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Osteoporotische Wirbelkörperfrakturen

<p class="article-intro">Osteoporotische Wirbelkörperfrakturen (OWKF) sind häufig vorkommende Komplikationen der primären oder sekundären Osteoporose. Bei Patienten, die eine OWKF erleiden, steigt die Inzidenz weiterer Frakturen deutlich an. So erleiden mehr als 50 % der Patienten innerhalb der nächsten drei Jahre weitere OWKF. Ein Großteil dieser Frakturen bleibt üblicherweise unentdeckt. Jene OWKF, die klinische Symptome verursachen, können zu erheblicher Morbidität führen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Lebensqualit&auml;t der betroffenen Patienten kann aufgrund von Wirbelk&ouml;rperfrakturen st&auml;rker eingeschr&auml;nkt sein als nach einer proximalen Femurfraktur. Schmerzen stehen initial sicherlich im Vordergrund der klinischen Symptomatik. OWKF k&ouml;nnen allerdings sp&auml;ter auch zur Entstehung einer spinalen Deformit&auml;t mit nachfolgender Immobilit&auml;t sowie St&ouml;rung der Lungenfunktion f&uuml;hren. Im Vordergrund der Behandlung steht die Prophylaxe oder die Behandlung der Osteoporose. Eine medikament&ouml;se Therapie ist nach den Leitlinien des DVO (Dachverband Osteologie) bei singul&auml;ren OWKF mit einer H&ouml;henminderung &uuml;ber 25 % sowie bei multiplen OWKF mit jeglicher H&ouml;henminderung indiziert.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>In der Anamnese muss gezielt nach der Dauer der Beschwerden und dem Vorliegen eines ad&auml;quaten Traumas gefragt werden. Weiters sind Vorerkrankungen und die Medikation zu erfassen. Entscheidend f&uuml;r die Diagnose ist die Bildgebung. R&ouml;ntgenaufnahmen der Brust- und Lendenwirbels&auml;ule (BWS/LWS) gelten als ad&auml;quates prim&auml;res bildgebendes Verfahren. In vielen F&auml;llen ist eine CT zur besseren Abkl&auml;rung unerl&auml;sslich. H&auml;ufig ist die Altersbestimmung der Fraktur nur mittels MRT m&ouml;glich. Ein MRT wird wegen der kontrastreicheren Darstellungsm&ouml;glichkeiten von Weichteilen und Knochen&ouml;demen zur Frakturaltersbestimmung und zur Differenzialdiagnostik herangezogen. Frische Wirbelk&ouml;rpereinbr&uuml;che sind oftmals nur im MRT nachweisbar (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite35.jpg" alt="" width="379" height="469" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Wie bereits erw&auml;hnt, ist eine medikament&ouml;se Therapie nach den Leitlinien des DVO bei singul&auml;ren OWKF mit einer H&ouml;henminderung &uuml;ber 25 % sowie bei multiplen OWKF mit jeglicher H&ouml;henminderung indiziert. Neben der medikament&ouml;sen Therapie stehen als Optionen die konservative und die operative Therapie zur Verf&uuml;gung, wobei in der Regel die konservative Therapie die erste Behandlungsoption darstellt. Laut Empfehlung des DVO sollte ein 3-w&ouml;chiger konservativer Therapieversuch mithilfe von Orthesen, einer ad&auml;quaten Schmerztherapie und einer physiotherapeutischen Mobilisation durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Bei den Orthesen unterscheidet man zwischen aktiven und stabilisierenden Orthesen. F&uuml;r die Behandlung mit stabilisierenden Orthesen gibt es keine allgemein g&uuml;ltigen Daten bez&uuml;glich der Art und Tragedauer. Hinzu kommt, dass das Tragen von Miedern sich sehr oft als nicht praktikabel bei den alten und korpulenten Patienten herausstellt. Daher bevorzugen wir f&uuml;r die konservative Behandlung der OWKF bei betagten Patienten die aktiven Orthesen.<br /> <br /> Die Patienten werden initial station&auml;r behandelt. Hier erfolgen die intraven&ouml;se Schmerztherapie und die Mobilisierung. Die Weiterbehandlung erfolgt ambulant. Die Patienten werden engmaschig mittels R&ouml;ntgen kontrolliert. Sollte es innerhalb der ersten Wochen zu keinem deutlichen R&uuml;ckgang der Schmerzen oder zu einer deutlichen Dynamik der Fraktur (Kyphose, H&ouml;henverlust etc.) oder gar neurologischen Ausf&auml;llen kommen, dann ist die Operation indiziert. Nun stellt sich die Frage nach der Operationsmethode. Im Gegensatz zu den traumatischen Wirbelk&ouml;rperfrakturen liegen f&uuml;r die Behandlung von OWKF keine klaren Empfehlungen vor. Die Behandlungsempfehlungen f&uuml;r traumatische Wirbelk&ouml;rperfrakturen, basierend auf der AO-Klassifikation, sind h&auml;ufig nicht auf die multimorbiden Patienten &uuml;bertragbar. So ist eine reine kurzstreckige dorsale Stabilisierung aufgrund der Osteoporose nicht ausreichend, gleichzeitig ist aber ein ventraler Eingriff aufgrund des reduzierten Allgemeinzustandes den Patienten nicht zumutbar. Derzeit gibt es keine klaren evidenzbasierten Therapiestandards f&uuml;r die Behandlung der osteoporotischen Fraktur. Es fehlt die Klassifikation, die f&uuml;r die Erarbeitung von Therapieempfehlungen als Grundlage dienen k&ouml;nnte. Die simple Kategorisierung in stabile und instabile Frakturen &ndash; abh&auml;ngig von den radiologischen Kriterien &ndash; hat sich als nicht ausreichend f&uuml;r die Therapieentscheidung erwiesen. Viele vermeintlich stabile Frakturen zeigen im Laufe der konservativen Behandlung eine Dynamik und stellen sich als instabil heraus. Auf der anderen Seite k&ouml;nnten einige operativ behandelte Patienten mit dem gleichen Ergebnis konservativ behandelt werden.<br /> Dar&uuml;ber hinaus muss bei geriatrischen Patienten neben morphologischen Frakturkriterien insbesondere die Mobilisationsf&auml;higkeit in die Entscheidungsfindung einflie&szlig;en, da die Mobilit&auml;t bei diesen Patienten einen gro&szlig;en Einfluss auf die Entstehung von sekund&auml;ren Komplikationen hat. Selbst wenn die Entscheidung zur Operation eindeutig getroffen wird, fehlen detaillierte Empfehlungen zur operativen Therapie. Es stellt sich in vielen F&auml;llen die Frage, ob eine reine Zementaugmentation der OWKF ausreichend ist oder ob eine zus&auml;tzliche dorsale Instrumentation mit oder ohne Augmentation der Schrauben erfolgen soll. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der L&auml;nge des Konstruktes. Vor Kurzem hat die AG Wirbels&auml;ule der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Unfallchirurgie einen Vorschlag zur Klassifikation osteoporotischer Wirbels&auml;ulenfrakturen ausgearbeitet. Darauf basiert auch ein entsprechender Score. Beide sollen zuk&uuml;nftig als Grundlage f&uuml;r die Indikation dienen. Allerdings werden derzeit die Daten klinisch validiert, daher kann diese Klassifikation nur als Hilfsmittel zur individuellen Indikation angesehen werden.<br /> Im Detail werden bei der OF-Klassifikation die OWKF nach radiologisch-morphologischen Gesichtspunkten unterschieden und je nach Grad der Wirbelk&ouml;rperverformung und der Beteiligung der Hinterkante in 5 Kategorien eingeteilt. Gruppe 1 und 2 der OF-Klassifikation beinhalten jene OWKF, die keine Deformation aufweisen (OF 1) oder nur eine geringe Deformation mit minimaler oder ohne Hinterwandbeteiligung (OF 2). Jene Frakturen mit einem deutlichen Hinterkantenfragment werden der OF-Gruppe 3 zugeteilt. Kommt es zu einem Verlust der Rahmenstruktur, Wirbelk&ouml;rperkollaps oder zur Entstehung einer Kneifzangenfraktur, so sind diese Frakturen der Gruppe 4 zuzuordnen. Gruppe OF 5 bilden OWKF mit einer Distraktions- und Rotationsverletzung. Zus&auml;tzlich wurde ein OF-Score erarbeitet, in den Faktoren wie Knochendichte, Dynamik der Sinterung, Schmerzen, neurologische Ausfallerscheinungen sowie der Allgemeinzustand einflie&szlig;en. Als chirurgische Therapieoptionen werden vor allem minimal invasive Verfahren angewendet.<br /> <br /><strong> Vertebro- und Kyphoplastie</strong><br /> Diese sind minimal invasive Verfahren zur ventralen Augmentation des Wirbelk&ouml;rpers von dorsal, ohne die zugangsbedingte Morbidit&auml;t eines ventralen Eingriffes in Kauf nehmen zu m&uuml;ssen. Beide Eingriffe werden &uuml;ber ein oder zwei kleine Inzisionen in Bauchlage in Vollnarkose oder aber auch in Lokalan&auml;sthesie durchgef&uuml;hrt. Bei der Vertebroplastie wird der Wirbelk&ouml;rper ohne vorheriges Aufrichten mit dem Zement gef&uuml;llt. Im Gegensatz dazu wird beim Verfahren der Kyphoplastie durch das Einbringen und Aufblasen von ein bis zwei Ballons ein Hohlraum f&uuml;r den Zement geschaffen und damit auch gleichzeitig eine Reposition des Wirbelk&ouml;rpers durchgef&uuml;hrt. Patienten k&ouml;nnen nach beiden Verfahren sofort mobilisiert werden. Beide Verfahren haben in den letzten Jahren weite Verbreitung gefunden. So zeigen Patienten mit OWKF, bei denen ein konservativer Therapieversuch erfolglos war, eine rasche und deutliche Besserung nach Kypho- oder Vertebroplastie.<br /> Die aktuelle Studienlage basiert haupts&auml;chlich auf Studien der Evidenzklasse II und III. Rezente Studien weisen zwar auf eine verminderte Mortalit&auml;t nach Zementaugmentation im Vergleich zur konservativen Behandlung hin, jedoch werden die Daten aufgrund eines m&ouml;glichen Selektionsbias kritisiert.<br /> <br /> Komplikationen des Verfahrens sind der unkontrollierte Zementaustritt in den Spinalkanal oder in das ven&ouml;se System (es werden Zementaustrittsraten zwischen 14 und 72 % berichtet, wobei die meisten F&auml;lle asymptomatisch verlaufen), die Entstehung von Anschlussfrakturen und Osteonekrosen. Weiterentwicklungen der klassischen Ballonkyphoplastie stellen &bdquo;vertebral body stent&ldquo; oder die Radiofrequenz-Kyphoplastie dar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite36.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Additive dorsale Stabilisierung</strong><br /> H&auml;ufig reicht die alleinige Kypho- oder Vertebroplastie f&uuml;r eine suffiziente Versorgung nicht aus (Abb. 2). In diesen F&auml;llen ist eine additive dorsale Stabilisierung notwendig (Abb. 3). Die besondere Herausforderung ist hierbei zweifelsohne, bei osteoporotischen Wirbelk&ouml;rpern einen stabilen Halt der Pedikelschrauben zu erreichen. Dazu besteht die M&ouml;glichkeit einer l&auml;ngerstreckigen Instrumentierung oder der Zementaugmentation der Pedikelschrauben. Die Instrumentierung wird dabei &uuml;blicherweise in der minimal invasiven Technik perkutan durchgef&uuml;hrt. Die dorsale zementaugmentierte Instrumentierung mit oder ohne Wirbelk&ouml;rper-Augmentation wird f&uuml;r OF-3- und OF-4-Frakturen empfohlen.<br /> In seltenen F&auml;llen bei h&ouml;hergradiger Deformierung des Wirbelk&ouml;rpers, wie etwa bei den OF-4-Frakturen, k&ouml;nnen die Zementaugmentation und dorsale Fixation zu wenig sein. In diesen F&auml;llen wird, abh&auml;ngig vom Fragmentierungsgrad des Wirbelk&ouml;rpers nach McCormack-Klassifikation, aber vor allem abh&auml;ngig von Allgemeinzustand, Alter und Begleitmorbidit&auml;ten des Patienten, die Entscheidung zu einer dorsoventralen Fusion getroffen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite37.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur beim Verfasser</p> </div> </p>
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