Management der intraoperativen Diagnostik bei periprothetischen Gelenksinfektionen

Die Diagnostik von periprothetischen Gelenksinfektionen, verursacht durch niedrig virulente Mikroorganismen, stellt weiterhin eine Herausforderung dar. Die akkurate intraoperative Probengewinnung ist für eine optimale Diagnostik und Therapie essenziell.

Keypoints
  • Die Probengewinnung wird am Beginn der Operation und vor dem ausgedehnten Dé­bridement empfohlen.

  • Mindestens zwei Gewebeproben sollten histopathologisch evaluiert werden.

  • Zur mikrobiologischen Analyse werden 4–6 Gewebe­proben und die Sonifikation empfohlen.

  • Zur mikrobiologischen Analyse werden 4–6 Gewebe­proben und die Sonifikation empfohlen.

Eine akkurate Diagnostik zum Ausschluss oder zur Bestätigung einer periprothetischen Gelenksinfektion (PPI) ist für die Planung der Revisionsoperation (septisch [DAIR, einzeitiger Wechsel, zweizeitiger Wechsel] vs. aseptisch [einzeitiger Wechsel]) essenziell, kann jedoch eine Herausforderung für Orthopäden, Unfallchirurgen, Infektiologen und Mikrobiologen, vor allem bei Low-Grade-Infektionen, verursacht durch Biofilm-produzierende Mikroorganismen, darstellen. Ein standardisiertes, evidenzbasiertes und akkurates Work-up ist notwendig, um für den Patienten die bestmögliche chirurgische als auch antimikrobielle Therapie zu gewährleisten oder um eventuell unnötige zweizeitige Wechsel und prolongierte antibiotische Therapien zu vermeiden.

Präoperativ steht neben der Anamnese, der klinischen Untersuchung und der Bildgebung die Evaluation der Serumparameter (CRP, BSG, D-Dimer etc.) zur Diagnostik von PPI zur Verfügung. Aufgrund der in der Literatur dargestellten niedrigen Spezifitäten (71–88%)1–4 von vor allem CRP und BSG konnten die Serumparameter nicht als infektionsbestätigende Testmethoden definiert werden und müssen durch spezifischere präoperative Testmethoden komplementiert werden. Die Bestimmung der Leukozytenzahl (Sensitivität: 91–98%; Spezifität: 88–100%) und der Prozentsatz der polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten (Sensitivität: 93–98%; Spezifität: 83–98%) in der Synovialflüssigkeit nach Aspiration des betroffenen Gelenkes unter sterilen Kautelen sind derzeit die sichersten präoperativen Testmethoden zur Beurteilung von PPI.5–8 Die Ergebnisse dieser Methoden können jedoch schwer zu interpretieren sein: Die Leukozytenzahl und der Prozentsatz der neutrophilen Granulozyten können durch Kristallarthropathien, periprothetische Frakturen und/oder rheumatoide Arthritiden beeinflusst werden und falsch positive Resultate aufweisen. Bei Blutkontamination ist die Zellzahl ebenfalls erhöht und kann nicht fehlerfrei beurteilt werden. Ebenso kann die Synovialfüssigkeit bei zu hoher Viskosität (bei Pus oder zu hoher Zellzahl) verklumpen. In diesen Fällen ist eine automatische Zellzahlanalyse trotz Zusatz von Hyaluronidase meist nicht mehr möglich. Ein weiterer Baustein in der präoperativen Diagnostik ist die mikrobiologische Analyse der Synovialflüssigkeit mittels Kultur, die in der Literatur jedoch aufgrund der niedrigen Sensitivitäten (44–71%) bei hohen Spezifitäten (94–97%) kontrovers diskutiert wird.9–12

Abb. 1: Röntgenbilder (a.p. [A, B]und axial [C]) eines 76-jährigen Mannes 2,5 Jahre nach Primärimplantation einer Hüfttotalendoprothese rechts. Der Patient berichtete über Schmerzen im Bereich des rechten proximalen Oberschenkels seit ca. 1 Jahr. Die Röntgenbilder zeigen eine Sinterung des Schaftes mit Schaftlockerung. Präoperativ konnte bei einem Serum-CRP von 0,58mg/dL, einer Leukozytenzahl in der Synovialflüssigkeit von 1253 G/L und einem Prozentsatz der polymorphkernigen Neutrophilen von 62% ohne Nachweis eines Mikroorganismus in der Synovialflüssigkeit eine Infektion nicht bestätigt werden. Der intraoperativ durchgeführte Gefrierschnitt zeigte jedoch eine Infektion. Der qualitative alpha-Defensin Test („Lateral flow“ Test) war ebenso positiv. Die definitive Histologie bestätigte eine periprothetische Hüftgelenksinfektion. In der Gewebekultur sowie in der Kultur der Sonikationsflüssigkeit konnte Finegoldia magna nachgewiesen werden

Intraoperative Testmethoden

Bei nicht verfügbaren bzw. nicht interpretierbaren präoperativen Ergebnissen ist der Operateur von den Resultaten der intraoperativen Testmethoden abhängig. Intraoperative Analysen zeigen die sicherste Performance aller derzeit verfügbaren Testmethoden. Die präzise und vor allem sterile Probengewinnung ist daher essenziell: Zu Beginn der Operation – vor dem ausgedehnten Débridement und vor zu starker Kontamination des chirurgischen Situs durch die Diathermie und Absaugvorrichtung – werden die Gewebeproben für die mikrobiologischen und histopathologischen Analysen gewonnen.

Mikrobiologische Evaluierung

Für die mikrobiologische Evaluierung werden 4–6 Gewebeproben empfohlen,13,14 wobei der Einsatz von neuen sterilen Instrumenten (Pinzette, Skalpell) für jede einzelne Probe zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen angeraten wird.15 Die Proben sollen dabei direkt, ohne jegliche Kontamination in einen sterilen Behälter, der auch für den Transport zur Mikrobiologie geeignet ist, überführt werden. Eine Langzeitbebrütung von 14 Tagen wird zur Kultivierung von niedrig virulenten Keimen, wie zum Beispiel koagulase-negative Staphylokken oder Cutibacterium spp. (vormals Propionibacterium spp.), empfohlen.

Die phänotypische Evaluierung mittels konventioneller Kultur von intraoperativ gewonnenem Gewebe ist der derzeitige Goldstandard, um den verursachenden Keim zu identifizieren. Sie zeigt eine höhere Sensitivität (61–71%) und ebenso gute Spezifität (95–99%) im Vergleich zu mikrobiologischen Untersuchungen der Synovialflüssigkeit.11,13,16,17

Die Einführung der Sonikation führte zu einer weiteren Erhöhung der Detektionsrate von niedrig virulenten Keimen.7,16 Hierbei werden die nur gering aktiven Mikroorganismen („persister cells“) aus dem Biofilm auf Metall-, Keramik- oder Polyethylenimplantaten durch Ultraschall in die Sonikationsflüssigkeit freigesetzt. Die Sonikationsflüssigkeit kann anschließend mikrobiologisch analysiert werden. Es wurden Sensitivitäten von 71–83% und Spezifitäten von 95–100% beschrieben.7,11,16,17 Die Inokulation der Sonikationsflüssigkeit in Blutkulturflaschen zeigte eine weitere Verbesserung der Sensitivität auf 89% mit zusätzlich reduzierter Detektionszeit, vor allem in Bezug auf niedrig virulente Keime.18 Bei der kombinierten mikrobiologischen Evaluierung von Gewebeproben und der Sonikationsflüssigkeit wurde eine zusätzliche Erhöhung der Identifikationsrate von Bakterien beschrieben.14

Um die Detektionsrate von Mikroorganismen weiter zu optimieren, sollte eine antimikrobielle Therapie für mindestens 14 Tage präoperativ abgesetzt werden. Abstriche jeglicher Art sind aufgrund der hohen Kontaminationsrate bzw. Ungenauigkeit obsolet.

Histopathologische Evaluierung

Die Histopathologie zeigte in der Literatur Sensitivitäten von 81–100% und Spezifitäten von 96–100% in der Diagnostik von PPI.2,5,19,20 Aufgrund der sehr hohen Genauigkeit sollten mindestens zwei Gewebeproben, am besten Teile der periprothetischen Membran und der Pseudokapsel,21 histopathologisch durch einen auf muskuloskelettale Infektionen spezialisierten Pathologen analysiert werden.22 Dieser kann vergleichsweise nicht nur zwischen septisch und aseptisch differenzieren, sondern kann zum Beispiel anhand der Krenn- und Morawietz-Kriterien ebenso zwischen einem Abriebtyp (Typ1), infektiösen Typ (Typ 2), Mischtyp (Typ 3) und Indifferenztyp (Typ 4) unterscheiden.19 Einen entscheidenden Diskussionspunkt stellen jedoch die eingesetzten Grenzwerte der neutrophilen Granulozyten per High-Power-Field der einzelnen Studien dar. Ein internationaler Konsensus konnte bislang nicht gefunden werden.

Ein großer Nachteil der Kultur (1–14 Tage) und der Histopathologie (1–5 Tage) ist die prolongierte Zeitspanne bis zum Erlangen der Ergebnisse. Sind die Ergebnisse der präoperativen Tests nicht eindeutig interpretierbar bzw. kann präoperativ eine PPI nicht eindeutig bestätigt oder ausgeschlossen werden, ist der Operateur von den intraoperativ schnell verfügbaren Testmethoden, wie zum Beispiel dem Gefrierschnitt oder dem qualitativen alpha-DefensinTest, abhängig. Der Gefrierschnitt zeigte in den Händen eines erfahrenen Pathologen eine beinahe perfekte Übereinstimmung (99%, Cohen’s Kappa 0,97) mit der definitiven Histologie und kann daher ebenso als infektionsbestätigender Test empfohlen werden.22 Erneut kann hier die Gewinnung von mindestens zwei Gewebeproben angeraten werden.

Alpha-DefensinTest

Verschiedenen Kliniken steht die intraoperative Gefrierschnittdiagnostik jedoch nicht zur Verfügung. In diesen Fällen kann der qualitative alpha-DefensinTest („Lateral flow“Test) durchgeführt werden. Obwohl im Vergleich zum Gefrierschnitt (86%) eine niedrigere Sensitivität beobachtet wurde (69%), punktet der alpha-DefensinTest mit einer hohen Spezifität (93%) und einer schnellen Durchlaufzeit (10 Minuten), was eine rasche intraoperative Entscheidungsfindung (septische vs. aseptische Chirurgie) in Kliniken ohne Gefrierschnittdiagnostik ermöglicht.

Dennoch wird darauf hingewiesen, dass keine der genannten Methoden eine 100%ige Genauigkeit respektive Sensitivität und Spezifität aufweist, weshalb die Ergebnisse immer in Zusammenschau mit den restlichen durchgeführten Testmethoden beurteilt werden sollten. Aus diesem Grund wurden durch anerkannte orthopädische und infektiologische Gesellschaften (Musculoskeletal Infection Society [MSIS]23, Infectious Disease Society of America [IDSA]24, European Bone and Joint Infection Society [EBJIS]25) Kriterien zur Infektionsdiagnostik definiert.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die akkurate Probengewinnung für eine optimale Diagnostik und Therapie essenziell ist und eine unsachgemäße Durchführung zu falsch positiven Ergebnissen mit unnötigen Operationen oder zu falsch negativen Ergebnissen mit inadäquatem Débridement und neuerlichen Operationen führen kann.

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