jahren weiter steigen wird,<sup>4, 5</sup> ist eine Optimierung der Strategien zur Reduktion des perioperativen Blutverlustes und potenzieller Erythrozytenkonzentratgaben ein Ansatzpunkt f&uuml;r weitere Verbesserungen.<sup>6</sup><br /> Die Gabe von allogenen Blutprodukten ist assoziiert mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r postoperative Infektionen, verl&auml;ngerten Krankenhausaufenthalt und erh&ouml;hter Mortalit&auml;t.<sup>7, 8</sup> Die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r die Notwendigkeit von postoperativen Bluttransfusionen scheint im Vergleich zur Knie- und H&uuml;ftendoprothetik zwar geringer, kommt im klinischen Alltag aber nichtsdestotrotz des &Ouml;fteren vor.<sup>9, 10</sup> Blutverlust bzw. die Notwendigkeit der Gabe von Erythrozytenkonzentraten stellte sich sogar als die bei Weitem h&auml;ufigste unerw&uuml;nschte Nebenwirkung in der Schulterendoprothetik heraus.<sup>11</sup> Die Rate an postoperativen Bluttransfusionen nach Implantation von Schulterprothesen wird in der aktuelleren Literatur mit modernen, restriktiveren Transfusionsrichtlinien im Bereich zwischen 4,5 % und 11,3 % angegeben.<sup>11&ndash;13</sup> Diese Raten sind durchaus vergleichbar mit den Transfusionsraten in der H&uuml;ft- bzw. Knieendoprothetik.<sup>14&ndash;16</sup> Dabei sind viele der identifizierten Risikofaktoren f&uuml;r die Notwendigkeit von Blutproduktgaben wie Alter, Geschlecht, Art der Degeneration und Komorbidit&auml;ten nicht modifizierbar.<sup>12, 13</sup><br /> Bereits seit L&auml;ngerem wird Tranexams&auml;ure in der orthop&auml;dischen Chirurgie erfolgreich zur Verringerung des Blutverlustes eingesetzt.<sup>17, 18</sup> Im Gegensatz zur H&uuml;ft- und Kniechirurgie ist die Verwendung von Tranexams&auml;ure in der Schulterendoprothetik jedoch noch nicht weitl&auml;ufiger Standard. Tranexams&auml;ure ist ein synthetisches Antifibrinolytikum, welches die Konversion von Plasminogen zu Plasmin durch kompetitive Blockade einer Lysin-Bindungsstelle an Fibrin und Fibrinogen verhindert.<sup>19</sup> Dadurch kommt es letztlich zu einer reduzierten Fibrinolyse und Stabilisierung physiologischer Thromben.<sup>20</sup> Dabei zeigte sich durchwegs kein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r thromboembolische Komplikationen.<sup>21, 22</sup><br /> Nachdem die positive Wirkung von Tranexams&auml;ure f&uuml;r Operationen des Knies, der H&uuml;fte und der Wirbels&auml;ule gezeigt werden konnte,<sup>17, 21, 22</sup> mehren sich nun auch die positiven Berichte &uuml;ber die Anwendung von Tranexams&auml;ure in der Schulterendoprothetik.<sup>23&ndash;28</sup></p> <h2>Datenlage</h2> <p>Die Literatur zur Verwendung von Tranexams&auml;ure in der Schulterendoprothetik ist derzeit noch relativ &uuml;berschaubar (Tab. 1). Abildgaard et al.<sup>23</sup> fanden in einer Studie in 171 Schulterendoprothesen, dass die Gabe von 1g Tranexams&auml;ure intraven&ouml;s den gesamten Blutverlust um 18 % bei anatomischen und um 25 % bei inversen Schulterprothesen verringerte. Friedman et al.<sup>24</sup> berichteten retrospektiv von 106 Schulterendoprothesen, wobei es durch die Gabe von Tranexams&auml;ure zu vermindertem Blutverlust gemessen an den Ver&auml;nderungen von H&auml;moglobin und H&auml;matokrit kam. Vara et al.<sup>27</sup> untersuchten 102 Patienten, die sich im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie einer inversen Schulterprothesenimplantation unterzogen, und fanden einen deutlich reduzierten Blutverlust in der Tranexams&auml;ure- Gruppe. Kim et al.<sup>26</sup> analysierten 48 Patienten nach inversen Schulterendoprothesen in einer retrospektiven Untersuchung und fanden ebenfalls eine Reduktion des Blutverlustes bei Patienten, welche Tranexams&auml;ure erhalten hatten. In einer weiteren randomisiert-kontrollierten Studie von Gillespie et al.<sup>25</sup> zeigte sich die positive Wirkung von Tranexams&auml;ure auch f&uuml;r die topische Gabe. Bei 111 Patienten berichten die Autoren &uuml;ber positive Ergebnisse, wobei diese im Vergleich nicht g&auml;nzlich an die Wirksamkeit der intraven&ouml;sen Gabe heranzukommen scheinen. Dennoch ergaben sich ein verminderter postoperativer Blutverlust und eine geringere Reduktion von H&auml;moglobin und H&auml;matokrit. Insgesamt ergeben sich aus der Literatur eine Verminderung des Blutverlustes von durchschnittlich ca. 250ml sowie eine Verringerung des Risikos f&uuml;r die Notwendigkeit einer Bluttransfusion um zwei Drittel.<sup>23&ndash;27</sup><br /> Im Rahmen einer eigenen randomisiert- kontrollierten Studie ergab sich durch die Gabe von jeweils 1g Tranexams&auml;ure i.v. beim Hautschnitt sowie beim Wundverschluss eine deutliche Reduktion des Blutverlustes. Im Detail kam es dabei zu einer Reduktion des postoperativen Blutverlustes von 170ml auf 50ml sowie einer Verringerung des berechneten gesamten Blutverlustes von 1248ml auf 871ml. Transfusionen waren weder in der Interventions- noch in der Kontrollgruppe notwendig. Neben dem reinen Fokus auf den perioperativen Blutverlust untersuchten wir auch den Einfluss von Tranexams&auml;ure auf die Entstehung von postoperativen H&auml;matomen und damit verbundenen Schmerzen. Dabei zeigte sich, dass es in der Kontrollgruppe deutlich h&auml;ufiger zur Entstehung von klinisch relevanten H&auml;matomen kam, die den Patienten Schmerzen bereiteten. Die Reduktion der postoperativen H&auml;matomformation k&ouml;nnte theoretisch &uuml;berdies eine fr&uuml;he Mobilisierung beg&uuml;nstigen und dem erh&ouml;hten Infektionsrisiko durch H&auml;matome entgegenwirken. Im Zuge unserer Untersuchung erhielten unsere Patienten von der endoprothetischen Versorgung der Schulter bis zur Entlassung aus dem Spital eine medikament&ouml;se Prophylaxe gegen das Auftreten tiefer Venenthrombosen mit niedermolekularem Heparin. Da die Ergebnisse unserer Untersuchung mit den Resultaten anderer Studien vergleichbar waren, welche keine Thromboseprophylaxe verwendeten,<sup>23&ndash;26</sup> scheint die positive Wirkung von Tranexams&auml;ure in der Schulterendoprothetik nicht negativ durch die gleichzeitige Gabe von Enoxaparin beinflusst zu werden.<sup>28</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1806_Weblinks_jatros_ortho_1806_s19_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="1442" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Bisher hat sich in der Literatur noch kein einzelnes Verabreichungsregime f&uuml;r Tranexams&auml;ure im Rahmen der Endoprothetik durchgesetzt. Jedoch scheinen die in der Literatur bisher publizierten Protokolle zur Gabe von Tranexams&auml;ure in der Schulterendoprothetik, entsprechend der H&uuml;ft- und Kniechirurgie, allesamt positive Ergebnisse zu liefern, ohne dass sich durch ein spezifisches Protokoll ein erh&ouml;htes Komplikationsrisiko gezeigt h&auml;tte. Nichtsdestotrotz w&auml;ren weitere Studien w&uuml;nschenswert, die sich auf die Findung des optimalen Verabreichungsschemas konzentrieren.<br /> Weiters stehen noch Untersuchungen aus, die den Stellenwert der Tranexams&auml;uregabe im Rahmen der Revisions- bzw. Frakturendoprothetik evaluieren. Gerade in diesem Zusammenhang erscheint die Verwendung von Tranexams&auml;ure &auml;u&szlig;erst interessant und k&ouml;nnte in diesem komplexeren Rahmen potenziell noch ein Mehr an Nutzen bringen als in der Prim&auml;rendoprothetik.<br /> Ein weiterer vielversprechender Einsatzbereich f&uuml;r die Gabe von Tranexams&auml;ure ist in der Literatur ebenfalls noch unterrepr&auml;sentiert: Aufgrund des theoretisch erh&ouml;hten thromboembolischen Risikos wurden in der bisherigen Literatur Patienten, welche unter dauernder Antikoagulanzientherapie stehen, weitestgehend aus Studien ausgeschlossen. Allerdings k&ouml;nnten gerade diese Patienten im Vergleich zur prim&auml;ren Endoprothetik von den Effekten der Tranexams&auml;uregabe profitieren. Ob dies auch die thromboembolische Komplikationsrate erh&ouml;hen w&uuml;rde, ist jedoch unklar und ein Hindernis f&uuml;r die Durchf&uuml;hrung notwendiger Studien.<br /> Bei allen positiven Wirkungen von Tranexams&auml;ure darf nicht vergessen werden, dass es trotz generell guter Vertr&auml;glichkeit auch zu adversen Effekten kommen kann, welche bei stetig zunehmender Anwendung auch vermehrt beobachtet werden k&ouml;nnen. Selten, aber doch wurden unter anderem anaphylaktische Reaktionen, thromboembolische Komplikationen inklusive kardialer und zerebraler Infarkte sowie das Auftreten von Krampfanf&auml;llen nach Gabe von Tranexams&auml;ure berichtet.<sup>29</sup></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Tranexams&auml;ure verringert auch in der Schulterendoprothetik den perioperativen Blutverlust, die Anzahl an notwendigen Bluttransfusionen, das Auftreten von H&auml;matomen sowie die Schmerzen in den ersten postoperativen Tagen, ohne dabei das Risiko f&uuml;r thromboembolische Komplikationen wesentlich zu erh&ouml;hen. Deshalb sollte die Gabe von Tranexams&auml;ure heute in der Schulterendoprothetik als Goldstandard angesehen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Boileau P et al.: J Shoulder Elbow Surg 2009; 18: 600-6 <strong>2</strong> Cuff D et al.: J Bone Joint Surg 2008; 90-A: 1244-51 <strong>3</strong> Werner CM et al.: J Bone Joint Surg 2005; 87-A: 1476-86 <strong>4</strong> Day JS et al.: J Shoulder Elbow Surg 2010; 19(8): 1115-20 <strong>5</strong> Schairer W W et al.: J Shoulder Elbow Surg 2015; 24(1): 91-7 <strong>6</strong> Bolton-Maggs PH, Cohen H: Br J Haematol 2013; 163(3): 303-14 <strong>7</strong> Weber EW et al.: Anesth Analg 2005; 100(5): 1416-21, table of contents <strong>8</strong> Hart A et al.: J Bone Joint Surg Am 2014; 96(23): 1945-51 <strong>9</strong> Yoshihara H, Yoneoka D: J Arthroplasty 2014; 29: 1932-7 <strong>10</strong> Ponnusamy KE et al.: J Bone Joint Surg 2014; 96: 1836-44 <strong>11</strong> Ricchetti ET et al.: Clin Orthop Relat Res 2011; 469(4): 1042-9 <strong>12</strong> Kandil A et al.: Int J Shoulder Surg 2016; 10(2): 72-7 <strong>13</strong> Anthony CA et al.: Clin Orthop Relat Res 2015; 473(6): 2099-105 <strong>14</strong> Yoshihara H, Yoneoka D: J Arthroplasty 2014; 29(10): 1932-7 <strong>15</strong> Carling MS et al.: J Orthop Surg Res 2015; 10: 48 <strong>16</strong> Park JH et al.: J Bone Joint Surg Am 2013; 95(19): 1777-83 <strong>17</strong> Huang F et al.: J Surg Res 2014; 186(1): 318-27 <strong>18</strong> Ker K et al.: Cochrane Database Syst Rev 2013; 7: CD010562 <strong>19</strong> McCormack PL: Drugs 2012; 72(5): 585-617 <strong>20</strong> Dunn CJ, Goa KL: Drugs 1999; 57: 1005-32 <strong>21</strong> Sukeik M et al.: J Bone Joint Surg Br 2011; 93(1): 39-46 <strong>22</strong> Li ZJ et al.: Eur Spine J 2013; 22(9): 1950-7 <strong>23</strong> Abildgaard JT et al.: J Shoulder Elbow Surg 2016; 25(10): 1643-8 <strong>24</strong> Friedman RJ et al.: J Shoulder Elbow Surg 2016; 25(4): 614-8 <strong>25</strong> Gillespie R et al.: J Shoulder Elbow Surg 2015; 24(11): 1679-84 <strong>26</strong> Kim SH et al.: Biomed Res Int 2017; 2017: 9590803 <strong>27</strong> Vara AD et al.: J Shoulder Elbow Surg 2017; 26: 1383-9 <strong>28</strong> Pauzenberger L et al.: Bone Joint J 2017; 99-B(8): 1073-9 <strong>29</strong> Calapai G et al.: J Pharmacovigilance 2015; 3(4): 171</p> </div> </p>
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