
©
Getty Images/iStockphoto
Parathormon zur Frakturheilung
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. DDr. Lukas Holzer
Universitätsklinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: lukas.holzer@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
07.07.2016
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Medikamente, die bei Osteoporose eingesetzt werden, haben möglicherweise das Potenzial, Heilungsprozesse bei Knochenbrüchen zu fördern. Parathormon bietet dazu bislang die umfangreichste Datenlage. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Datenlage zur beschleunigten Frakturheilung durch PTH-Gabe ist auf Fallberichte, kleine Fallserien und einige wenige prospektive Studien beschränkt.</li> <li>Die Anwendung von PTH zur Unterstützung der Frakturheilung ist als „off-label use“ zu betrachten. Dennoch stellen die vorläufigen vorliegenden Daten das Parathormon in eine Position als potenzielles Medikament zur Optimierung der Frakturheilung.</li> <li>Es sind weitere hochqualitative prospektive, placebokontrollierte Studien mit entsprechender Power erforderlich, um den Nutzen für den klinischen Alltag zu bestätigen.</li> </ul> </div> <p>Frakturen stellen die ultimative Konsequenz der Osteoporose im klinischen Setting dar. Osteoporotische Frakturen werden oft durch ein geringes Trauma verursacht oder ereignen sich sogar spontan. Ursache dafür ist zumeist die mit der Osteoporose assoziierte niedrige Knochenqualität, die quantitative und qualitative Knochenparameter miteinbezieht. Ziel der Osteoporosetherapie ist primär die Prävention beziehungsweise – besonders für den Orthopäden oder Traumatologen bei einer Fraktur, die bereits erfolgt ist, – die sekundäre Prävention, also die Vermeidung von Folgefrakturen nach initialem Frakturereignis.<br /> Darüber hinaus scheint die medikamentöse Therapie jedoch auch potenziell wirksam zur Unterstützung des Frakturheilungsprozesses zu sein. Dies scheint durchaus berechtigt, da Zielzellen der osteoporosespezifischen Pharmaka sowohl für den Knochenumbau als auch die Knochenregeneration verantwortlich sind. Medikamente, die zur Osteoporosetherapie eingesetzt werden, zielen darauf ab, die bestehende Dysbalance mit Überwiegen der Knochenresorption gegenüber der Knochenformation auszugleichen. Dies sind biologisch weitaus komplexe Prozesse, die jedoch auch für eine koordinierte Frakturheilung von Bedeutung sind. Daher ergibt sich somit möglicherweise eine potenzielle Indikation für osteoporosespezifische Medikamente, die mit diesen Mechanismen interagieren.<br /> Zur Therapie der Osteoporose sind verschiedene Arten von Medikamenten zugelassen, u.a. Bisphosphonate und Parathormon (PTH). Aufgrund der besten Datenlage zur Frakturheilung wird im vorliegenden Artikel nur auf das Parathormon eingegangen.<br /> Das Parathormon wird beim Menschen durch die Nebenschilddrüsen produziert und beeinflusst die Kalziumhomöostase sowie den Knochenumbau. Die Sekretion von Parathormon wird durch den extrazellulären Kalziumspiegel und Vitamin D reguliert. Der osteoanabole Effekt beruht auf einer paradoxen Wirkung, die durch eine intermittierende Anwendung ausgelöst werden kann.</p> <h2>Experimentelle Studien</h2> <p>Der Effekt der intermittierenden Gabe von PTH auf die Frakturheilung wurde initial von zwei Forschungsgruppen in Ratten untersucht. So konnten Andreassen et al für PTH eine deutliche Zunahme in der Kallusformation sowie der mechanischen Kraft in einem Modell von Tibiafrakturen nachweisen. Der Effekt wurde in einer Studie von Holzer et al in einem Frakturmodell des Femurs bestätigt. In dieser Studie zeigten sich zudem verbesserte histologische sowie radiologische Parameter in der Interventionsgruppe. So verbesserten sich die Knochendichte und diverse Mikrostrukurparameter signifikant. Diese Ergebnisse wurden in einer Reihe weiterer experimenteller Studien bestätigt.<br /> <br /> Beide Gruppen schlussfolgerten, dass die klinische Anwendung von PTH am Patienten die Frakturheilung potenziell verbessern könnte. Im Laufe der letzten zwei Dekaden wurden diverse Studien unter Anwendung von PTH in Hinblick auf die Frakturheilung publiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite29.jpg" alt="" width="584" height="505" /></p> <h2>Klinische Studien</h2> <p>Generell sind Forschungsergebnisse bei Tieren recht vorsichtig zu interpretieren, dennoch wurde, basierend auf den experimentellen und tierexperimentellen Ergebnissen, vermutet, dass die Anwendung von PTH auch die Frakturheilungsdauer bei Menschen beschleunigen könnte. Bislang gibt es eine Reihe von Publikationen, die über die Effekte der PTH-Anwendung im Frakturheilungsverlauf berichten. Es ist bekannt, dass PTH den Heilungsprozess beschleunigt und einen schnelleren Knochenumbau ermöglicht. Die Anwendung von PTH führt zu einer schnelleren Reduktion des Kallus, parallel erhöht sich der Grad der Mineralisierung des Frakturkallus.<br /> <br /><strong> Frakturheilung bei osteoporotischen Frakturen</strong><br /> Die erste klinische Studie mit PTH 1-34 wurde an 102 postmenopausalen Frauen mit distaler Radiusfraktur („Colles’ fracture“), die konservativ therapiert wurden, durchgeführt. Es war eine multizentrische, randomisierte, prospektive, doppelt verblindete, placebokontrollierte Studie. Die Patientinnen erhielten eine tägliche Injektion mit 20µg oder 40µg PTH 1-34 oder Placebo innerhalb einer Woche nach Fraktur für die Dauer von acht Wochen. Die Heilungsdauer, welche mittels CT eruiert wurde, war in der 20µg-Gruppe verglichen zu Placebo signifikant reduziert. In einer Subgruppenanalyse an 27 Patienten zeigte sich eine deutlich verbesserte Kallusqualität nach 5 Wochen in den Röntgenbildern.<br /> <br /> Eine weitere multizentrische Studie einer Wiener Gruppe (P. Peichl, R. Mayer, L. A. Holzer, G. Holzer) untersuchte den Effekt von PTH 1-84 bei unilateralen osteoporotischen Schambeinastfrakturen. 65 Patienten mit einem Alter von über 70 Jahren wurden eingeschlossen und konservativ versorgt. Jeder dritte Patient erhielt eine tägliche Injektion von 100µg PTH 1-84 (der anabole Effekt ist äquivalent zu 20µg PTH 1-34). Der primäre Endpunkt (abgeschlossene Frakturheilung mittels CT nachgewiesen) wurde in der Interventionsgruppe nach 7,6 Wochen erreicht. Der Unterschied zur Kontrollgruppe war signifikant. Zudem zeigten sich eine deutliche Schmerzreduktion und verbesserte Funktionalität der Patienten, die mittels „Timed up and go“-Test eruiert wurde.<br /> <br /> Der Effekt von PTH 1-34 wurde auch an Patienten mit proximalen Humerusfrakturen an einem Zentrum in Schweden von Johansson untersucht. Eingeschlossen wurden 40 Patienten mit Frakturen, die konservativ behandelt werden konnten. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder eine tägliche Injektion von 20µg PTH 1-34 oder keine Injektion. Radiologisch zeigten sich bessere Kallusformationen in der Interventionsgruppe, jedoch keine signifikanten Unterschiede bei der Schmerzerfassung.<br /> <br /> Die rezenteste Studie wurde von Bhandari et al bei Patienten mit proximalen Femurfrakturen und Osteosynthese durchgeführt. Die Patienten erhielten eine tägliche Injektion von PTH 1-34 für sechs Monate. Das Outcome wurde nach 24 Monaten mit Kontrollpatienten verglichen. Aufgrund der zu geringen Power zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das Risiko einer Revision, radiologische knöcherne Konsolidierung oder Schmerz.<br /> <br /><strong> Stressfrakturen</strong><br /> Eine Beschleunigung der Frakturheilung durch die Gabe von PTH 1-34 wurde in zwei Fällen von Stressfrakturen im Bereich der Metatarsalia beschrieben. Nach vierwöchiger täglicher PTH-Injektion zeigten sich bei einem 35-jährigen und einem 40-jährigen Patienten Kallusformationen im Röntgen. Zudem waren die Patienten frei von Schmerzen.<br /> <br /><strong> Atypische Bisphosphonat- assoziierte Femurfrakturen</strong> <br /> Chiang et al führten eine kleine prospektive Studie mit 14 Patienten durch, die langjährig Bisphosphonate eingenommen und atypische Femurfrakturen erlitten hatten. Fünf dieser Patienten erhielten über die Dauer von sechs Monaten jeweils täglich eine Injektion mit PTH 1-34, die anderen Patienten lediglich eine konservative Therapie. In der Interventionsgruppe heilten zwei Frakturen, zwei weitere Patienten waren schmerzfrei. In der Kontrollgruppe hatten zwei Drittel der Patienten eine Pseudarthrose und eine persistierende Schmerzsymptomatik.<br /> <br /><strong> Verzögerte Frakturheilung und Pseudarthrosen</strong><br /> Es gibt eine Reihe von Fallberichten, die den positiven Effekt der PTH-Anwendung auf verzögerte Knochenheilung oder Pseudarthrosen zeigen. Ein Fallbericht von Oteo-Alvaro und Moreno zeigte eine Heilung bei einer Pseudarthrose einer diaphysären Humerusfraktur nach Nagelosteosynthese. Darüber hinaus zeigten Lee et al eine Heilung bei drei Patienten mit Pseudarthrosen nach Osteosynthese bei Femurfrakturen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Literatur beim Verfasser</p>
</div>
</p>