Röntgenstrahlenfreie Knochenbildgebung mittels MRT

<p class="article-intro">Heutzutage wird für die genaue Abbildung des Skeletts in der Regel ionisierende Strahlung in Form von Röntgenbildern und Computertomografie (CT) verwendet, da der Knochenkontrast in der herkömmlichen Magnetresonanztomografie (MRT) dafür nicht ausreichend ist. Der Knochen ist nämlich genauso wie Sehnen und Bänder im MRT signallos und diese Gewebe können somit nicht voneinander unterschieden werden. Neuartige MRT-Technologien, die als «ultrakurze Echozeit (UTE)-Sequenzen» zusammengefasst werden, können das Signal aus Geweben in Bruchteilen einer Sekunde nach Anregung messen und somit selbst wasserarme Gewebe darstellen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die herk&ouml;mmliche MRT kann Gewebe wie Knochen aufgrund ihrer wasserarmen Bestandteile nur eingeschr&auml;nkt abbilden.</li> <li>Neuartige MRT-Technologien (&laquo;ultrakurze Echozeit (UTE)-Sequenzen&raquo;) akquirieren das Signal aus dem Gewebe viel schneller und somit kann noch ausreichend Signal aus signalarmen Geweben wie Knochen gewonnen werden.</li> <li>Hierdurch k&ouml;nnten im Sinne einer &laquo;All-in-one&raquo;-Diagnostik mittels MRT sowohl strukturelle Knochenver&auml;nderungen wie z.B. Kallus, Erosionen oder Syndesmophyten sowie Knochenmarks&ouml;deme, aber auch f&uuml;r entz&uuml;ndliche Prozesse charakteristische synovitische Ver&auml;nderungen dargestellt werden.</li> </ul> </div> <h2>Wissenschaftlicher Hintergrund</h2> <p>Auch heutzutage wird f&uuml;r die genaue Abbildung der Anatomie oder von Pathologien des Skeletts ionisierende Strahlung in Form von R&ouml;ntgenbildern und CT ben&ouml;tigt, da die herk&ouml;mmliche MRT kn&ouml;cherne Strukturen nicht ausreichend gut abbilden kann. Verantwortlich f&uuml;r diese Einschr&auml;nkung der MRT ist, dass Knochengewebe nur sehr wenige mittels elektromagnetischer Strahlung &laquo;anregbare&raquo; Molek&uuml;le beinhaltet und somit kein ausreichendes Signal f&uuml;r die MR-Bilder erzeugen kann. Der Knochen bleibt somit genauso wie Sehnen, B&auml;nder usw. im MR-Bild schwarz. Diese Gewebe k&ouml;nnen somit nicht voneinander unterschieden werden, da letztendlich der Kontrast zwischen ihnen fehlt. Neuartige MRT-Technologien jedoch, die als &laquo;ultrakurze Echozeit (UTE)-Sequenzen&raquo; zusammengefasst werden, k&ouml;nnen das Signal aus den Geweben viel schneller akquirieren (&laquo;ultrakurz&raquo; &asymp; &lt;0,0001 sec) und somit noch Signale aus signalarmen Geweben wie Knochen oder &auml;hnlichen Geweben (Sehnen, B&auml;nder) gewinnen (Abb. 1).<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Leading Opinions_Ortho_2001_Weblinks_lo_ortho_2001_s6_abb1_guggenberger.jpg" alt="" width="275" height="584" /></p> <h2>Einsatzspektrum in der Rheumatologie</h2> <p><strong>Entz&uuml;ndliche Knochenver&auml;nderungen</strong><br /> Von zentraler Bedeutung ist die Darstellung von feinen kn&ouml;chernen Ver&auml;nderungen besonders bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis. Bei rheumatologischen Fragestellungen wird h&auml;ufig eine MRT-Untersuchung beispielsweise der Wirbels&auml;ule oder der Iliosakralgelenke angefertigt. Nachdem bestimmte Ver&auml;nderungen wie Knochenmarks&ouml;dem oder synovitische Ver&auml;nderungen im konventionellen MRT gesehen wurden, muss h&auml;ufig in einem zweiten Schritt noch ein R&ouml;ntgenbild bzw. eine CT angefertigt werden. Durch die neuen UTE-Sequenzen k&ouml;nnten somit im Sinne einer &laquo;All-inone&raquo;-Diagnostik mittels MRT nicht nur die f&uuml;r entz&uuml;ndliche Prozesse charakteristischen synovitischen Ver&auml;nderungen und Knochenmarks&ouml;deme (konventionelles MRT), sondern auch spezifische strukturelle Knochenver&auml;nderungen wie Erosionen, Syndesmophyten und Ankylosen (UTE-Sequenzen) dargestellt werden. Perspektivisch k&ouml;nnten durch diese &laquo;All-in-one&raquo;-Diagnostik dar&uuml;ber hinaus zus&auml;tzliche Kosten und Zeit f&uuml;r die knochenspezifische R&ouml;ntgen- bzw. CT-Diagnostik eingespart werden und nicht zuletzt die Diagnosestellung akkurater erfolgen. Die grunds&auml;tzliche Vision dieses Forschungszweigs ist es also, dass zus&auml;tzlich zu dem konventionellen MRT-Protokoll auch noch eine UTE-Sequenz zur Knochendarstellung hinzugef&uuml;gt werden k&ouml;nnte. Somit w&uuml;rde die zweizeitige Durchf&uuml;hrung von R&ouml;ntgenbildern bzw. einer CT obsolet. Als zus&auml;tzlichen Vorteil liesse sich dadurch aus epidemiologischer Perspektive die medizinisch bedingte Strahlenexposition verringern.</p> <p><strong>Kristallarthropathien</strong><br /> Anhand einer Studie mit Kniekadavern konnte gezeigt werden, dass Meniskusverkalkungen bedingt durch &laquo;calcium pyrophosphate crystal deposits&raquo; (CPPD) mittels UTE-Sequenzen detektierbar sind und sogar biomechanische Eigenschaften der CPP-betroffenen Menisken mittels UTE-Sequenzen vorhergesagt werden k&ouml;nnen (Abb. 2).<sup>2</sup> Da normaler Meniskus aus wasserarmem Faserknorpel besteht, stellt sich dieser dunkel in allen gew&ouml;hnlichen MRT-Sequenzen dar. Da die meisten Weichteilverkalkungen wie auch CPPD besonders protonarm sind, k&ouml;nnen dunkle Meniskusverkalkungen im MRT nicht vom dunklen Meniskusgewebe unterschieden werden. Hingegen stellt sich normales Meniskusgewebe in den UTE-Sequenzen hell dar und demaskiert somit die auch in den UTE-Sequenzen dunklen Verkalkungen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Leading Opinions_Ortho_2001_Weblinks_lo_ortho_2001_s7_abb2_guggenberger.jpg" alt="" width="550" height="377" /></p> <h2>Einsatzspektrum in der Orthop&auml;die</h2> <p><strong>Spondylolysen</strong><br /> Das &uuml;bergeordnete Thema &laquo;Knochenbildgebung mittels MRT basierend auf ultrakurzer Echozeit-Technologie (UTE)&raquo; wurde bereits in mehreren Ex-vivo- und vereinzelt auch in In-vivo-Studien beforscht. So konnte beispielsweise im Rahmen einer unserer Studien an Wirbels&auml;ulenkadavern gezeigt werden, dass UTE-Sequenzen Spondylolysen (= Fraktur der Pars interarticularis, meist aufgrund von mechanischem Stress in der Adoleszenz) genauso akkurat detektieren k&ouml;nnen wie mittels des Goldstandards CT (Abb. 3).<sup>3</sup> Spondylolysen werden im Rahmen eines gew&ouml;hnlichen lumbalen MRT-Untersuchungsprotokolls h&auml;ufig nicht erkannt, vor allem dann, wenn im liegenden Zustand keine Anterolisthesis vorliegt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Leading Opinions_Ortho_2001_Weblinks_lo_ortho_2001_s7_abb3_guggenberger.jpg" alt="" width="550" height="328" /></p> <p><strong>Pr&auml;operative Planung</strong><br /> Durch die hochaufgel&ouml;ste Akquisition der UTE-Sequenzen k&ouml;nnen dar&uuml;ber hinaus auch 3D-Rekonstruktionen erzeugt werden, welche im Rahmen der pr&auml;operativen Planung Verwendung finden (Abb. 4). So k&ouml;nnen beispielsweise mithilfe einer zus&auml;tzlich zum normalen Schulter-MRT-Protokoll durchgef&uuml;hrten UTE-Sequenz auch allf&auml;llige oss&auml;re Bankart-L&auml;sionen detektiert oder der &laquo;glenoid bone loss&raquo; quantifiziert werden.<sup>4</sup> Auch pr&auml;operative anatomische Winkelmessungen anhand der UTE-Sequenzen k&ouml;nnen durchgef&uuml;hrt werden und perspektivisch ist neben der Frakturdetektion auch die Verlaufsbeurteilung der Kallusbildung im Rahmen der Frakturheilung denkbar. &Auml;hnliche Ans&auml;tze werden auch in der H&uuml;ftchirurgie verfolgt, wo auf Basis von UTE-Bildern 3D-Modelle zur anschliessenden OP-Planung erstellt werden k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Leading Opinions_Ortho_2001_Weblinks_lo_ortho_2001_s8_abb4_guggenberger.jpg" alt="" width="850" height="294" /></p> <p><strong>Kieferbildgebung</strong><br /> Ein weiterer klinischer Einsatzbereich der UTE-Sequenzen ist die sog. Medikamenten- assoziierte Osteonekrose des Kiefers (MRONJ), welche eine Nebenwirkung auf den Kieferknochen durch verschiedene Arten von knochenmodulierenden Medikamenten darstellt. Charakteristische Osteolysen, Mehrsklerosierungen und Kortikalisverdickungen konnten gem&auml;ss einer j&uuml;ngsten Studie aus unserer Forschungsgruppe &auml;hnlich gut abgegrenzt werden wie in der CT (Abb. 5).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Leading Opinions_Ortho_2001_Weblinks_lo_ortho_2001_s8_abb5_guggenberger.jpg" alt="" width="850" height="312" /></p> <h2>Ausblick</h2> <p>Zu dem &uuml;bergeordneten Thema &laquo;R&ouml;ntgenstrahlungsfreie Knochenbildgebung mittels MRT basierend auf ultrakurzer Echozeit-Technologie (UTE)&raquo; l&auml;uft am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich seit Anfang 2019 eine breit angelegte, prospektive Studie, um die Wertigkeit dieser neuen Technologie in den verschiedenen Medizinbereichen im klinischen Alltag zu erproben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Siriwanarangsun P et al.: Ultrashort time to echo magnetic resonance techniques for the musculoskeletal system. Quant Imaging Med Surg 2016; 6: 731-43<strong> 2</strong> Finkenstaedt T et al.: Ultrashort time to echo magnetic resonance evaluation of calcium pyrophosphate crystal deposition in human menisci. Investigative Radiology 2019; 54(6): 349-55 <strong>3</strong> Finkenstaedt T et al.: Ultrashort time-to-echo magnetic resonance imaging at 3 t for the detection of spondylolysis in cadaveric spines: comparison with CT. Investigative Radiology 2019; 54(1): 32-8 <strong>4</strong> Breighner RE et al.: Technical developments: zero echo time imaging of the shoulder: enhanced osseous detail by using MR imaging. Radiology 2018; 286(3): 960-6 <strong>5</strong> Huber FA et al.: Medication-related osteonecrosis of the jaw-comparison of bone imaging using ultrashort echo-time magnetic resonance imaging and cone-beam computed tomography. Investigative Radiology 2019; [Epub ahead of print]</p> </div> </p>
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