Nicht rekonstruierbare osteoporotische distale Radiusfraktur: ein Fall für die primäre Radiusfrakturhemiprothese

Die Behandlung von geriatrischen Patienten mit einer komplexen distalen AO-C3-Radiusfraktur ist heikel. Dieser kurze Bericht stellt eine neue Option zur operativen Behandlung dieser Verletzung vor.

Keypoints

  • Die Cobra-Hemiprothese ist eine neue Option zur Behandlung von nicht rekonstruierbaren osteoporotischen distalen Radiusfrakturen.

  • Es empfiehlt sich, die Prothese entweder zu zementieren oder eine Ulnakopfoperation durchzuführen, um einem Ulna-Impaktions-Syndrom vorzubeugen.

  • Betrachtet man die klinischen Ergebnisse der Radiushemiprothese, erscheinen diese besser und mit einer schnelleren Rehabilitation vergesellschaftet als die Ergebnisse bei rekonstruktiven, osteosynthetischen Eingriffen.

Die distale Radiusfraktur gehört zu den häufigsten Brüchen des menschlichen Körpers und kann in jedem Lebensabschnitt auftreten. Personen über 50 Jahre zeigen eine höhere Inzidenz, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Behandlung von Patienten über 65 Jahre kann sowohl konservativ wie auch operativ erfolgen. Arora et al. verglichen die beiden Gruppen im Rahmen einer prospektiven, randomisierten Studie.1 Operierte Patienten profitierten von einer höheren Griffkraft, ansonsten zeigte sich kein klinischer und funktioneller Unterschied. Bei geriatrischen Patienten besteht zudem keine Korrelation zwischen den radiologischen Parametern und den klinischen Ergebnissen. Fehlstellungen werden deutlich besser toleriert, was auf den geringeren funktionellen Anspruch im Vergleich zu jüngeren Patienten zurückzuführen ist. Dies gilt insbesondere für die typischen Colles-Frakturen. Des Weiteren erschwert eine oftmals vorbestehende Osteoporose, selbst bei Verwendung winkelstabiler Implantate, den Schrauben- und Repositionshalt. Durch einen Repositionsverlust kann es dann sehr leicht zu einer intraartikulären Schraubenlage und den damit verbundenen Konsequenzen kommen. Die Indikation der operativen Versorgung gegenüber einer konservativen Therapie muss daher sorgfältig abgewogen werden.

Geriatrische Patienten können jedoch auch komplizierte, dislozierte AO-C3-Frakturen aufweisen, welche fallabhängig operativ behandelt werden sollten, damit ein akzeptables klinisches Ergebnis erzielt werden kann. Eine konservative Therapie erscheint in diesen Fällen nicht zielführend und eine operative Versorgung mittels Plattenosteosynthese, Kirschnerdrähten oder eines externen Fixateurs deutlich erschwert bis unmöglich.

Im Falle von komplexen intraartikulären C3-ähnlichen Frakturen im Schulter- oder Ellbogenbereich gehören Frakturendoprothesen heutzutage zum Behandlungsstandard. Seit einiger Zeit besteht auch die Möglichkeit der Implantation einer Frakturhemiprothese im distalen Radius. Unsere Kollegen Roux und Herzberg entwickelten und verwenden diese Handgelenkshemiprothese bereits seit etwa 2011. Das Ziel dieser Operation ist die schnelle Rehabilitation sowie der Erhalt einer guten Handgelenksfunktion, ohne die Frakturheilung abwarten zu müssen.

Die Cobra-Hemiprothese (Groupe Lépine, Lyon, Frankreich) ist knochensparender als die Sophia-Hemiprothese (Biotech, Paris, Frankreich). Zudem kann die Sophia-Hemiprothese bei einer simultanen Ulnakopf- oder -halsfraktur nicht implantiert werden, weswegen man die Cobra-Hemiprothese als Weiterentwicklung sehen kann. Sie besteht aus einem doppelten Belag aus porösem Titan und Hydroxylapatit und ist als zementierbare und zementfreie Version für jeweils die rechte und linke Seite in zwei Größen verfügbar. Im Falle von schlechter Knochenqualität besteht die Möglichkeit, intraoperativ zu entscheiden, ob man die Prothese zementieren möchte, um eine adäquate Radiuslänge zu gewährleisten. Zwei seitliche Finnen ermöglichen es, freie Knochenfragmente mit Nähten an der Prothese zu fixieren, was zu einer erhöhten Stabilität beim Einbau führt.

Die Implantation der Hemiprothese ist eine relativ einfache Methode bei einem komplexen Problem (Abb.1 und 2). Der Protheseneinbau erfolgt über einen dorsalen Zugang und dauerte, in Abhängigkeit von der Erfahrung des OP-Teams mit der Prothese und in Abhängigkeit von Zusatzmaßnahmen, in unserer Patientenkohorte im Durchschnitt 127 Minuten (+/– 55 Minuten). Eine ausführliche Operationsbeschreibung kann im OP-Journal nachgelesen werden.2 Bei der Implantation ist sowohl präoperativ bei der Planung als auch intraoperativ zu beachten, dass die Prothese einen festen kortikalen Halt finden muss und der Karpus nach der Reposition nicht zu straff, aber auch nicht zu locker in der Prothese zu liegen kommt. Zusätzlich darf nach der Implantation keine Ulna-plus-Variante entstehen, welche unweigerlich zu einem Ulna-Impaktions-Syndrom führen würde. Daher sollte die Prothese bei fehlender Primärstabilität zementiert werden, um einen festen Sitz in der richtigen Länge zu gewährleisten. Im Falle einer Ulna-plus-Variante bei festem zementfreiem Sitz der Prothese kann eine Kapandji- oder Darrach-Operation in Erwägung gezogen werden. In unserem Kollektiv kam es bei zementfreiem Einbau in 33% der Fälle zu einem Einsinken der Prothese während des Heilungsverlaufs. Dies führte zu einem schmerzhaften Ulna-Impaktions-Syndrom, wobei die betreffenden Patienten das Angebot eines weiteren operativen Eingriffes ablehnten. Auch im Falle einer nicht rekonstruierbaren „sigmoid notch“ oder einer Ulnakopf- oder -halsfraktur kann eine Darrach-, Kapandji- oder Watson-Operation simultan zum Protheseneinbau durchgeführt werden.

Abb. 1: Beispiel einer geriatrischen Patientin mit einer komplexen C3-Fraktur, welche mit einer Radiushemiprothese behandelt wurde

Abb. 2: Intraoperativer Situs während einer Hemiprothesenimplantation

Betrachtet man nun die klinischen Ergebnisse der Radiushemiprothese, erscheinen diese besser und mit einer schnelleren Rehabilitation vergesellschaftet als die Ergebnisse bei rekonstruktiven osteosynthetischen Eingriffen.3 Die Ergebnisse der Cobra-Prothese zeigen eine durchschnittliche sagittale Beweglichkeit von 60–68° und eine Unterarmrotation von 136–164°. Die Handgelenksextension beträgt 27–46° im Durchschnitt, die Flexion 22–36°, die Radialabduktion 15–17°, die Ulnaabduktion 26–29°, die Pronation 67° und die Supination 69°. Auf der visuellen Analogskala (VAS) für Schmerz gaben die Patienten in den meisten Studien leichte Schmerzen an (VAS 1), wobei eine Studie einen höheren Wert von 3,8 im Durchschnitt zeigte. Unsere Patienten waren in Ruhe nahezu schmerzfrei (VAS 1), bei Belastung lag die Schmerzintensität bei durchschnittlich 3 Punkten. Die Griffkraft war unter den Studien inhomogen und variierte zwischen 44 und 78% im Vergleich zur kontralateralen Seite. Diese Diskrepanz kann jedoch möglicherweise auf das unterschiedliche Patientenalter in den Studien zurückgeführt werden. Der QuickDASH bzw. DASH-Score betrug bei diesen Patienten 25–59, der PRWE-Score 22–72, der MHQ-Score 65 und der Lyon-Score 50–75.

Hierbei ist zu erwähnen, dass die Ergebnisse in den Veröffentlichungen des Erstbeschreibers der Prothese4–6 in der Regel besser ausfallen als in einer weiteren, als unabhängig anzunehmenden Studie7. Zudem hat Herzberg in seinen Arbeiten die Ergebnisse von zwei Prothesentypen kombiniert. Betrachtet man unsere unabhängigen Ergebnisse, sind diese eher vergleichbar mit Herzbergs Ergebnissen.

Obwohl aufgrund der niedrigen Fallzahl Signifikanzen nicht statistisch berechenbar sind, konnten wir feststellen, dass eine zusätzliche Kapandji- oder Darrach-Operation den Schmerz bei Belastung geringfügig verringert (um 1 VAS-Punkt). Hinsichtlich der funktionellen Scores gibt es keinen relevanten Unterschied. Zudem konnten wir in knapp der Hälfte unserer Fälle ohne weitere Ulnaoperation entweder Erosionen oder arthrotische Veränderungen im distalen Radioulnargelenk beobachten. Einen klinischen Effekt konnten wir hierbei jedoch nicht objektivieren. Unserer Erfahrung nach empfiehlt es sich, die Prothese entweder zu zementieren oder eine Ulnakopfoperation durchzuführen, um einem Ulna-Impaktions-Syndrom vorzubeugen.

Grundsätzlich bietet die vorgestellte Hemiprothese die Möglichkeit einer schnellen Rehabilitation mit einem adäquat guten klinischen Ergebnis, wobei sie sicherlich noch keinen Goldstandard in der Behandlung von geriatrischen Patienten mit einer komplexen C3-Fraktur darstellt. Sie erweitert jedoch das operative Repertoire und kann in Einzelfällen eine gute Alternative zu rekonstruktiven Operationsverfahren sein. Die weitere Entwicklung sowie der Vergleich mit der konservativen Therapie und anderen operativen Verfahren, wie mit der Rekonstruktion mit Zementaugmentation, einer Teilarthrodese oder einer Totalprothese, bleiben bei dieser Patientenkohorte abzuwarten.

Autoren:
Dr. Peter Kaiser, PhD
Dr. Stefan Benedikt
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Rohit Arora
Universitätsklinik für Unfallchirurgie,
Medizinische Universität Innsbruck

Korrespondierender Autor:
Dr. Peter Kaiser
E-Mail: peter-markus.kaiser@i-med.ac.at

1 Arora R et al.: A prospective randomized trial comparing nonoperative treatment with volar locking plate fixation for displaced and unstable distal radial fractures in patients sixty-five years of age and older. J Bone Joint Surg Am 2011; 93(23): 2146-53 2 Kaiser P, Arora R: Die primäre Radiusfrakturprothese bei nicht rekonstruierbaren osteoporotischen distalen Radiusfrakturen. OP-Journal 2020; doi: 10.1055/a-1022-1622 3 Roux JL: Wrist hemiarthroplasty for distal radius fractures: 10 years of experience. Hand 2016; 11(1): 45-6 4 Herzberg G et al.: Primary wrist hemiarthroplasty for irreparable distal radius fracture in the independent elderly. J Wrist Surg 2015; 4(3): 156-63 5 Herzberg G et al.: Hemi-arthroplasty for distal radius fracture in the independent elderly. Orthop Traumatol Surg Res 2017; 103(6): 915-8 6 Herzberg G et al.: Wrist hemiarthroplasty for irreparable DRF in the elderly. Eur J Orthop Surg Traumatol 2018; 28(8): 1499-503 7 Anger F et al.: Results of wrist hemiarthroplasty for comminuted distal radius fractures in independent elderly people: A retrospective study on eleven patients. Hand Surg Rehabil 2019; 38(3): 150-6

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