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Neue Knieprothesen: kaum Evidenz für besseres Outcome

<p class="article-intro">In den vergangenen Jahren kamen neuere Knieprothesen auf den Markt, um das Outcome zu verbessern, so zum Beispiel Prothesen speziell für Frauen, «High flex»-Prothesen, solche mit asymmetrischer Tibia und asymmetrischem Femur oder gar massgefertigte Prothesen. Warum die neuen Designs bisher nicht besser sind als herkömmliche und wie die ideale Knieprothese aussehen könnte, erklärt Dr. med. Bernhard Christen aus Bern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>In einer der gr&ouml;ssten Studien zur Zufriedenheit mit Knieprothesen hatte ein Team um Otto Robertsson, Orthop&auml;de und Manager des schwedischen Prothesenregisters, 27 372 Patienten im Zeitraum von 1981 bis 1995 befragt.<sup>1</sup> 17 Prozent von ihnen waren nicht zufrieden, &auml;hnliche Ergebnisse fanden andere Arbeitsgruppen. Warum sind so viele Patienten nicht zufrieden?<br /><br /> B. Christen:</strong> Das Resultat nach einer Knieprothese h&auml;ngt von diversen Faktoren ab und ist Ausdruck der Komplexit&auml;t des Kniegelenkes und dessen Kinematik. Eine wichtige Rolle spielen die Ausgangslage, also zum Beispiel, unter welcher Erkrankung der Patient leidet, Geschlecht, Alter, Schmerzintensit&auml;t, psychische Faktoren und vor allem die Erwartungshaltung von Patient und Chirurg. Abgesehen davon entspricht die Biomechanik eines k&uuml;nstlichen Knies nicht derjenigen des nat&uuml;rlichen Gelenkes. Beispielsweise fehlt bei den meisten Knietotalprothesen das vordere Kreuzband, was mit dem Implantatdesign in irgendeiner Weise kompensiert werden muss. Auch wird der Laxit&auml;t des nat&uuml;rlichen Gelenks auf der lateralen Seite nicht Rechnung getragen. Plastik auf Metall kann auch nicht die nat&uuml;rliche D&auml;mpfung durch Gelenkknorpel und Menisken replizieren.<br /><br /><strong> Die Ergebnisse der schwedischen Studie blieben &uuml;ber den Zeitraum erstaunlicherweise konstant, was darauf schliessen lasse, so Robertsson und seine Kollegen, dass die Innovationen bei den Knieendoprothesen vermutlich wenig Effekt h&auml;tten. Die Hersteller haben in den vergangenen Jahren aber immer mehr neue Prothesen designt, um das Outcome zu verbessern. Zum Beispiel geschlechtsspezifische Prothesen, &laquo;High flex&raquo;-Prothesen, die eine bessere Beugung zulassen sollen, oder Prothesen mit asymmetrischer Tibia und asymmetrischem Femur. Geht es den Patienten damit besser?<br /><br /> B. Christen:</strong> In den letzten zehn Jahren haben s&auml;mtliche Innovationen, welche rein theoretisch und biomechanisch Vorteile bringen sollten, zu keinen relevanten Verbesserungen bei den Resultaten gef&uuml;hrt.<sup>2&ndash;8</sup> Es gibt aber offensichtlich Designs, welche ein besseres Langzeit&uuml;berleben zur Folge haben, wie dies in diversen Prothesenregistern zu sehen ist. Einiges d&uuml;rfte dabei mit der Gestaltung des Femoropatellargelenkes (&laquo;patellafreundliches Design&raquo;) zusammenh&auml;ngen. Manche Hersteller konnten zwar ein l&auml;ngeres &Uuml;berleben ihrer Prothesen nachweisen, aber Restbeschwerden und Funktion waren nicht besser als mit den &auml;lteren.<sup>9</sup> <br /><br /><strong>Die Hersteller mussten aber doch einen Grund f&uuml;r die neuen Designs gehabt haben.<br /><br /> B. Christen:</strong> Medizinischer Grund f&uuml;r die neuen Designs ist vor allem die Tatsache, dass fast 20 Prozent der Patienten mit den bisherigen Knieprothesen nicht zufrieden sind und es einige Aspekte gibt, welche grunds&auml;tzlich optimiert werden k&ouml;nnen. So k&ouml;nnte beispielsweise die Tibiaprothese inklusive Polyethylen posterolateral angepasst werden, um ein Popliteus-Impingement zu verhindern. Die grundlegende Problematik eines k&uuml;nstlichen Kniegelenkes mit einer Artikulation Metall auf Plastik oder eben das fehlende vordere Kreuzband konnten jedoch bisher noch nicht &uuml;berwunden werden. Schliesslich gibt es f&uuml;r die Firmen &ouml;konomische Anreize, neue Prothesen auf den Markt zu bringen.<br /><br /><strong> In den Medien wurde sehr positiv &uuml;ber die neue ConforMIS-Prothese aus den USA berichtet &ndash; angeblich eine &laquo;massgeschneiderte &raquo; Prothese. Was halten Sie davon?<br /><br /> B. Christen:</strong> Grunds&auml;tzlich ist die Idee einer individuellen Prothese bestechend, da die Anatomie der Kniegelenke eine erhebliche Variabilit&auml;t aufweist und mit konfektionierten Implantaten zum Teil nicht optimal rekonstruiert werden kann. Allerdings ber&uuml;cksichtigen die heutigen massgeschneiderten Prothesen die Anatomie nur bedingt, da Knorpelund Knochendefekte nicht einfach mit einbezogen werden k&ouml;nnen. G&auml;nzlich unber&uuml;cksichtigt bleibt ausserdem die ligament&auml;re Situation des individuellen Knies. Schliesslich werden mit den aktuellen massgeschneiderten Prothesen materialtechnische Normen unterschritten, sodass es zu Materialerm&uuml;dung und Prothesenbr&uuml;chen kommt. Auch die ConforMIS- Prothesen konnten bisher keine &Uuml;berlegenheit im Outcome demonstrieren. Erschwerend kommt hinzu, dass mit diesem System bisher nur relativ einfache Arthroseformen ohne gr&ouml;ssere Deformit&auml;ten behandelt werden k&ouml;nnen. Schliesslich kann mit konventionellen modernen Prothesen dank feinerer Gr&ouml;ssenabstufungen meistens ein absolut suffizienter Kompromiss f&uuml;r das individuelle Knie erzielt werden.<br /><br /><strong> Wie w&uuml;rde f&uuml;r Sie die ideale Knieprothese aussehen?<br /><br /> B. Christen:</strong> Hergestellt aus neuen Materialien, die eine nat&uuml;rlichere D&auml;mpfung und Elastizit&auml;t gew&auml;hrleisten, wie dies beim nat&uuml;rlichen Gelenk mit intaktem Knorpel und Menisken der Fall ist. Dann k&ouml;nnte wohl auch das fehlende vordere Kreuzband besser kompensiert werden. Zu perfektionieren gilt es sicher die Operationstechnik, um das Implantat m&ouml;glichst perfekt angepasst an die individuelle Anatomie implantieren zu k&ouml;nnen. Hier scheint momentan die Robotertechnologie am vielversprechendsten. Wenn schon individualisierte Prothese, dann m&uuml;sste das 3D-Printing intraoperativ unter Ber&uuml;cksichtigung der konkreten Weichteilsituation erfolgen k&ouml;nnen.<br /><br /><strong> Wovon h&auml;ngt f&uuml;r Sie der Erfolg einer Knieendoprothese ab?<br /><br /> B. Christen:</strong> Von einer soliden Indikation und den chirurgischen F&auml;higkeiten des Orthop&auml;den. Des Weiteren spielen Faktoren wie die Kompetenz des Spitals eine Rolle f&uuml;r das Outcome sowie Patientenfaktoren wie Geschlecht, Alter, Komorbidit&auml;ten oder die pr&auml;operative Beweglichkeit. Dies alles rangiert weit vor dem Stellenwert des Prothesendesigns.<br /><br /><strong> Inwiefern beeinflusst die Indikation Outcome und Patientenzufriedenheit?<br /><br /> B. Christen:</strong> Eine ideal eingesetzte Knieprothese wird zu einem unbefriedigenden Resultat f&uuml;hren, wenn die Indikation daf&uuml;r nicht korrekt war oder damit die Erwartungshaltung des Patienten nicht erf&uuml;llt werden konnte.<br /><br /><strong> Welche Knieprothesen setzen Sie in Ihrer Klinik ein? Was tun Sie f&uuml;r Patientenzufriedenheit und ein gutes Outcome?<br /><br /> B. Christen:</strong> Ich setze verschiedene Knieprothesenmodelle ein, um das konkrete Problem des Patienten m&ouml;glichst ideal l&ouml;sen zu k&ouml;nnen. Der Schl&uuml;ssel zum Erfolg liegt sicher in einer hohen Anzahl von Teilprothesen, die funktionell zu weit besseren Resultaten f&uuml;hren als Totalprothesen. Allerdings muss man dem Patienten mitteilen, dass mit der Teilprothese ein gr&ouml;sseres Revisionsrisiko erkauft wird. Entscheidend f&uuml;r den Erfolg ist aber auch, dass die Indikation und die Erwartungshaltung des Patienten bez&uuml;glich der Erfolgsaussichten, der Risiken und vor allem der Restbeschwerden stimmen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Robertsson O et al.: Acta Orthop Scand 2000; 71-3: 262-7 <strong>2</strong> Bartel DL et al.: J Bone Joint Surg Am 1986; 7: 1041-105 <strong>3</strong> Bistolfi A et al.: J Bone Joint Surg Am 2013; 12: e83 <strong>4</strong> Greene KA: J Arthroplasty 2007; 7(Suppl 3): 27-31 <strong>5</strong> MacDonald SJ et al.: Clin Orthop Relat Res 2008; 466: 2612-6 <strong>6</strong> Murphy M et al.: Int Orthop 2009; 4: 887-93 <strong>7</strong> Thomsen MG et al.: BMC Musculoskelet Disord 2013; 14: 127 <strong>8</strong> Moskal JT, Capps SG: Clin Orthopd Relat Res 2014; 472(7): 2185-93 <strong>9</strong> Baker PN et al.: J Bone Joint Surg Br 2007; 89-B: 893-900</p> </div> </p>
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