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Neue Ideen in der winkelstabilen Plattenosteosynthese
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Heiß
Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie – Operative Notaufnahme, Universitätsklinikum Gießen-Marburg GmbH, Standort Gießen<br> E-Mail: christian.heiss@chiru.med.uni-giessen.de
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Winkelstabile Implantate haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und zu einem deutlichen Fortschritt in der Versorgung von Frakturen der verschiedenen anatomischen Regionen geführt. Heutzutage bieten die winkelstabilen Implantate mit überzeugenden Ergebnissen bei der Anwendung in der Alterstraumatologie auch über den osteoporotischen Knochen hinaus deutliche Vorteile in der Stabilität und Versorgungsqualität.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Winkelstabile Implantate verbessern die dauerhafte Verankerung und somit die Osteosynthese und sichern dadurch eine frühfunktionelle Beübung der operierten Extremität.</li> <li>Die LOQTEQ®-Platte bietet neben der winkelstabilen Verankerung auch die Möglichkeit, eine Kompression auf den Frakturspalt aus­zuüben, um so die Knochenbruchheilung zu stimulieren.</li> <li>Gerade die LOQTEQ®-Platten für das distale Femur und die proximale Tibia zeichnen sich durch eine enorm hohe Stabilität aus, was eine frühzeitige Belastbarkeit der Osteosynthese und so die Frühmobilisation des Patienten auch nach „Open wedge“-Osteotomien ermöglicht.</li> <li>Innovative Funktionalisierungen, wie die Silberbeschichtung, erweitern das Indikationsspektrum, schützen vor Biofilmbildung und somit chronischen Infekten.</li> </ul> </div> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite46.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Das anatomische Traumaversorgungssystem LOQTEQ® der Firma aap Implantate AG wurde 2011 auf dem Markt eingeführt. Die Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Gießen-Marburg GmbH, Standort Gießen, Deutschland, gehörte zu den Erstanwendern dieses innovativen Systems. Kernfeature dieses Plattensystems ist eine Verriegelungstechnologie, die es ermöglicht, mit einer winkelstabilen Schraube eine interfragmentäre Kompression zu erzeugen und damit eine primäre Knochenheilung zu ermöglichen. Somit hat man bei der Versorgung mit diesem System die Wahl: entweder eine direkte Knochenbruchheilung durch eine exakte Reposition und interfragmentäre Kompression zu erzeugen oder durch Wiederherstellung der Achse und minimal invasives Einschieben der Platte eine indirekte Knochenbruchheilung zu ermöglichen.<br /> Die bereits seit einigen Jahren bekannte Möglichkeit, eine Kompression auf einen Frakturspalt auszuüben, indem eine nicht winkelstabile Schraube exzentrisch in ein Langloch eingeschraubt wird, wurde aufgegriffen und weiterentwickelt (Abb. 1). Über eine spezielle Zielbuchse kann die winkelstabile Schraube 1mm oder 2mm exzentrisch des Plattenlochgewindes eingeschraubt werden, gleitet durch die konische Form des Schraubenkopfes bei Eintritt in das Gleitloch in Richtung der Frakturzone und komprimiert das gefasste Fragment so gegen das Gegenfragment, bis das Kopfgewinde der Schraube im Plattenlochgewinde verriegelt wird. Die Verwendung einer winkelstabilen Schraube bietet dadurch mehr Sicherheit beim osteoporotischen Knochen und bei multifragmentären Frakturen, womit eine frühfunktionelle Übungsbehandlung und damit ein besseres Behandlungsergebnis erzielt werden können. Die hohe Stabilität der Platten-Schrauben-Verbindung wurde in aufwendigen biomechanischen Tests nachgewiesen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite47_1.jpg" alt="" width="736" height="494" /></p> <p>Nicht nur die Platten-Schrauben-Verbindung, sondern auch die Platten selbst verfügen über eine besonders hohe Festigkeit, welche in umfangreichen Untersuchungen nachgewiesen wurde. Hier zeigte sich bei der dynamischen Testung, dass sämtliche anatomische Platten des LOQTEQ®-Systems eine mindestens gleichwertige, in den meisten Fällen jedoch höhere Versagenslast als die Implantate anderer Hersteller hatten (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite47_2.jpg" alt="" width="740" height="544" /></p> <p>Insbesondere bei kniegelenknahen „Open wedge“-Umstellungsosteotomien ist eine belastbare Plattenosteosynthese notwendig, um die Osteotomie-/Defektsituation ausreichend und belastungsstabil versorgen zu können (Abb. 4). Materialversager konnten hierbei mit dem LOQTEQ®-System bislang nicht nachgewiesen oder gesehen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite47_3.jpg" alt="" width="380" height="743" /></p> <p>In einer experimentellen Studie zu Defektfrakturen am distalen Femur beim osteoporotischen Knochen erfolgte der Einsatz einer angepassten LOQTEQ®-Platte. Unmittelbar nach der operativen Versorgung wurde die operierte Extremität im Modell mit einem Gewicht von bis zu 100kg belastet. Hierbei wurden nach einer Beobachtungszeit von drei Mo­naten keinerlei Materialversager fest­gestellt, was für die hohe biomechanische Belastbarkeit der LOQTEQ®-Platte spricht.<br /> Das Plattensystem deckt alle gängigen Indikationen wie Clavicula, Humerus, Radius, Femur und Tibia ab. Nichtdestotrotz wird stetig an einer Erweiterung des Portfolios gearbeitet. Das kürzlich auf den Markt gebrachte periprothetische Plattensystem trägt dem steigenden Bedarf geriatrischer Versorgungen in der Alterstraumatologie Rechnung (Abb. 5). Auch hier wurde eine innovative Lösung gefunden, die es ermöglicht, kleine Scharniere an der Platte zu befestigen, in die wiederum polyaxiale Schrauben eingebracht werden können. Dieser hohe Grad an Freiheit ermöglicht es auch bei einliegender Hüft- oder Knieprothese (insbesondere auch Hüft- und Knie-Revisionsprothesen), Schrauben an dieser vorbei zu platzieren und damit eine stabile Osteosynthese herzustellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite47_4.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Besonders hervorzuheben ist auch das außerordentlich gute Explantationsverhalten der Plattensysteme. Probleme wie „cold welding“ oder fest eingewachsene Implantate, die zu erheblichen Verzögerungen der OP und unter Umständen auch zur Verunreinigung des Op-Situs durch Titanspäne führen können, traten bei keinem der bisher eingesetzten LOQTEQ®-Implantate auf. <br /> Auch das Thema Infektion steht bei der Firma aap im Fokus. Aktuell wird an einer Silberbeschichtung der Implantate gearbeitet (Abb. 6), welche die Biofilmbildung auf dem Implantat verhindern soll. Die Zulassung dieser Implantate wird noch heuer erwartet und verspricht eine zielführende Behandlung von Patienten mit offenen Frakturen oder im Rahmen von unterschiedlichen Infektsituationen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite48_1.jpg" alt="" width="738" height="621" /></p> <h2>Klinische Anwendungsbeispiele</h2> <p>Im Folgenden werden einige klinische Anwendungsbeispiele für die winkelstabilen LOQTEQ®-Platten gezeigt. In der Notfallaufnahme stellt sich ein 50-jähriger Patient vor, der im Rahmen eines häuslichen Unfalles auf den linken Arm gestürzt ist. Auf den CT-Bildern (Abb. 7) zeigt sich eine mehrfragmentäre Humeruskopffraktur.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite48_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Die winkelstabile Verankerung der Schrauben im Plattenloch ermöglicht eine stabile Osteosynthese (Abb. 8). Die Platte wird nicht durch die Haftreibung zwischen Platte und Knochen stabilisiert, sondern durch die Verbindung zwischen Kopfgewinde und Plattengewinde. Die winkelstabile Platte wird über einen weichteilschonenden Zugang (deltoideopectoral) von vorne zwischen dem M. deltoideus und der Brustmuskulatur eingebracht.</p> <p>Postoperativ erfolgt meist eine Ruhigstellung der operierten Extremität in einer Desault-Weste bis zum Abschluss der Wundheilung. Hierdurch kann sich das traumatisierte Weichteilgewebe erholen und die Gefahr einer Wundheilungs­störung ist geringer. Im Übrigen dient dies auch zur Schmerztherapie. Erste Pendelübungen ohne Widerstand können aber bereits zu diesem Zeitpunkt durch­geführt werden. Die winkelstabile Plattenosteosynthese gewährleistet meist eine übungsstabile Situation. Ein Belastungsaufbau wird nach radiologischer Kontrolle in der 7. Woche begonnen. Nach radiologisch gesicherter knöcherner Heilung erfolgt die Entfernung des Implantatmaterials in der Regel nach 1,5 Jahren. <br /> Ein 31-jähriger Patient hat sich bei einem Sprung von einer Treppe eine Tibia­kopffraktur zugezogen. Die initiale Röntgendiagnostik zeigt eine mehrfragmentäre Trümmerfraktur der lateralen Gelenkfläche (Abb. 9 A–C). Im weiteren Verlauf erfolgte die offene Reposition und winkelstabile Plattenosteosynthese mittels LOQTEQ®-Platte (Abb. 9 D–E). Während der Operation wird dabei das Kniegelenk eröffnet, um eine stufen­­lo­­se Wiederherstellung der Gelenkfläche des Tibiaplateaus zu erreichen. Die LOQTEQ®-Platte sichert dann die reponierten Fragmente in ihrer Position und bietet durch ihre lange Beschaffenheit und Dicke eine hervorragende Abstützfunktion, um die axialen Kräfte aufnehmen zu können.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite49_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Trotz der ausgezeichneten Stabilität der winkelstabilen Osteosyntheseplatte kommt es häufig zu Nachsinterungen des spongiösen Knochens und somit zum Einsinken der Gelenkfläche, weshalb eine achtwöchige Teilbelastung trotzdem notwendig ist. In der Regel heilt eine solche laterale Tibiakopffraktur binnen drei Monaten aus (Abb. 10 A und B). Eine Implantatentfernung wird gewöhnlich nach ein bis zwei Jahren empfohlen (Abb. 10 C und D).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite49_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Das winkelstabile Plattensystem LOQTEQ® stellt eine Verbesserung der bekannten winkelstabilen Implantate dar. Die Kompression und gleichzeitige Winkelstabilität erhöhen die Patientensicherheit. Die hohe mechanische Stabilität und Produktqualität der LOQTEQ®-Implantate reduzieren das Risiko für Implantatversagen auch bei schwierigen anatomischen Situationen und beim systemisch erkrankten Knochen (Osteoporose, Tumorerkrankung). Die deutlich einfachere Explantierbarkeit ohne Kaltverschweißung erhöht die Patientensicherheit und hilft, Kosten für aufwendige Explantationseingriffe zu vermeiden. Die neuen Entwicklungen wie die periprothetischen Implantate und eine antibakterielle Beschichtung zeigen den Weg auf, den die Implantate in naher Zukunft in der Alterstraumatologie und septischen Chirurgie nehmen werden.</p> </div></p>
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