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Palmare radioskapholunäre Arthrodese als Rettungsoperation bei fehlverheilten intraartikulären Speichenfrakturen
Jatros
Autor:
Dr. Christoph Pezzei
AUVA Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler,<br> European Hand Trauma Center, Wien<br> E-Mail: christoph.pezzei@auva.at
30
Min. Lesezeit
30.03.2017
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<p class="article-intro">Mit der radioskapholunären Fusion über einen beugeseitigen radialen Zugang kann bei schmerzhafter posttraumatischer radiokarpaler Arthrose neben einer Bewegungssteigerung vor allem eine deutliche Schmerzreduktion und somit eine Verbesserung der Handfunktion erzielt werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die operative Versorgung von dislozierten Speichenfrakturen mit winkelstabiler palmarer Abstützplatte hat sich in den letzten Jahren als wichtige Behandlungsmethode etabliert. In der überwiegenden Zahl der Fälle kann mit dieser Methode ein gutes Ergebnis erzielt werden. Sekundärer Repositionsverlust der Frakturstellung, vor allem bei Patienten mit vorbestehender Osteoporose, kann in weiterer Folge jedoch zur schmerzhaften radiokarpalen Arthrose führen. In manchen Fällen führt auch das sekundäre Zusammensintern der Fraktur zu einer intraartikulären Schraubenlage mit Zerstörung des Gelenkknorpels (Abb. 1). Eintretende Spätschäden führen zu einer Funktionseinschränkung mit Schmerzsymptomatik an der oberen Extremität. In diesen Fällen sollte, wann immer möglich, frühzeitig eine Rekonstruktion der Gelenkflächen in möglichst anatomischer Stellung durch eine Korrekturoperation angestrebt werden. Knirk und Jupiter postulierten bereits 1986, dass schon geringe Stufenbildungen über 2mm in der radialen Gelenkfläche später zur schmerzhaften Arthrose im Handgelenk führen.<br /> Ist jedoch eine operative Korrektur der Gelenkfläche nicht mehr möglich, kommen als weitere Therapieoptionen verschiedene Rettungsoperationen, wie z.B. Handgelenksdenervation, Resektionsarthroplastik, Handgelenksprothese oder Handgelenksarthrodese in Betracht. Bei zerstörtem Radiokarpalgelenk kann durch die Versteifung des schmerzhaften Gelenksabschnittes die Bewegungskette nach distal in das Mediokarpalgelenk verlagert werden. In diesem Fall wird eine radioskapholunäre (RSL) Fusion durchgeführt. Voraussetzung ist jedoch ein intaktes Mediokarpalgelenk. Ziel dieser Operation ist eine akzeptable, schmerzfreie Restbeweglichkeit bei geringgradig verminderter Kraft im Vergleich zu einem gesunden Handgelenk.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s38_abb1.jpg" alt="" width="684" height="642" /></p> <h2>Operationstechnik</h2> <p>Der operative Zugang zur RSL-Fusion erfolgt über einen beugeseitigen radialen Zugang. Der Hautschnitt wird nach distal radial bogenförmig erweitert, um eine gute Darstellung des Kahnbeines zu ermöglichen (Abb. 2). Zuvor eingebrachtes Osteosynthesematerial der Speichenverplattung wird entfernt. Die beugeseitigen Bandstrukturen werden reseziert und die Gelenkkapsel wird eröffnet. Die gesamte palmare Gelenklippe der Speiche wird mit einem Meißel abgetragen (Abb. 3). Dadurch hat man bei maximaler Extension im Handgelenk eine sehr gute Übersicht über die zerstörte radiokarpale Gelenkfläche, weiters wird eine Irritation der Beugesehnen verhindert. Das abgemeißelte Knochenstück wird zur Spongiosabeilagerung verwendet. Nun wird der distale Kahnbeinpol präpariert und eine distale Skaphoidektomie von ca. 1/4 durchgeführt (Abb. 4). Dies bewirkt eine deutliche Verbesserung der Handgelenksbeweglichkeit, weiters führt die Entkoppelung im STT-Gelenk zu einem geringeren Pseudoarthroserisiko zwischen Speiche und verbleibendem Kahnbeinteil sowie zu einer deutlichen Schmerzreduktion, wie Garcia-Elias bereits 2001 und 2005 berichtet hat.<br /> Die Entknorpelung der Gelenkstrukturen an Speiche, Kahnbein und Mondbein erfolgt in maximaler Handgelenksextension mit einem Luer. Sind die SL-Bandstrukturen intakt, wird die Situation so belassen. Besteht jedoch eine SL-Dissoziation, wird auch zwischen Mondbein und Dreieckbein entknorpelt und mit Spongiosa aufgefüllt. Dabei muss unbedingt eine Beschädigung des mediokarpalen Knorpelüberzugs vermieden werden. Die Knochenanteile der resezierten Speichenlippe sowie des distalen Kahnbeinpoles werden als Spongiosaplastik verwendet. Eine zusätzliche Spongiosaentnahme ist nicht mehr notwendig.<br /> Als Nächstes erfolgt die exakte Positionierung der Handwurzelknochen. Dabei ist auf die exakte Stellung des Mondbeines zu achten. Mithilfe von Joysticks erfolgt die Reposition, um eine DISI- oder VISI-Stellung zu verhindern. Mondbein und Kahnbein werden temporär mit Bohrdrähten an die Speiche fixiert. Zur Stabilisierung wird eine winkelstabile 2.3-Rahmenplatte (Medartis, Basel) verwendet. Es kommt das gerade Plattenmodell zum Einsatz, um Irritationen mit den Beugesehnen zu verhindern. Die Positionierung der Platte erfolgt unter Bildwandlerkontrolle, sie darf nicht zu weit distal angelegt werden. Zunächst wird das Langloch mit einer Kortikalisschraube besetzt. Im Kahnbein und im Mondbein werden mindestens je zwei Schrauben platziert. Dies muss unbedingt unter Bildwandlerkontrolle erfolgen, um eine zu distale, intraartikuläre Lage der Schrauben zu vermeiden. Gelegentlich ist es auch notwendig, eine Kortikalisschraube in den Handwurzelknochen zu platzieren, um eine bessere Fixierung an die Platte zu erzielen. Die restlichen Schraubenlöcher werden meist mit winkelstabilen Implantaten besetzt. Die Bohrdrähte werden entfernt und die eingebrachte Spongiosa wird verdichtet (Abb. 5).<br /><br /> Postoperativ erhält der Patient eine thermoplastische Schiene für 5 Wochen. Nach 2 Wochen darf die Schiene in der Physiotherapie zur Durchführung von aktiven Finger- und Handgelenksübungen abgenommen werden. Eine Belastungssteigerung erfolgt nach 3 Monaten und die Vollbelastung ist nach knöchernem Durchbau in der Regel nach 6 Monaten erlaubt. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund anhaltender Beschwerden eine Handgelenksarthrodese erforderlich sein, kann diese problemlos von der Streckseite durchgeführt werden. Eine Osteosynthesematerialentfernung beugeseitig ist nicht notwendig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s38_abb2.jpg" alt="" width="684" height="927" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s38_abb3_4_5.jpg" alt="" width="1417" height="1599" /></p> <h2>Patienten und Methode</h2> <p>Im Zeitraum zwischen 2006 und 2014 wurde im UKH Lorenz Böhler bei 14 Patienten eine RSL-Fusion durchgeführt. 11 Patienten konnten im Rahmen einer Nachuntersuchung klinisch und radiologisch kontrolliert werden: 7 Männer und 4 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 55 (35–86) Jahren. Der Nachuntersuchungszeitraum betrug 63 (30–97) Monate. Der Zeitraum zwischen Speichenfraktur und RSL-Arthrodese lag bei 6 (3–9) Monaten. Bei jedem Patienten wurde eine radiologische Abklärung und zusätzlich ein Handgelenks-CT angefertigt. Bei der klinischen Untersuchung wurde neben einem exakten Bewegungsbefund auch die Schmerzsituation mittels VAS dokumentiert und es wurden mehrere Scores erhoben (DASH, PRWE, MHQ, Mayo Wrist Score). Die Kraftmessung erfolgte mit einem JAMAR-Dynamometer.</p> <h2>Nachuntersuchung</h2> <p>Durch diese Operation konnte bei der Nachuntersuchung eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit dokumentiert werden. Vor allem der Bewegungsumfang Extension/Flexion konnte gegenüber präoperativ von 64° auf 95° verbessert werden. Pro- und Supination konnten um 25° gesteigert werden. Die Radial-Ulnarduktion betrug 35° (Abb. 6). Von Patienten wurde vor allem eine deutliche Schmerzreduktion bis hin zur Schmerzfreiheit angegeben. Der Mittelwert an der VAS war 2 (0–5). Auch eine Zunahme der Kraft wurde gemessen: Die Patienten konnten 88 % der Kraft der gesunden Gegenseite erzielen. Radiologisch zeigte sich bei keinem Patienten eine mediokarpale Arthrose, alle Arthrodesen waren knöchern komplett durchgebaut.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s38_abb6.jpg" alt="" width="1417" height="1025" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die RSL-Fusion als Rettungsoperation bei schmerzhafter posttraumatischer radiokarpaler Arthrose bringt neben einer Bewegungsverbesserung vor allem eine deutliche Schmerzreduktion und somit Verbesserung der Handfunktion. Wie in der Arbeit von Palmer bereits 1985 beschrieben, ist eine Handgelenksbeweglichkeit von 45° Beugung/Streckung sowie 25° Radial-Ulnarduktion ausreichend, um im täglichen Leben Aktivitäten beschwerdefrei auszuführen.<br /> Die RSL-Arthrodese wurde bisher in der Regel von der Streckseite durchgeführt. Eine fehlgeschlagene palmare operative Speichenbruchversorgung erfordert zunächst eine Entfernung des Osteosynthesematerials. Über den gleichen Zugang ist es jetzt mit dieser Technik möglich, die RSL-Fusion durchzuführen. Somit kann auf einen zusätzlichen streckseitigen Zugang verzichtet werden.<br /> Ein weiterer Vorteil ist die Verhinderung von relativ häufig auftretenden Verklebungen durch streckseitig eingebrachtes Osteosynthesematerial. In einigen Fällen waren deshalb die spätere Entfernung des Osteosynthesematerials und Narbenlösung erforderlich.<br /> Die distale Skaphoidektomie führt zu einer Reihe positiver Effekte. Eine deutliche Verbesserung der Handgelenksbeweglichkeit, vor allem der Flexion und Radialduktion, hat bereits 2001 und 2005 Garcia-Elias berichtet.<br /> Weiters führt die Entkoppelung im STT-Gelenk zu einem geringeren Pseudoarthroserisiko zwischen Speiche und verbleibendem Kahnbeinteil. Die in der Literatur angegebene Pseudoarthroserate reicht von 0 % bis 25 % . Auch eine deutliche Reduktion der Schmerzen sowie Senkung der Inzidenz einer sekundären mediokarpalen Arthrose werden berichtet.<br /> Wie in der Literatur anhand von Kadaverstudien beschrieben, wird durch die zusätzliche Entfernung des Os triquetrum eine weitere Verbesserung der Beweglichkeit, vor allem der Ulnarduktion, erreicht. Über einen palmaren Zugang allein ist jedoch die Entfernung des Dreieckbeines nicht möglich, deshalb wird auf diesen Operationsschritt hier verzichtet. Die Indikation zur palmaren RSLFusion sehen wir beim Traumapatienten bei schmerzhaft arthrotisch verändertem Radiokarpalgelenk, wie es bei fehlverheilten intraartikulären Radiusfrakturen auftritt. Sind rekonstruktive Maßnahmen nicht mehr Erfolg versprechend, steht mit der palmaren RSL-Arthrodese ein bewährtes Verfahren als Rettungsoperation zur Verfügung.</p></p>
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