
Nekrotisierende Weichteilinfektionen
Autorin:
Dr. Johanna Berger
Leiterin der Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie
Salzkammergut Klinikum Bad Ischl
E-Mail: johanna.berger@ooeg.at
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Nekrotisierende Weichteilinfektionen, bekannt vor allem als Gasbrand und nekrotisierende Fasziitis, sind selten, verlaufen oft foudroyant und enden immer wieder mit Amputationen und Todesfällen. Wenn in den Medien von „Killerbakterien“ die Rede ist, beschreibt dies sehr gut den oft dramatischen Verlauf dieser Erkrankungen. Wird die Gefahr erkannt und ohne Verzögerung eine konsequente multimodale Therapie eingeleitet, besteht durchaus die Chance, Leben zu retten und Extremitäten zu erhalten.
Keypoints
Nekrotisierende Weichteilinfekte sind seltene Notfälle, die mit einer Amputation oder sogar tödlich enden können.
Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch. Bei unklaren septischen Zustandsbildern immer auch an solche Infektionen denken!
Die Therapie muss ohne Verzögerung multimodal und multidisziplinär erfolgen: Hilfe holen, auch über Fachgrenzen hinweg, ist ein Muss!
Die notfallmäßige operative Versorgung braucht erfahrene, technisch routinierte Operateure, die auch in der Lage sind, einschneidende Entscheidungen zu treffen (Amputation ja/nein). Die weiteren Versorgungsschritte sollten vom oder zumindest mit dem Erstbehandler erfolgen.
Primär immer eine offene Wundbehandlung durchführen. Vacuseal-Verbände schaffen ein anaerobes Umfeld und können zu starken zusätzlichen Blutverlusten führen.
Nekrotisierende Weichteilinfektionen können überall am Körper auftreten und verschiedene Disziplinen betreffen, nicht nur die Orthopädie und Traumatologie. Die Terminologie ist verwirrend, es gibt Clostridieninfektionen – also das, was man gemeinhin unter einem Gasbrand versteht – auch ohne Gasbildung, anderseits gibt es bakterielle Infektionen mit Gasbildung ohne Nachweis von Clostridien. In der Praxis lässt sich unterscheiden zwischen Infekten, die primär die Faszien und das darüber liegende Gewebe betreffen, in diesem Artikel unter dem Terminus „nekrotisierende Fasziitis“ subsummiert, und der Myonekrose durch Clostridien, also dem „Gasbrand“.
„Gasbrand“: Myonekrose durch Clostridien
Gasbrand wird allgemein mit Krieg assoziiert, in Friedenszeiten handelt es sich um ein sehr seltenes Geschehen, das hierzulande nur wenige in der Praxis zu sehen bekommen. Erreger sind verschiedene Clostridien, anaerob und Sporen und Toxine bildend. Gasbrand betrifft primär die Muskulatur und führt sehr rasch zu einem schweren Schockzustand. Typisch sind sehr hohe CRP-Werte, ein niedriger Hämoglobinwert und Hypotonie. Ist der Körperstamm betroffen oder involviert die Infektion sekundär auch den Stamm, ist die Mortalitätsrate sehr hoch. Sind Extremitäten betroffen, so bleibt nach wie vor oft eine Amputation die einzige Möglichkeit, das Leben des Patienten zu retten. Tritt Gasbrand im Zuge von Traumen auf, braucht es ein anaerobes Milieu, also beispielsweise offene Frakturen mit schweren Weichteilschäden oder Schussverletzungen, vor allem mit Hochgeschwindigkeitsgeschoßen. Clostridien kommen aber auch im Gastrointestinaltrakt vor, was erklärt, dass beispielsweise auch nach Operationen im Hüftbereich Gasbrandfälle beschrieben werden. 2020 wurde eine Arbeit publiziert, die für ein Level-1-Traumazentrum in Deutschland während eines Zeitraums von 11 Jahren (2008–2018) nur 5 Fälle einer durch Clostridien verursachten Gasgangrän anführt, wobei die Mortalitätsrate 80% betrug (Leiblein et al.: Orthop Surg 2020; 12: 1733-47). Historisch gesehen wird in dieser Publikation eine Gasbrandrate von 5% aller Wunden im 1. Weltkrieg beschrieben, anderseits ist angeführt, dass im zivilen Kontext in den USA ungefähr 1000 Gasbrandfälle pro Jahr berichtet werden, die Hälfte davon nach Verletzungen, 30% nach Operationen und der Rest spontan, sehr oft im Zusammenhang mit Malignomen.
Kasuistiken
Die Autorin erlebte Anfang der 1990er-Jahre während ihrer Ausbildung zur Fachärztin für Unfallchirurgie in einem Krankenhaus der Basisversorgung zwei Gasbrandfälle.
Der erste Fall betraf einen Berufsjäger, der mit einem Jagdgast auf Auerhahnjagd war und von diesem versehentlich mit einer Schrotflinte angeschossen wurde. Die Bergung des Verletzten dauerte sehr lange, sodass der Patient erst nach ungefähr 4Stunden im Krankenhaus eintraf. Es fand sich infraglutaeal ein faustgroßes Loch, der ganze Oberschenkel bis zum Knie war von Schrotkugeln durchsiebt, der Knochen war unversehrt. Bei der Revision der Wunde zeigte sich, dass die Patronenhülse in der Wunde steckte und den Nervus ischiadicus teilweise schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte. Die Hülse wurde entfernt, es erfolgte ein Weichteildebridement, der Nervus ischiadicus wurde grob adaptiert und der weitere Verlauf abgewartet. Ungefähr 8Stunden später zeigte sich klinisch das Bild eines Gasbrandes und der Patient wurde zur weiteren Versorgung/hyperbaren Oxygenierung bodengebunden nach Graz transferiert. Er überlebte, aber um den Preis einer Enukleation des Beines in der Hüfte.
Der zweite Fall betraf eine Bäuerin, die in einer Holzhütte altes staubiges Holz hackte, dabei stürzte und sich eine mediale Schenkelhalsfraktur zuzog. Sie wurde zwecks hüftkopferhaltender Therapie rasch in den Operationsaal gebracht und mit einer 2-Loch-DHS und einer additiven Spongiosaschraube versorgt. Schon am ersten postoperativen Tag klagte die Patientin über ungewöhnlich starke Schmerzen, die sich auf entsprechende Schmerzmittelgaben kaum besserten. Im weiteren Verlauf schrie die Patientin dann vor Schmerzen, wobei die Wunde äußerlich weitgehend unauffällig war und sich auch keine Gasbildung zeigte. Auch bei dieser Patientin handelte es sich um eine Clostridieninfektion, auch sie wurde nach Graz transferiert und überlebte, es musste bei ihr aber ebenfalls das Bein in der Hüfte enukleiert werden.
Im Gegensatz zur Schrotschussverletzung, bei der die Gasbrandgefahr evident war, dachte beim zweiten Fall anfangs niemand an einen Clostridieninfekt. Das Leitsymptom waren hier die unerträglich starken Schmerzen im Operationsgebiet, die überhaupt nicht zur Persönlichkeit der Patientin und zum Lokalbefund passten.
Ein weiterer Fall einige Jahre später und in einem anderen Krankenhaus fiel wiederum durch unerträgliche rasende Schmerzen auf, die durch den Lokalbefund nicht zu erklären waren. Es handelte sich um eine junge Bäuerin, die sich einige Tage zuvor eine Miststreuerverletzung an der Hand mit mehreren kleinen Wunden zugezogen hatte. Sie wurde primär ambulant versorgt, alle Wunden wurden sorgfältig ausgeschnitten und revidiert, danach locker adaptiert. Nach zunächst unauffälligem Verlauf wurde die Patientin in weiterer Folge akut in deutlich reduziertem Allgemeinzustand in die Unfallambulanz gebracht und sofort stationär aufgenommen. Es kam zu einer Varizellenexazerbation, die zunächst als Ursache für den schlechten Zustand der Frau angesehen wurde. Wegen der rasenden Schmerzen in der Hand erfolgte eine notfallmäßige Revision der Wunden, es zeigte sich kein Eiter, vielmehr ein dünnflüssiges, seröses Sekret, das Gewebe präsentierte sich leicht missfärbig und nekrotisch zerfallend (Abb.1).
Es wurde die Hohlhand großzügig eröffnet, inklusive des Karpalkanals, und auch streckseitig wurde eine Fasziotomie durchgeführt. Die Patientin wurde akut zur Weiterbehandlung/hyperbaren Oxygenierung nach Graz transferiert. Im weiteren Verlauf musste zwar der Mittelfinger amputiert werden, sonst konnte die Hand jedoch gerettet werden. Im Rahmen des bakteriologischen Screenings wurden Clostridien sowie Staphylococcus aureus nachgewiesen.
Aus diesen Fällen und aus der Literatur lässt sich für die unfallchirurgisch-orthopädische Praxis Folgendes ableiten:
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Gasbrand ist in unseren Breiten sehr selten, aber möglich, und kann auch ohne Gasbildung einhergehen. Es handelt sich um eine perakut fortschreitende Infektion, die primär die Muskulatur betrifft und rasch zu einem Schockzustand führt. Sie entwickelt sich nicht nur bei Schussverletzungen, sondern kann auch bei anderen Wunden, vor allem bei schwer geschädigten Weichteilen, auftreten.
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Auch postoperativ kann Gasbrand entstehen, wobei bei Operationen im Hüftbereich durch die Nähe zum Darm eine erhöhte Gefahr für eine Clostridieninfektion besteht.
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Infektionen am Stamm verlaufen zu einem hohen Prozentsatz tödlich, an den Extremitäten ist häufig eine Amputation die einzige Möglichkeit, das Leben des Patienten zu retten.
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Die Inkubationszeit liegt in der Regel bei unter 4 Tagen, sehr selten beträgt sie aber auch nur einige Stunden. Häufig ist der plötzliche Schmerzbeginn im Bereich einer Wunde das erste Symptom, gefolgt von einem Anschwellen der Weichteile um die Wunde und einer dünnflüssigen, serösen Sekretion. Die Haut spannt und verfärbt sich braun oder wie Bronze, schließlich treten hämorrhagische Blasen auf und es entstehen nekrotische Areale. Bei Gasbildung kann man das typische Knistern tasten. Die äußerlich sichtbaren Veränderungen können aber auch ganz unspektakulär sein, sodass, sollten Patienten rasende unerträgliche Schmerzen schildern, die nicht zum Lokalbefund passen, dies immer ein absolutes Alarmzeichen darstellt (wobei man in diesem Zusammenhang auch immer an Tetanus denken sollte).
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Bei Verdacht auf einen Clostridieninfekt muss so rasch als möglich multimodal vorgegangen werden, mit intensivmedizinischer Versorgung, breiter antibiotischer Behandlung (wichtig hier vor allem auch Clindamycin wegen seiner Hemmung der Toxinsynthese und der Abschwächung der systemischen Toxinwirkung) und einem notfallmäßigen operativen Vorgehen. Ziel der Operation ist die möglichst radikale Resektion des gesamten nekrotischen Gewebes. Regelmäßig kann aber nur eine rasche Amputation/Enukleation das Leben des Patienten retten.
Hyperbare Oxygenierung
Der Stellenwert der hyperbaren Oxygenierung (HBOT) bei der Therapie von schweren nekrotisierenden Weichteilinfekten wird kontrovers diskutiert. Es gibt eine Studie aus den USA, die ausschließlich die Ergebnisse einer HBOT in 14 Zentren auswertete, die über diese Behandlungsmöglichkeit vor Ort verfügten (Shaw et al.: Surg Infect 2014; 15: 328-35). Die insgesamt 1583 Fälle wurden in 4 Schweregrade unterteilt und es zeigte sich, dass die HBOT nur bei den extrem schweren Fällen einen signifikanten Benefit zeigte, mit einer Mortalitätsrate von 4% gegenüber 23% (p<0,01). Gerade solche Fälle sind jedoch, wenn man sie transferieren muss, durch den Transport und die Zeitverzögerung oft vital gefährdet. Zusätzlich sind natürlich die intensivmedizinischen Therapiemöglichkeiten in einer Druckkammer begrenzt, sodass man sich sehr genau überlegen sollte, wen man zu einer HTOB wohin verlegt.
Nekrotisierende Fasziitis
Die nekrotisierende Fasziitis ist ebenfalls eine rasch fortschreitende gewebszerstörende Weichteilinfektion, die jedoch im Gegensatz zum Gasbrand primär die Faszien und das darüber liegende Weichteilgewebe betrifft. Nekrotisierende Fasziitiden können von Bagatellwunden wie Exkoriationen oder Insektenstichen ausgehen, aber auch von phlegmonösen Bursitiden bzw. von Wunden mit Bursaeröffnung und sekundärem Infekt. Manchmal lässt sich auch kein ursächliches Ereignis feststellen oder es stellt sich retrospektiv heraus, dass Steroidinjektionen, beispielsweise in die Bursa trochanterica, vorangegangen sind. Oft lassen sich mehrere Erreger nachweisen, typisch sind jedenfalls für diese Krankheitsbilder Konstellationen, die mit einer reduzierten Potenz des Immunsystems einhergehen, wie beispielsweise ein nicht erkannter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus.
Auch die nekrotisierende Fasziitis beginnt oft mit heftigen Schmerzen, die nicht zum vorliegenden Lokalbefund passen. Dieser ist manchmal auf den ersten Blick wenig spektakulär. Ein Alarmzeichen ist ein Anschwellen der Weichteile mit grau-bläulicher fleckiger Verfärbung der Haut ohne scharfe Abgrenzung. Die Haut imponiert stark gespannt, es entwickeln sich Blasen und schließlich schwärzliche Areale.
Das Vollbild einer nekrotisierenden Fasziitis bedingt einen septischen Schockzustand und stellt einen absoluten Notfall dar. Es muss so rasch wie möglich multimodal vorgegangen werden, mit intensivmedizinischer Versorgung, breiter antibiotischer Therapie und einem notfallmäßigen operativen Vorgehen. Ziel der Operation ist die möglichst radikale Resektion des gesamten nekrotischen Gewebes.
Eine Arbeit aus England, 2020 publiziert, führt von 1.1.2002 bis 31.12.2017 11042 Fälle von nekrotisierender Fasziits in Großbritannien an, mit einer altersstandardisierten Zunahme der Inzidenz von 9/Million im Jahr 2002 auf 21/Million 2017, wobei die altersstandardisierte Mortalitätsrate mit 16% in diesem Zeitraum konstant blieb (Bodansky et al.: World J Surg 2020; 44: 2580-91).
Die nekrotisierende Fasziitis hat grundsätzlich eine bessere Prognose als eine Clostridien-induzierte Myonekrose, vor allem an den Extremitäten. Am Stamm ist sie ebenfalls mit einer hohen Mortalitätsrate assoziiert.
Kasuistiken
2018 wurden im Salzkammergut Klinikum Bad Ischl zwei Fälle von nekrotisierender Fasziitis gesehen.
Der erste Fall betraf einen 41-jährigen, sehr adipösen Patienten, der wegen eines reduzierten Allgemeinzustandes und einer fraglichen Thrombose an die Interne Abteilung zugewiesen wurde. Es zeigte sich ein septisches Zustandsbild. Ein Diabetes mellitus war bekannt, ebenso eine arterielle Hypertonie.
Der Patient kam an die ICU, wo die zuständige Internistin um eine akute unfallchirurgische Begutachtung bat. Dabei fiel ein eindeutig verdickter rechter Oberschenkel auf, die Haut derb und gespannt, grau livide scheckig verfärbt, ohne scharfe Begrenzung zur Umgebung. Der Patient wurde wegen des dringenden Verdachts auf eine nekrotisierende Fasziitis notfallmäßig in den OP gebracht, wo aber bereits präoperativ Reanimationsmaßnahmen nötig wurden. Der rechte Oberschenkel wurde anterolateral in voller Länge mit einem durchgehenden Schnitt bis zur Faszie eröffnet. Es zeigte sich das gesamte Subkutangewebe nekrotisch zerfallend, ebenso die Faszien nach proximal bis zum Leistenband und weit zur Seite nach medial und nach lateral. Der Wunde entströmte ein penetrant süßlicher Geruch, große Teile der Quadrizepsmuskulatur waren ebenfalls bereits avital und wurden reseziert, so wie auch das übrige nekrotische Gewebe. Als Ausgangspunkt der Infektion zeigte sich eine phlegmonös zerfallende Bursa praepatellaris (Abb.2).
Abb. 2: Nekrotisierende Fasziitis am rechten Oberschenkel: Trotz Notoperation starb der Patient im septischen Schock
Die Operation musste mehrfach unterbrochen werden, weil der Patient immer wieder reanimiert werden musste. Er konnte zwar noch auf die ICU gebracht werden, verstarb dort aber einige Stunden postoperativ. Die Diagnose einer nekrotisierenden Fasziitis wurde histologisch bestätigt, als Erreger fand sich ein Staphylococcus aureus.
Der zweite Fall betraf einen 46-jährigen Patienten, der mit einem Weichteilinfekt am distalen Oberschenkel an der Chirurgie stationär aufgenommen wurde. Anamnestisch lag ein vor 4 Tagen diagnsostiziertes Erysipel vor. Der Patient präsentierte sich allgemein vernachlässigt, mit stark kariösen Zähnen. Es wurde ein Diabetes mellitus diagnostiziert, der vorher nicht bekannt war, eine entsprechende Therapie wurde eingeleitet.
Es zeigten sich stark erhöhte Entzündungsparameter. Eine intravenöse Therapie mit Unasyn® wurde begonnen, worauf es dem Patienten zunächst klinisch besser ging. Die Fotodokumentation des Lokalbefundes zeigt eine hellrot bis düsterrot livide verfärbte Haut proximal und distal der Kniekehle mit Blasenbildung und bereits schwärzlichen Nekrosearealen. Eine am 3. Aufenthaltstag durchgeführte CT zeigte Teile des Musculus biceps femoris langstreckig deutlich aufgetrieben, mit vermindertem Kontrastmittel-Enhancement, in erster Linie im Sinne eines entzündlichen Geschehens. Noch an diesem Tag wurde chirurgischerseits die Indikation zur OP gestellt.
Intraoperativ wurde die diensthabende Fachärztin für Unfallchirurgie um Hilfe gebeten, die in ihrem sehr detaillierten OP-Bericht im Absatz „Indikation“ unter anderem anführt, dass der Patient keine Schmerzen hatte – dies möglicherweise dem Diabetes geschuldet.
Als operativer Zugang wurde der distale Oberschenkelbereich gewählt. Der OP-Bericht beschreibt einen zerfallenden Musculus biceps femoris, umspült von trüb-rahmiger Flüssigkeit (Abb.3a). Es ist angeführt, dass „rundherum diverse Höhlen eröffnet“ worden seien, woraus sich überall besagtes trüb-seröses Sekret entleerte. Der Wundbereich wurde auch gespült, auf eine Nekrektomie verzichtete man jedoch. Die Behandler wählten eine offene Wundbehandlung mit Einlegen von in Polyhexanid getränkten Tüchern, der Patient wurde postoperativ an die ICU verlegt.
Am nächsten Tag fand sich dann bei der geplanten Revision das Vollbild einer nekrotisierenden Fasziitis, Haut und Subkutis großflächig zerfallend, ebenso ausgedehnte Nekrosen der Muskulatur vorliegend. Histologisch wurde eine nekrotisierende Fasziitis bestätigt, Erreger war ein Staphylococcus aureus.
Konsekutiv erfolgte ein rigoroses Weichteildebridement vom Tuber ischiadicum bis zum proximalen Unterschenkel, gefolgt von mehreren Nachdebridements. Der große Defekt in der Kniekehle wurde mit einem ALT-Flap vom kontralateralen Oberschenkel versorgt. Nach insgesamt 8 Operationen wurde der Patient schließlich mit Rollator mobilisiert und mit abgeheilten Wunden in die Reha entlassen (Abb.3b).
Abb. 3b: Weichteilrekonstruktion nach nekrotisierender Fasziitis, ALT-Flap vom kontralateralen Oberschenkel
Fazit
Wie in der 2020 publizierten Studie aus England beobachten auch wir eine auffallende Zunahme der Inzidenz schwerer nekrotisierender Weichteilinfektionen, typischerweise im Sommer bei sehr heißer Witterung. Möglicherweise wird der Klimawandel dazu führen, dass wir mit solchen Krankheitsbildern in Zukunft häufiger konfrontiert sein werden. Umso wichtiger erscheint es, sich mit diesem Thema eingehend auseinanderzusetzen, um möglichst rasch und effizient handeln zu können.
Literatur:
bei der Verfasserin