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Tissue Engineering zur Knorpelregeneration
Leading Opinions
Autor:
M. Jakob
Orthopädie und Traumatologie, Universitätsspital Basel
Autor:
I. Martin
Department Biomedizin, Universität Basel
Autor:
Dr. med. Marcus Mumme
Orthopädie und Traumatologie, Universitätsspital Basel<br> E-Mail: marcus.mumme@usb.ch
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Trotz breiter Forschung im Bereich der Knorpeltherapie hat die klinische Entwicklung seit der Einführung der Knorpelzelltransplantation durch Brittberg<sup>1</sup> keine bahnbrechenden Fortschritte gemacht. Mit unserer «First-in-human»-Studie zur Regeneration von posttraumatischen Knorpelschäden im Kniegelenk mit gezüchtetem Nasenknorpel stellen wir einen neuen Weg vor, welcher helfen soll, die aktuellen Grenzen in der Zukunft zu überwinden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Verwendung von gezüchtetem Nasenknorpel ist machbar und sicher.</li> <li>Gezüchteter Nasenknorpel maturiert im Kniegelenk und nähert sich in der Zusammensetzung dem nativen hyalinen Knorpel an.</li> <li>Die Entwicklung steht noch am Anfang. Die Wirksamkeit ebenso wie eine mögliche Ausweitung der Indikation hin zu bisher nicht behandelbaren Knorpelverletzungen muss in weiteren Studien geprüft werden.</li> </ul> </div> <p>Verletzungen des Gelenkknorpels haben eine schlechte Regenerationsfähigkeit. Sie heilen fast nie selbstständig. Im Gegenteil, es kommt häufig zu einem Fortschreiten der Schädigung mit Zunahme von Schmerzen und Funktionsverlust. Das Behandlungsergebnis nach Standardtherapien mit Mikrofrakturierung oder Knorpelzelltransplantation («autologous chondrocyte transplantation», ACT) ist mitunter sehr variabel und kann nicht sicher vorhergesagt werden. Dies ist möglicherweise einer sehr variablen chondrogenen Kapazität der rekrutierten Knochenmarkszellen oder der transplantierten Chondrozyten geschuldet.<sup>2</sup> Chondrozyten vom Nasenseptum haben eine höhere und besser reproduzierbare Kapazität zur Generierung hyalinen Knorpelgewebes.<sup>3</sup> Sie besitzen die Plastizität, sich an eine Gelenksumgebung anzupassen.<sup>4, 5</sup> Die Resistenz gegenüber Entzündungseinflüssen ist höher.<sup>6</sup> Eine verbesserte Regeneration von Knorpelschäden und damit eine bessere Funktionsfähigkeit liegen daher nahe.</p> <h2>Klinische Translation ins Kniegelenk</h2> <p>In unserer «First-in-human»-Studie wurden die Machbarkeit und Sicherheit der Verwendung eines gezüchteten Nasenknorpelgewebes zur Regeneration von posttraumatischen fokalen Knorpeldefekten untersucht.<sup>7</sup> Es erfolgte eine Knorpelbiopsie von ca. 6mm aus dem Nasenknorpelseptum unter lokaler Betäubung. In einem Reinraum wurde diese Nasenknorpelprobe im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems und nach «Good manufacturing practice»-Leitlinien prozessiert. Die Zellen wurden extrahiert, vermehrt und in einer 3D-Kollagenmatrix (Chondro- Gide<sup>®</sup>) zu einem prämaturen Gewebe gezüchtet. Qualitätskontrollen, welche unter anderem eine Vitalität und chondrogene Differenzierung bei gleichzeitiger Abwesenheit einer bakteriellen Kontamination nachweisen, erfolgten vor Implantation in den Patienten.<br /> Unsere Studie zeigt die Machbarkeit, Sicherheit und präliminäre Wirksamkeit in der Behandlung von fokalen Knorpelschäden im Kniegelenk mit gezüchtetem Nasenknorpelgewebe. Im Vergleich zur Standardtherapie Knorpelzelltransplantation besteht die Innovation in:</p> <ol> <li>der Verwendung von Chondrozyten aus dem Nasenseptum, welche eine höhere und weniger spenderabhängige chondrogene Kapazität ausweisen,</li> <li>der Implantation eines gezüchteten Knorpelgewebes gegenüber undifferenzierten Zellen via eines Scaffolds.</li> </ol> <p>Effektiv wurde eine Gewebetherapie anstatt einer Zelltherapie getestet. Während der Zellzüchtung im Labor kommt es regelhaft zu einer Entdifferenzierung und die Zellen funktionieren nicht mehr als Chondrozyten, mitunter produzieren sie keine knorpelspezifischen Proteine mehr. Die Zellen werden entdifferenziert implantiert und eine Wiedererlangung dieser Funktionen lässt sich in vivo nicht kontrollieren. Im Rahmen der Gewebetherapie erfolgt die Wiedererlangung dieser Funktionen wie die Produktion knorpelspezifischer Proteine in vitro, sodass wir nachweislich differenzierte Zellen implantieren können. Die Möglichkeit der Entnahme einer Nasenknorpelbiopsie unter minimal invasiven Bedingungen im Gegensatz zur arthroskopischen Knorpelentnahme im Kniegelenk stellt einen zusätzlichen Vorteil dieser Therapie dar. Neben der Verbesserung von Schmerz und Funktion des Kniegelenks, gemessen durch Patientenfragebögen, konnte im semiquantitativen Kontrastmittel-MRI eine Reifung des Reparaturgewebes mit Annäherung an die Komposition von nativem hyalinem Knorpel gezeigt werden.</p> <h2>Zukunft des Knorpel-Tissue-Engineering</h2> <p>Weitere randomisierte Studien sind nötig, um die Wirksamkeit unseres Therapieansatzes mit konventionellen Standardtherapien zu vergleichen. Der Nachweis positiver Effekte auf die Reproduzierbarkeit und Dauerhaftigkeit des Reparaturgewebes könnte eine Therapie bei schwierigen Indikationen, für welche es bis heute keine zufriedenstellenden Therapieoptionen gibt, ermöglichen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s44_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="850" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Brittberg M et al: Treatment of deep cartilage defects in the knee with autologous chondrocyte transplantation. N Engl J Med 1994; 331(14): 889-95 <strong>2</strong> Niemeyer P et al: Influence of cell quality on clinical outcome after autologous chondrocyte implantation. Am J Sports Med 2012; 40(3): 556-61 <strong>3</strong> Kafienah W et al: Three-dimensional tissue engineering of hyaline cartilage: comparison of adult nasal and articular chondrocytes. Tissue Eng 2002; 8(5): 817-26 <strong>4</strong> Pelttari K et al: Adult human neural crest-derived cells for articular cartilage repair. Sci Transl Med 2014; 6: 251ra119 <strong>5</strong> Candrian C et al: Engineered cartilage generated by nasal chondrocytes is responsive to physical forces resembling joint loading. Arthritis Rheum 2008; 58: 197- 208 <strong>6</strong> Scotti C et al: Response of human engineered cartilage based on articular or nasal chondrocytes to interleukin- 1beta and low oxygen. Tissue Eng Part A 2012; 18: 362-72 <strong>7</strong> Mumme M et al: Nasal chondrocytes-based engineered autologous cartilage tissue for the repair of articular cartilage defects: an observational first-in-human trial. Lancet 2016; 388: 1985-94</p>
</div>
</p>