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Mind the treatment gap: Osteoporoseversorgung in Österreich
Jatros
Autor:
Dr. Oliver Thomas Malle
Universitätsklinik für Innere Medizin, LKH Graz<br> E-Mail: oliver.malle@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
14.02.2019
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<p class="article-intro">Mehrere therapeutische Möglichkeiten stehen zur Behandlung der Osteoporose zur Verfügung, wodurch das Frakturrisiko signifikant reduziert werden kann. Die Auswertung nationaler Daten aus Österreich zeigt jedoch eine unzureichende Osteoporoseversorgung.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Es existieren mehrere therapeutische Möglichkeiten zur Behandlung von an Osteoporose erkrankten Patienten, wodurch Frakturrisiko, Einschränkungen der Lebensqualität sowie Morbidität und Mortalität signifikant gesenkt werden können.</li> <li>In Österreich erhalten mehr als 8 von 10 Frauen und etwa 9 von 10 Männern trotz erlittener osteoporotischer Fraktur keine adäquate Therapie.</li> </ul> </div> <p>Osteoporose ist charakterisiert als Abnahme bzw. Strukturveränderung der Knochenmasse mit folglich erhöhtem Risiko für Knochenbrüche. Diese manifestieren sich prinzipiell am ganzen Skelett, Prädilektionsstellen sind Wirbelkörper, proximaler Femur, distaler Unterarm und subkapitaler Humerus. Weltweit sind etwa 200 Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen. Die Zahl der Betroffenen in Österreich wird auf 800 000 geschätzt. Im Zuge der demografischen Veränderungen steigt die Prävalenz kontinuierlich; auch in Zukunft wird sich diese Tendenz voraussichtlich fortsetzen. So zeigte sich zum Beispiel in der Zeit von 1989 bis 2000 eine Zunahme der Inzidenz von Hüftfrakturen bei Frauen von 493 auf 642/100 000. Etwa jede dritte Frau und jeder fünfte Mann erleiden in ihrem Leben zumindest einen durch Osteoporose bedingten Knochenbruch. Etwa alle 30 Sekunden erleidet ein Mensch in Österreich eine durch Osteoporose bedingte Fraktur. Da sich die Erkrankung meist schleichend und symptomlos entwickelt, weiß etwa ein Viertel nichts von seiner Grunderkrankung; oft führt erst eine niedrigtraumatisch bedingte Fraktur der bereits porösen Knochen zur Diagnose.<br /> Die chirurgische Versorgung einer Fraktur stellt meist die wichtigste Akuttherapie dar und ermöglicht eine adäquate Knochenheilung. Langzeitkomplikationen resultieren jedoch aus der anschließenden eingeschränkten oder gänzlich fehlenden Mobilität. Bis zu 20 % der Patienten versterben innerhalb eines Jahres nach Hüftfraktur. Von den Überlebenden erreichen weniger als die Hälfte wieder die ursprüngliche Funktionalität des Bewegungsapparates. Bei einem Großteil besteht eine Einschränkung der Lebensqualität fort, welche als folgenschwerer als z.B. jene durch rheumatische Erkrankungen beschrieben wird. Die hohe Sterberate nach einer Hüftfraktur ist häufig auf vorhandene Komorbiditäten zurückzuführen. Es wird jedoch angenommen, dass ein Drittel der Todesfälle direkt oder indirekt durch die Hüftfraktur bedingt ist. Dieser Annahme nach sterben mehr Menschen an den Folgen einer Hüftfraktur als etwa durch Verkehrsunfälle und in etwa gleich viele wie an Brustkrebs. Osteoporose stellt somit nicht nur für das Individuum eine große Belastung dar, sondern ist aufgrund assoziierter Kosten auch aus sozioökonomischer Sicht für das Gemeinwesen relevant.<br /> Da überwiegend Frauen von Osteoporose betroffen sind (Verhältnis Frau/ Mann 3:1), wird das Ausmaß der Erkrankung bei Männern oft unterschätzt. Entgegen der gesellschaftlich verbreiteten Annahme, dass Osteoporose nur weibliche Personen betrifft, lässt sich die Zunahme der Inzidenz osteoporotischer Frakturen mit ansteigendem Alter auch bei Männern feststellen. Morbidität und Mortalität sind bei Männern nach Hüftfraktur sogar höher als bei Frauen. Insgesamt betreffen etwa 20 % aller osteoporotisch bedingten Hüftfrakturen Männer.<br /> Prinzipiell kann die Diagnose einer Osteoporose mittels osteodensitometrisch verifizierter Knochendichte in Abhängigkeit vom Patientenalter und von anderen Faktoren gestellt werden. Eine ausführliche Anamnese, bei der eine eindeutig niedrigtraumatisch bedingte Fraktur insbesondere an den Prädilektionsstellen zu erheben ist, kann in der Diagnosefindung wegweisend sein und eine Osteoporosetherapie oft unabhängig von vorliegenden Knochendichteparametern rechtfertigen.<br /> Als therapeutische Möglichkeiten stehen neben Allgemeinmaßnahmen sowie einer Basisversorgung mit Kalzium und Vitamin D verschiedene Medikamente zur Verfügung, deren primäres Ziel die Reduktion des Risikos für erneute Frakturen ist. Mit einer adäquaten und rechtzeitigen Therapie kann die Zahl osteoporotisch bedingter Frakturen signifikant gesenkt werden. Effektive Behandlungsmöglichkeiten stehen somit zur Verfügung.<br /> Ergebnisse der International Costs and Utilities Related to Osteoporotic Fractures Study (ICUROS) liefern jedoch ernüchternde Ergebnisse. 2007 durch die International Osteoporosis Foundation (IOF) initiiert, verfolgte diese multinationale, prospektive Studie das Ziel, Informationen von Personen, welche eine osteoporotische Fraktur erlitten, hinsichtlich Therapie, Lebensqualität sowie gesundheitlicher und finanzieller Folgen zu erfassen. Die Auswertung der in Österreich erhobenen Daten zeigt, dass die Behandlungsrate nach erlittener osteoporotischer Fraktur bei etwa 16 % bei Frauen und 10 % bei Männern liegt. Das heißt, dass trotz bestehender Indikation für eine Osteoporosetherapie weniger als zwei von 10 Frauen bzw. nur einer von 10 Männern eine adäquate Therapie erhalten. Der Großteil der Patienten erhält über den Beobachtungszeitraum von 18 Monaten keine entsprechende Therapie. Zudem wird bei etwa einem Drittel der Patienten, bei denen zum Zeitpunkt der Fraktur bereits eine Osteoporosetherapie bestanden hat, diese innerhalb der folgenden 18 Monate beendet (Abb. 1). Die Gründe für die Unterversorgung von Osteoporosepatienten wurden im Rahmen der ICUROS nicht untersucht und reichen gemäß anderen internationalen Studien von fehlendem Bewusstsein hinsichtlich der Notwendigkeit einer Osteoporosetherapie seitens des ärztlichen Personals bis zur fehlenden Compliance der Patienten.<br /> Die Ergebnisse der ICUROS zeigen ein mangelndes Bewusstsein in Bezug auf die Notwendigkeit einer adäquaten Therapie nach erlittener osteoporotischer Fraktur sowie in Bezug auf die vorhandene Möglichkeit, mit einer adäquaten Therapie das Risiko für weitere Frakturen zu senken. Eine Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen akuter chirurgischer Versorgung und anschließenden präventiven Maßnahmen mit verbesserter Behandlungsrate wäre nicht nur im Sinne einer effektiven sozioökonomischen Gesundheitsversorgung, sondern würde auch zu einer Senkung der Morbidität, der Mortalität, der Einschränkungen der Lebensqualität sowie der finanziellen Belastung der Betroffenen führen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1901_Weblinks_jatros_ortho_1901_s30_abb1.jpg" alt="" width="550" height="359" /></p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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