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Kongenitale Deformitäten der unteren Extremität

<p class="article-intro">Kongenitale Längsdefekte an Ober- und/oder Unterschenkel und die kongenitale Pseudarthrose der Tibia gehören nach wie vor zu den am schwierigsten rekonstruierbaren Fehlbildungen in der Kinderorthopädie. Während die längste Zeit die Knochenverlängerung und deren Limitationen im Vordergrund standen, sind es nun eher die Veränderungen an den Gelenken und den Weichteilen, die durch neue operative Techniken adressiert werden, wodurch das funktionelle Outcome verbessert werden kann.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Zu den angeborenen L&auml;ngsmissbildungen z&auml;hlen der kongenitale Femurdefekt (&bdquo;congenital femoral deficiency&ldquo;, CFD), die Fibulahemimelie (FH) und die Tibiahemimelie. Es handelt sich hierbei um St&ouml;rungen, die in der fr&uuml;hen Embryonalentwicklung durch eine fehlerhafte Ausknospung der Extremit&auml;ten entstehen. Die kongenitale Tibiapseudarthrose ist sowohl von der Genese her als auch in Verlauf und Behandlung abzugrenzen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb1.jpg" alt="" width="1094" height="393" /></p> <h2>Kongenitaler Femurdefekt und Fibulahemimelie</h2> <p>Femurdefekt und Fibulahemimelie kommen oft gemeinsam vor und zeigen besonders um das Kniegelenk gemeinsame Pathologien. Dennoch ist oft eine der beiden deutlich pr&auml;dominant. Der Femurdefekt reicht von einer milden Verk&uuml;rzung des Femurs bis zu einem fast vollst&auml;ndigen Fehlen desselben. Auch die Fibulahemimelie kann von einer milden Verk&uuml;rzung des Unterschenkels mit vermehrter Knicksenkfu&szlig;- Stellung bis hin zu einer massiven Verk&uuml;rzung mit schweren Ver&auml;nderungen im Sprunggelenk und einem nur 2&ndash;3-strahligen Fu&szlig; vorliegen (Abb. 1). <br />Oft beginnt die Beratung bereits pr&auml;natal. Besonders bei ausgepr&auml;gten Verk&uuml;rzungen der Extremit&auml;t oder Strahlendefekten erfolgt h&auml;ufig eine pr&auml;natale Erfassung im Ultraschall, welche optimalerweise eine kinderorthop&auml;dische Konsultation nach sich zieht.<sup>1</sup> Dabei kann mit Formeln zur Wachstumsberechnung die Beinl&auml;ngendifferenz bei Geburt und bei Wachstumsabschluss berechnet werden<sup>2</sup> und damit ein grober Behandlungsplan mit ungef&auml;hrer Anzahl der Operationen und funktioneller Prognose erstellt werden. <br />Die gebr&auml;uchlichste Klassifikation des Femurdefekts, die auch f&uuml;r die Behandlung relevant ist, stammt von Paley und umfasst 4 Typen, die noch in Subgruppen A und B unterteilt sind.<sup>3</sup> Bei Typ I ist das Femur intakt ausgebildet und Knie und H&uuml;ftgelenk sind mobil. Bei diesen leichten F&auml;llen ist &ndash; abgesehen von der Verl&auml;ngerung &ndash; oft kein Zusatzeingriff an Becken oder Gelenken erforderlich. Die erste Verl&auml;ngerung f&uuml;hren wir in der Regel bei einer Beinl&auml;ngendifferenz von 4&ndash;5 cm durch, da dies ein Ausma&szlig; ist, welches sicher und unkompliziert mit einer Verl&auml;ngerung ausgeglichen werden kann. Auch Schulwechsel oder andere famili&auml;re Umst&auml;nde sind bei der Wahl des Operationszeitpunkts zu ber&uuml;cksichtigen. <br />Abh&auml;ngig vom Schweregrad der Dysplasie ist das vordere Kreuzband hypo- oder aplastisch. Auch das hintere Kreuzband kann hypoplastisch sein oder selten auch g&auml;nzlich fehlen.<sup>4</sup> Um bei der dadurch bestehenden Kniegelenksinstabilit&auml;t keine Subluxation des Kniegelenks zu riskieren, stabilisieren wir es w&auml;hrend der Verl&auml;ngerung mit einem Hexapoden-Fixateur, wie dem Taylor Spatial Frame&reg; (Smith &amp; Nephew), mit einer knie&uuml;bergreifenden Montage mit flexiblen Gelenken (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb2-3.jpg" alt="" width="1089" height="854" /><br />Nach erfolgter Verl&auml;ngerung und dem Apparatabbau ist beim Femurdefekt die Frakturgefahr besonders gro&szlig;.<sup>5</sup> Daher schlie&szlig;en wir immer eine intramedull&auml;re Stabilisierung an den Abbau des Fixateurs an. Dies gelingt am einfachsten mit einem Rush-Pin, der nach dem Apparatabbau in derselben Sitzung eingebracht wird. <br />Ab etwa dem 10. Lebensjahr ist bei ausreichender Kniestabilit&auml;t und gleichzeitiger knie&uuml;bergreifender Orthesenversorgung auch eine Verl&auml;ngerung mit einem intramedull&auml;ren Verl&auml;ngerungsmarknagel m&ouml;glich. Die neueste Generation (Precice Stryde&reg;, NuVasive) erlaubt dabei eine Vollbelastung w&auml;hrend der Verl&auml;ngerung (Abb. 3). Durch die Hypoplasie der distalen lateralen Femurepiphyse kommt es w&auml;hrend des Wachstums rezidivierend zu einer Valgusfehlstellung,<sup>6</sup> welche entweder im Rahmen der Verl&auml;ngerung oder mit einer Wachstumslenkung (Hemiepiphysiodese) korrigiert werden kann. <br />Der kongenitale Femurdefekt Typ Ib zeigt eine verz&ouml;gerte Ossifikation am Schenkelhals. Bei diesen schwereren F&auml;llen ist immer auch eine verminderte &Uuml;berdachung der H&uuml;fte vorhanden, welche beim Typ Ia seltener ist. Diese Pfannendysplasie muss vor einer Verl&auml;ngerungsoperation adressiert werden, um eine Luxation der H&uuml;fte zu verhindern. Beim Typ Ib zeigt sich auch immer eine dreidimensionale Fehlstellung am proximalen Femur, bestehend aus Varus, Flexion und Retrotorsion. Dabei sind auch die Weichteile ver&auml;ndert, es besteht unter anderem eine Verk&uuml;rzung der H&uuml;ftbeuger und der Abduktoren. Um diese kombinierte weichteilige und kn&ouml;cherne dreidimensionale Fehlstellung korrigieren zu k&ouml;nnen, entwickelte Paley in den sp&auml;ten 90ern die sogenannte &bdquo;Super hip&ldquo;-Operation (Abb. 4).<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb4.jpg" alt="" width="1192" height="536" /> <br />Der Typ II zeichnet sich durch eine mobile Pseudarthrose aus, wobei bei Typ IIa der H&uuml;ftkopf in der Pfanne beweglich ist. Hier ist &auml;hnlich wie bei Typ Ib eine Rekonstruktion mit einer &bdquo;Super hip&ldquo;-Operation und Stabilisierung der Pseudarthrose m&ouml;glich. Bei Typ IIb ist der H&uuml;ftkopf unbeweglich an die Pfanne fusioniert oder fehlt vollst&auml;ndig. Hier ist nur fallweise eine Rekonstruktion m&ouml;glich. <br />Der Typ III zeichnet sich durch einen diaphys&auml;ren Femurdefekt aus, bei dem das coxale Femurende und auch die Apophyse des Trochanters major fehlen. Bei diesen F&auml;llen ist &ndash; abh&auml;ngig vom Bewegungsumfang und der funktionellen Situation des Kniegelenks &ndash; eine Umkehrplastik mit Drehen der Extremit&auml;t auf die H&ouml;he des H&uuml;ftgelenks und anschlie&szlig;ender Fusion des Femurs mit dem Becken m&ouml;glich.<sup>7, 8</sup> Da das Knie funktionell zum H&uuml;ftgelenk und das Sprunggelenk zum Knie wird, ist eine prothetische Versorgung mit aktiver Beugung im Knie m&ouml;glich. <br />Beim Typ IV, bei dem das distale Femur dysplastisch ist, kann ein Gelenk aus den schr&auml;gen Fl&auml;chen an Femur und Tibia geschaffen werden, welches durch entsprechende Umstellungsosteotomien an beiden Knochen horizontalisiert werden kann. Daran anschlie&szlig;end kann eine Verl&auml;ngerung erfolgen. Die Typen Ia, Ib und IIa sind die h&auml;ufigsten Formen, w&auml;hrend die &uuml;brigen Typen, besonders auch Typ IV, sehr selten sind. <br />Auch die Fibulahemimelie wird nach Paley klassifiziert, wobei diese Klassifikation 4 Typen in aufsteigendem Schweregrad mit mehreren Subtypen unterscheidet.<sup>9</sup> Wiederum ist bei milden Formen unter Ber&uuml;cksichtigung der Instabilit&auml;t im Kniegelenk eine Verl&auml;ngerung bei entsprechender Beinl&auml;ngendifferenz mit dem Hexapoden-Fixateur unsere Therapie der Wahl. Bei milderen Formen ist oft die Relation Tibia zu Fibula am unteren Sprunggelenk ver&auml;ndert. Dies l&auml;sst sich durch eine Umstellung und Verk&uuml;rzung der Tibia bei Aufl&ouml;sen des distalen Tibiofibulargelenks und der Syndesmose korrigieren. Die geshiftete Fibula wird dann wieder entweder im Verbund mit einem Fixateur mit einem Olivenbohrdraht oder mit einem TightRope&reg; (Arthrex) stabilisiert.<sup>9</sup> Bei mittelschweren und schweren F&auml;llen, bei denen die Fibula radiologisch fehlt, zeigt sich eine Prokurvation an der Tibia am &Uuml;bergang vom mittleren zum distalen Drittel. Bei diesen F&auml;llen f&uuml;hren wir die erste Operation bereits im Alter von 18&ndash;24 Monaten durch, wobei hierbei die fibulare Anlage reseziert und die Tibia unter Resektion und Korrektur der Prokurvation verk&uuml;rzt wird, um den Fu&szlig; aus dem oft extremen Spitzfu&szlig; in eine gut belastbare Position zu bringen. Die fibulare Anlage ist ein Rest der Fibula, der von einem manchmal vorhandenen Rest des lateralen Malleolus oder fast anschlie&szlig;end an den Kalkaneus nach proximal zieht. Die fibulare Anlage muss reseziert werden, um einem &bdquo;bow stringing&ldquo;, also einem Spannen der fibularen Anlage, und einem konsekutiven Valgusrezidiv entgegenzuwirken.<sup>10</sup> Im Rahmen dieser Operation kann auch &uuml;ber denselben Zugang das untere Sprunggelenk, welches oft im Sinne einer valgischen Koalition ver&auml;ndert ist, adressiert werden.9 Am Ende der Operation erfolgen die Anlage eines Hexapoden-Fixateurs unter Einschluss des Fu&szlig;es und die Verl&auml;ngerung der Tibia &uuml;ber eine zus&auml;tzliche proximale Osteotomie (Abb. 5).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb5.jpg" alt="" width="784" height="793" /><br />In F&auml;llen mit deutlicher Instabilit&auml;t am Kniegelenk f&uuml;hren wir im Verlauf eine Kniestabilisierung durch, welche ebenfalls von Paley beschrieben und mit dem Terminus &bdquo;Super&ldquo; versehen wurde.<sup>7</sup> Es handelt sich hierbei um eine Kombination aus einer Kreuzbandrekonstruktion in einer McIntosh-&bdquo; over-the-top&ldquo;- und &bdquo;reversed&ldquo; McIntosh- Technik und &ndash; bei der h&auml;ufig zus&auml;tzlich vorliegenden Patellalateralisation/ Subluxation &ndash; einer Langenski&ouml;ld-Patella- Retinaculum-Plastik mit Grammont-Transposition der Patellasehne. Bei dieser Operation wird aus der Fascia lata ein vorderes Kreuzband gewonnen, welches hinter dem lateralen Seitenband und &uuml;ber eine &bdquo;Over the top&ldquo;-Route schlie&szlig;lich in einem Bohrkanal innerhalb der Tibiaepiphyse verankert wird. Hierbei wird auch der N. peroneus communis dargestellt und nach distal neurolysiert. Der zweite Z&uuml;gel der Fascia wird unter der Patellasehne nach medial gebracht, dort um den Ansatz der Adduktor- magnus-Sehne geschlungen und mit sich selbst vern&auml;ht. Dies stabilisiert die hintere Schublade und besonders die mediale rotatorische Subluxation (Abb. 6).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb6.jpg" alt="" width="788" height="642" /><br />Die tibiale Hemimelie ist noch deutlich seltener als die beiden oben beschriebenen Entit&auml;ten. Die Inzidenz wird auf 1 : 1 000 000 gesch&auml;tzt, wobei eine famili&auml;re H&auml;ufung beschrieben ist. Oft zeigen sich eine zus&auml;tzliche Polydaktylie oder ein kurzer erster Strahl am Fu&szlig;. Auch bei der Tibiahemimelie hat Paley eine sehr gute, aber auch sehr detailreiche Klassifikation entwickelt.<sup>11</sup> W&auml;hrend mildere Formen mit einer Verl&auml;ngerung oder komplexen Verl&auml;ngerung mit Knochentransport behandelt werden k&ouml;nnen, ist bei vollst&auml;ndigem Fehlen der Tibia eine Zentralisation der Fibula m&ouml;glich.<sup>11, 12</sup> Um dabei dennoch ein Tibiaplateau und eine gewisse Bandstabilit&auml;t zu erzielen, hat Weber eine Technik beschrieben, bei der die Patella zum Tibiaplateau umgewandelt wird und durch einen Visierlappen Seitenb&auml;nder geschaffen werden.<sup>11, 13</sup> W&auml;hrend es Einzelfallberichte mit durchaus guten funktionellen Ergebnissen gibt, was auch unserer Erfahrung mit diesen Eingriffen entspricht, sind in der Literatur keine klinischen Fallserien dieser teils sehr aufwendigen Rekonstruktionen beschrieben, die einen prozentuellen Anteil an &bdquo;funktionell erfolgreichen&ldquo; Rekonstruktionen beschreiben w&uuml;rden. Selbst Paley hat bisher keine klinischen Ergebnisse seiner rekonstruktiven Techniken<sup>11</sup> ver&ouml;ffentlicht, wodurch den Rekonstruktionen bei schweren Tibiahemimelien ab Typ IVb etwa Experimentelles anlastet. In diesen F&auml;llen beraten wir die Eltern auch hinsichtlich der M&ouml;glichkeit einer Amputation und Prothesenversorgung. Bei fehlender Patella und fehlendem Streckapparat ist die Amputation zu empfehlen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a2-abb7.jpg" alt="" width="1025" height="521" /></p> <h2>Kongenitale Tibiapseudarthrose</h2> <p>Die kongenitale Tibiapseudarthrose (&bdquo;congenital pseudarthrosis of the tibia&ldquo;, CPT) ist mit einer Inzidenz von 1 : 190 000 recht selten,<sup>14</sup> wobei &uuml;ber die H&auml;lfte der F&auml;lle mit der Neurofibromatose I vergesellschaftet ist. Es zeigt sich bei der Geburt meist keine Pseudarthrose, jedoch eine Antekurvation und Varusstellung, also eine anterolaterale Verbiegung der Tibia eher im distalen Drittel. Die Pseudarthrose wird meist erst nach Gehbeginn um das 3. Lebensjahr offensichtlich. Die Klassifikation nach Crawford unterscheidet rein morphologisch 4 Typen,<sup>15</sup> ist aber der neueren Klassifikation nach Paley deutlich unterlegen, da diese wiederum therapierelevant ist.<sup>16</sup> <br />Die Behandlung bestand lange darin, eine Fraktur bzw. Pseudarthrose m&ouml;glichst lange durch konservative Schienung des Unterschenkels zu verhindern. Eine operative Korrektur sollte erst bei manifester Pseudarthrose oder Fraktur und nicht vor dem 3. Lebensjahr stattfinden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich durch die Verbiegung des Knochens &ndash; und dann besonders bei manifester Pseudarthrose &ndash; sekund&auml;re Ver&auml;nderungen am Sprunggelenk und an den Weichteilen einstellen, die sp&auml;ter kaum oder schwierig zu beheben sind. Aus diesem Grund wird nun auch die sehr fr&uuml;he Korrektur, auch vor manifester Pseudarthrose, empfohlen. <br />Eine intramedull&auml;re Schienung oder Plattenfixation und Knochenspananlage k&ouml;nnen nur in etwa 50 % zu einer Ausheilung f&uuml;hren. Mikrochirurgische Techniken mit gef&auml;&szlig;gestieltem Fibulatransfer zeigten zwar deutlich bessere Ergebnisse, waren aber mit Komplikationen im Bereich des Hebedefekts und Fraktur oder Achsabweichung verbunden.<sup>17</sup> Eine besondere Verbesserung brachte die Kombination von intramedull&auml;rer Schienung und Fixateur, wie sie von Thabet und Mitarbeitern beschrieben wurde.<sup>18</sup> Bei dieser Operationstechnik wird die Pseudarthrose reseziert, das proximale Knochenende zugespitzt, in das distale Ende invaginiert und von Beckenkammsp&auml;nen und einem Periostlappen ummantelt. Mit einem intramedull&auml;ren Bohrdraht oder Nagel werden die Fragmente gef&uuml;hrt. &Uuml;ber einen Mehretagen- Ringfixateur erfolgt dann die Kompression der distalen Pseudarthrose bei gleichzeitiger Verl&auml;ngerung durch eine proximale Tibiakortikotomie. Obwohl mit dieser Technik Heilungsraten von bis zu 100 % erreicht werden konnten, zeigte sich nach wie vor das Problem der Refraktur, die oft Jahre nach erfolgreicher Heilung auftreten kann. Aus diesem Grund modifizierte Paley die Technik der Cross-Union von Choi<sup>19</sup> und fasste diese Modifikation in seiner XUnion- Technik zusammen.<sup>16</sup> Das Prinzip dieser Operation ist es, eine m&ouml;glichst breite kn&ouml;cherne Br&uuml;cke zwischen Tibia und Fibula zu schaffen und damit die Refraktur zu verhindern. <br />Zuerst erfolgt etwa 2 Wochen pr&auml;operativ die Gabe von Zoledrons&auml;ure sowie Kalzium und Vitamin D. Dies soll die Resorption der sp&auml;ter zwischen Tibia und Fibula angelagerten Spongiosa verhindern. Bei der Operation wird zuerst das krankhafte Periost rund um die Tibiapseudarthrose und an der Fibula reseziert. Es wird die Muskulatur des vorderen Kompartiments samt den Gef&auml;&szlig;en und dem N. peroneus profundus von der Tibia abgehoben und nach lateral gebracht. Schlie&szlig;lich muss auch das hintere Kompartiment er&ouml;ffnet werden, um das Periost zirkul&auml;r entfernen zu k&ouml;nnen, was aufgrund der Prokurvation der Tibia in der Regel leicht gelingt. Es erfolgt dann die sparsame Resektion der Pseudarthrose an Tibia und Fibula so weit, dass eine Begradigung durchgef&uuml;hrt werden kann. Im n&auml;chsten Schritt erfolgt nun die Stabilisierung, bei sehr jungen Patienten mit einem Rush-Pin oder besser mit einem Fassier-Duval-Nagel (Pega Medical). Im n&auml;chsten Schritt muss nun Beckenkamm- Spongiosa gewonnen werden. Es ist eine maximale Menge an Spongiosa erforderlich, was ein Aufklappen und vollst&auml;ndiges Ausr&auml;umen des Beckenkammes erforderlich macht. Im selben Schritt wird auch von der medialen Beckenschaufel ein Periostlappen gewonnen. An der Pseudarthrose wird nun zuerst &bdquo;bone morphogenetic protein&ldquo; (BMP, InductOs&reg;, Medtronic) eingelegt, dann wird der Periostlappen &uuml;ber die Pseudarthrose gewickelt und die Spongiosa eingebracht, welche wiederum mit BMP belegt wird. Die Fixation erfolgt entweder bereits zuvor &uuml;ber eine winkelstabile Platte oder am Ende mit einem Fixateur externe (Abb. 7). Die Verwendung einer Unterschenkelschiene mit ventralem Deckel ist bis zum Wachstumsabschluss erforderlich. Eine Verl&auml;ngerung an der proximalen Tibia ist dann im Verlauf m&ouml;glich oder kann auch direkt im selben Schritt &uuml;ber eine zus&auml;tzliche proximale Osteotomie erfolgen.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Unsere langj&auml;hrigen Erfahrungen mit Hexapoden-Fixateuren sowie auch unsere gro&szlig;e Fallserie von Verl&auml;ngerungsmarkn&auml;geln f&uuml;hren dazu, dass die reine Verl&auml;ngerung des Knochens und die Herstellung anatomischer Gelenkswinkel in fast allen F&auml;llen gelingen. Das Vermeiden von Komplikationen am Weg dorthin und besonders Weichteilmanagement und Gelenksfunktion sind damit in den Mittelpunkt ger&uuml;ckt. Die beschriebenen rekonstruktiven Eingriffe sind teils sehr anspruchsvoll und setzen viel Erfahrung mit den Details und Techniken der Beinverl&auml;ngerung voraus.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Radler C et al.: Prenat Diagn 2014; 34(10): 940-5 <strong>2</strong> Paley J et al.: Prenat Diagn 2005; 25(6): 435-8 <strong>3</strong> Paley D: Lengthening reconstruction surgery for congenital femoral deficiency. In: Herring JA, Birch JG (eds): The Child With a Limb Deficiency. 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