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Sattelfest und schmerzfrei

<p class="article-intro">Dass Fahrräder per se rückengerecht sind, ist ein Trugschluss. Denn kein Fahrrad ist per definitionem oder einzig aufgrund technischer Ausgestaltung rückenfreundlich, sondern erst durch die individuelle Anpassung. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das Verst&auml;ndnis von r&uuml;ckengerechter Ergonomie am Fahrrad hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. W&auml;hrend bis vor Kurzem Vollfederung und geringes Gewicht im Vordergrund standen, r&uuml;ckt nun der individuelle Radfahrer in den Blickpunkt. &laquo;Die Fahrradtechnik ist ausgereift&raquo;, erkl&auml;rt Detlef Detjen, Gesch&auml;ftsf&uuml;hrer der Aktion Gesunder R&uuml;cken (AGR) e. V. &laquo;F&uuml;r schmerzfreies Radfahren sind heute die richtige Auswahl und die individuelle Justage des Rades entscheidend. Es geht darum, mit Blick auf Ergonomie und R&uuml;cken f&uuml;r die individuellen St&auml;rken und Schw&auml;chen des Radfahrers eine technische Entsprechung zu finden und passgenau einzustellen.&raquo;</p> <p>Dies ist ein entscheidender Perspektivwechsel: Die Kompetenz f&uuml;r schmerzfreies Radfahren verschiebt sich vom Radhersteller zum Radh&auml;ndler. Im Radsport ist die individuelle Anpassung des Rades (&laquo;Bike fitting&raquo;) seit Langem etabliert. Beschwerdefreies Radfahren sollte aber auch f&uuml;r Freizeit- und Hobbyradfahrer m&ouml;glich sein, und daf&uuml;r lassen sich Erkenntnisse aus dem Radsport adaptieren. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite30.jpg" alt="" width="499" height="524" /></p> <h2>Wohin mit der Wirbels&auml;ule?</h2> <p>Lange galt eine maximal aufrechte R&uuml;ckenhaltung mit S-Form der Wirbels&auml;ule als Ideal, wie sie am Hollandrad zu sehen ist. Diese Haltung verlangt aber fast zwangsl&auml;ufig nach einer Vollfederung, um die Belastungsspitzen durch Schlagl&ouml;cher f&uuml;r den R&uuml;cken zu reduzieren. Sitzt der Radfahrer jedoch leicht nach vorne gebeugt, bekommt die R&uuml;ckenmuskulatur eine Vorspannung, die wichtige St&uuml;tzarbeit &uuml;bernimmt und dadurch viel Komfort schafft. <br />Was r&uuml;ckengerechte Technik ist, entscheidet nicht allein der Radhersteller, sondern auch die individuelle (R&uuml;cken-)Konstitution. Die generelle Aussage, &laquo;dieses Fahrrad ist r&uuml;ckengerecht&raquo;, ist kaum mehr haltbar. Deshalb zertifiziert die AGR gegenw&auml;rtig keine Fahrr&auml;der mehr. Vielmehr soll der kompetente H&auml;ndler das f&uuml;r den jeweiligen Kunden individuell r&uuml;ckengerechte Fahrrad ausw&auml;hlen und anschliessend passend einstellen bzw. um geeignetere Komponenten erg&auml;nzen.</p> <p>&laquo;Die perfekte Ergonomie des Fahrrades kann auch nicht losgel&ouml;st von fahrdynamischen Aspekten gesehen werden&raquo;, betont Fahrradexperte Gunnar Fehlau von &laquo;pressedienst-fahrrad&raquo;. &laquo;Was n&uuml;tzt ein perfekt passendes Rad, das sich nicht gut steuern l&auml;sst? Nur ein kompetenter H&auml;ndler kann die wechselseitige Abh&auml;ngigkeit von ergonomischer Positionierung und Fahrverhalten/-dynamik &uuml;berblicken und bei Konflikten auf eine Balance hinarbeiten&raquo;, erkl&auml;rt Fehlau.</p> <h2>Besser ohne L&ouml;cher</h2> <p>W&auml;hrend angesichts der ergonomischen Anpassungsvielfalt die Grundgestaltung des &laquo;Basisrades&raquo; eine gewisse Beliebigkeit erf&auml;hrt, bleibt der Sattel im Mittelpunkt der Betrachtung. Das hat laut Detlef Detjen einen schlichten Grund: &laquo;An keinem anderen Kontaktpunkt zum Rad gibt es mehr Probleme als beim Sattel, und Fahrradhersteller haben das Dilemma, einen Sattel mit dem Fahrrad liefern zu m&uuml;ssen, ohne exakt zu wissen, wer eigentlich auf dem Rad sitzen wird.&raquo; Als Konsequenz werden meist vergleichsweise g&uuml;nstige S&auml;ttel montiert, was das Problem versch&auml;rft.</p> <p>Wie einfach sich der richtige Sattel f&uuml;rs Fahrrad finden l&auml;sst, zeigt der italienische Hersteller Selle Royal. Dieser hat zusammen mit der Deutschen Sporthochschule K&ouml;ln f&uuml;r die Sattelserie &laquo;Scientia&raquo; ein Messsystem entwickelt, das speziell auf Alltagsradler abgestimmt ist. Es funktioniert zweistufig. Im ersten Schritt wird die Sitzknochenbreite durch Sitzen auf einem speziellen Hocker mit Gelkissen bestimmt. Im zweiten Schritt stuft man die eigene Haltung auf dem Rad ein (&laquo;relaxed&raquo;, &laquo;moderate&raquo; oder &laquo;athletic&raquo;). Aus drei Kategorien f&uuml;r die Sitzknochenbreite und den drei verschiedenen Sitzpositionen ergeben sich neun Konstellationen, f&uuml;r die es je einen passenden Sattel gibt. Unterschiedliche Modelle f&uuml;r Damen und Herren sucht man vergeblich, ebenso wie S&auml;ttel mit L&ouml;chern oder &auml;hnlichen Aussparungen. &laquo;Unsere Forschungen haben ergeben, dass die Unterschiede der Geschlechter nur bei sehr sportlichen und damit flachen Haltungen auf dem Rad relevant sind&raquo;, erkl&auml;rt Monica Savio von Selle Royal. Auch L&ouml;cher haben sich in Tests eher als schmerzf&ouml;rderlich erwiesen. &laquo;Freilich reduziert sich der Druck an der Aussparung, daf&uuml;r erh&ouml;ht er sich auf dem restlichen Sattel und die Kanten sind besonders kritisch&raquo;, so Savio.</p> <p>Die AGR empfiehlt, sich in einem guten Fachgesch&auml;ft im Rahmen des sogenannten &laquo;Bike fitting&raquo; ein Fahrrad zusammenstellen zu lassen, das die individuellen Anforderungen ber&uuml;cksichtigt. <em>(red)</em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung AGR, 13. April 2016 </p>
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