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Komplikationen nach intramedullärer Versorgung per- und subtrochantärer Frakturen

<p class="article-intro">Aufgrund jährlich steigender Patientenzahlen von intramedullärer Osteosynthese bei per- und subtrochantären Frakturen und damit einhergehend absolut steigender Zahlen von Komplikationen sowie Revisionseingriffen in Verbindung mit diesem Operationsverfahren, entschloss man sich an unserer Abteilung zur Anlage einer Patientendatenbank. Diese hat das Ziel, zum Zweck der Qualitätssicherung, Fortbildung und wissenschaftlichen Auswertung alle ab dem Jahr 2008 mittels Gamma-Nagel an unserer Abteilung operierten Patienten vorerst retrospektiv zu erfassen und einen Überblick über Komplikationen und Outcome zu erlangen sowie pro futuro zur weiteren Datenanalyse das Patientenkollektiv durch Hinzufügen laufender Fälle am Letztstand zu halten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mittlerweile werden an unserer Abteilung auch stabile pertrochant&auml;re Frakturen mit gegebener medialer Abst&uuml;tzung mittels Gamma-Nagel versorgt, da rezente internationale Literatur die geringere Komplikationsrate gegen&uuml;ber dem extramedull&auml;ren Verfahren der DHS belegen konnte und gerade beim hochbetagten geriatrischen Patienten der deutlich gewebeschonendere Zugangsweg die Rate an Weichteilkomplikationen senkt. Ein weiterer Vorteil des Gamma-Nagels ist die unmittelbare postoperative Mobilisierung unter Vollbelastung, weshalb durch Immobilit&auml;t verursachte Komorbidit&auml;ten und Dekompensationen eines Organsystems mit potenziell letalem Ausgang gegen&uuml;ber der DHS reduziert werden k&ouml;nnen. Weiters belegt eine Vergleichsstudie der beiden Implantatformen eine mit 6mm geringere Nachsinterung der Fraktur bei intramedull&auml;rer Versorgung gegen&uuml;ber durchschnittlich 9mm bei Operation mittels DHS. Ungeachtet des Frakturtyps &uuml;bertragen intramedull&auml;re Verfahren die Biegespannung gleichm&auml;&szlig;ig auf den medialen und lateralen Pfeiler, w&auml;hrend bei fehlender medialer Abst&uuml;tzung beim Verfahren der DHS die Kraft als Biegespannung am lateralen Pfeiler fokussiert wird und es so zum fr&uuml;hzeitigen Verbiegen des Implantats und zur Aufhebung des Gleitprinzips kommen kann.<br /> War fr&uuml;her im angloamerikanischen Sprachraum die intramedull&auml;re Versorgung per- und subtrochant&auml;rer Frakturtypen eine Ausnahme, so empfiehlt die American Academy of Orthopaedic Surgeons mittlerweile in den Guidelines aus dem Jahr 2014 ebenfalls die Versorgung mit intramedull&auml;ren Verfahren bei subtrochant&auml;ren Frakturen mit sehr hoher Evidenz. Eine deutsche Multicenterstudie mit gesamt 3942 mittels intramedull&auml;rer Osteosynthese versorgten Patienten konnte den Nachweis erbringen, dass die gef&uuml;rchtete Hauptkomplikation des Cutting-outs haupts&auml;chlich mit einer zu ventralen Fehlpositionierung der Schenkelhalsschraube verbunden ist und somit gro&szlig;teils durch pr&auml;zise Operationstechnik vermeidbar w&auml;re. Die korrekte Platzierung des Zieldrahts f&uuml;r die Schraubenpositionierung ist unabdingbar, da eine korrekturpflichtige Kopfschraubenlage Substanzdefekte hervorruft und deshalb nur durch einen Verfahrenswechsel behoben werden darf.</p> <h2>Methodik der Datenbank</h2> <p>Steigende Fallzahlen h&uuml;ftnaher Frakturen sowie deren &Auml;tiologie und Pathogenese sind hinl&auml;nglich bekannt und in der Literatur zahlreich beschrieben. Die Versorgung mittels intramedull&auml;ren Osteosyntheseverfahrens stellt heute einen Standardeingriff des in industrialisierten Nationen t&auml;tigen Traumatologen dar. Folglich sind nat&uuml;rlich auch vermehrte absolute Zahlen an peri- sowie postoperativen Komplikationen nach diesen vermeintlichen Routineeingriffen zu verzeichnen. Zum Erlangen eines &Uuml;berblicks &uuml;ber die Komplikationen nach Gamma-Nagel-Operationen an unserer Abteilung wurde im Jahr 2015 begonnen, eine Datenbank zu erstellen, in der alle Patienten, welche ab 2008 mittels Gamma-Nagel operiert wurden, elektronisch erfasst werden. Der Fokus zielt darauf ab, Komplikationsh&auml;ufigkeiten abh&auml;ngig von Frakturtyp nach AO sowie gew&auml;hltem Implantat (kurzer 200mm-Standard-Gamma-Nagel statisch verriegelt vs. langer Gamma-Nagel) aufzuzeigen und Fallbeispiele f&uuml;r Qualit&auml;tssicherung, Fortbildung sowie Mitarbeiterschulungen aus dem erfassten Patientenkollektiv extrahieren zu k&ouml;nnen.<br /> Die Datenerfassung erfolgte durch Analyse der OP-B&uuml;cher und OP-Dokumentationssoftware, die Datenverwaltung wird mittels Microsoft Excel betrieben. Informationen bez&uuml;glich Implantatwahl und Komplikationen werden aus den OP-Berichten und Krankenakten &uuml;bernommen, die Frakturklassifikation erfolgt durch Traumatologen anhand der pr&auml;operativen R&ouml;ntgenaufnahmen an einer Bildbefundungskonsole nach der international anerkannten AO-Klassifikation. Erfasst werden neben Alter und Geschlecht jedes Komplikationspatienten die Frakturseite sowie der Frakturtyp nach AO, die pr&auml;sowie postoperative station&auml;re Verweildauer, eine etwaige orale Antikoagulanzientherapie sowie ob eine pr&auml;operative Extension mittels Kirschnerdrahts durchgef&uuml;hrt wurde. Weiters werden alle Komplikationen wie Nagelbr&uuml;che, Bolzenbr&uuml;che, Cutting-out, Schaftsprengungen, Fehlbohrungen oder Schraubenmigration sowie revisionsw&uuml;rdige Weichteilkomplikationen erfasst und alle Revisions- und Folgeeingriffe chronologisch gelistet. Bei Bedarf ist es somit einfach, auf alle fallbezogenen Daten und R&ouml;ntgenaufnahmen ohne langwierige Recherche zur&uuml;ckzugreifen.</p> <h2>Zwischenergebnis und Ausblick</h2> <p>Ein vorl&auml;ufiges Zwischenergebnis konnte im Rahmen der Jahrestagung der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Unfallchirurgie im Oktober 2016 pr&auml;sentiert werden. Dabei handelte es sich um die Auswertung der Daten von 1004 Patienten, welche in den Jahren 2008 bis 2012 an unserer Abteilung operativ versorgt wurden. Hierbei zeigte sich eine erh&ouml;hte relative H&auml;ufigkeit nagelassoziierter Komplikationen beim langen Gamma-Nagel, welcher gesamt in 8 % der F&auml;lle angewandt wurde, mit 29,4 % verglichen mit 70,6 % bezogen auf den Standard-Gamma- Nagel. 42 % der Komplikationen stellte das Cutting-out dar, gefolgt von 15 % Migrationen der Schenkelhalsschraube sowie 9 % Migrationen des distalen Verriegelungsbolzens und 9 % Nagelbr&uuml;chen. Weiters fand sich eine geringe Zahl an H&uuml;ftkopfnekrosen, Schaftsprengungen, Fehlbohrungen sowie prominent &uuml;berstehender Schenkelhalsschrauben. Unter den Komplikationspatienten fand sich eine gesamt Reoperationsrate von 72,1 % , davon wurde bei 33,8 % ein Wechsel auf eine H&uuml;fttotalendoprothese vollstreckt, in 20 % fand ein Revisionseingriff ohne Verfahrenswechsel statt und in 18,3 % wurden Weichteilrevisionen durchgef&uuml;hrt. Gesamt zeigte sich eine spezifische Komplikationsrate von 5,98 % , welche sich somit im unteren Drittel im internationalen Vergleich befindet.<br /> Aktuell wird die Datenbank stetig erweitert, es befinden sich derzeit rund 1500 Patienteneintr&auml;ge darin. Im Jahr 2013 wurden 209, im Jahr 2014 bereits 264 Patienten mittels Gamma-Nagels an unserer Abteilung versorgt, wobei sich aber die operative Revisionsrate von 6,22 % auf 5,30 % verringerte. Ziel ist es, weitere Patientendaten auszuwerten und das n&auml;chste Zwischenergebnis &uuml;ber ein Kollektiv von 2000 Patienten bei Erreichen dieser Patientenzahl zu ver&ouml;ffentlichen. Da sich die meisten nagelassoziierten Komplikationen in einem Zeitraum von unter 12 Monaten nach Implantation ereignen, ist unser Ziel nach vollst&auml;ndiger Erfassung aller Patienten, zuk&uuml;nftig jeweils mit Ende des Folgejahres geb&uuml;ndelt die Komplikationsauswertung vorzunehmen, um die Mindest-Follow-up-Dauer von 12 Monaten nicht zu unterschreiten. Nachtr&auml;glich aufgetretene Komplikationen werden bei Wiedervorstellung an der Abteilung jeweils individuell aktualisiert.</p> <h2>Exemplarisches Fallbeispiel</h2> <p>Eine 68-j&auml;hrige Patientin zog sich bei einem Sturz unter Clopidogrel-Therapie eine per- und subtrochant&auml;re Femurfraktur links AO31-A3.3 zu. Nach Umstellung der Antikoagulation und Normalisierung der Gerinnungswerte wurde am 5. Tag nach Aufnahme die Osteosynthese mittels 360mm-Gamma-Nagels geplant. Aufgrund einer unphysiologischen vermehrten Antekurvation des Femurschaftes sowie eines extrem engen Markraums trotz Aufbohrens in gewohntem Ausma&szlig; kam es intraoperativ zur Komplikation einer Schaftsprengung. Die Problematik konnte beim Ersteingriff durch Einbringen eines 240mm-Gamma-Nagels nach Aufbohren des Markraumes auf 14,5mm Durchmesser, Anlagerung von Spongiosa in die Defektzone sowie Verplattung der distalen Defektzone beherrscht werden. In der R&ouml;ntgenkontrolle nach 10 Tagen zeigte sich jedoch die Nagelspitze des Gamma- Nagels nach ventral durchgebrochen, folglich wurde eine CT des Femurs durchgef&uuml;hrt, um nach Ausmessung der exakten Schaftachse ein ma&szlig;gefertigtes Spezialimplantat anfertigen zu lassen. Bis zur Anfertigung des Spezialimplantates mit vermehrter Antekurvation und einer L&auml;nge von 360mm bei Standarddurchmesser wurde die Patientin teilbelastend mobilisiert, die endg&uuml;ltige osteosynthetische Versorgung erfolgte komplikationsfrei 8 Wochen nach dem Prim&auml;reingriff. Nach intensiver Bewegungstherapie konnte die Patientin schlie&szlig;lich nach weiteren 4 Wochen schmerzfrei und vollbelastend bei blandem Gangbild und ohne verbleibende Fehlstellungen entlassen werden.</p> <h2>Take-Home-Message</h2> <p>Eine sorgf&auml;ltige und &uuml;bersichtliche Datenerfassung hat besonders in Zeiten steigender Eingriffszahlen trotz anf&auml;nglichen Mehraufwands deutliche Vorteile, da hiermit auf Dauer mittels vereinfachten Zugriffs relevante Kennzahlen und Ergebnisse wissenschaftlich extrahiert und aufgearbeitet werden k&ouml;nnen. Von der Verbesserung der Operationsresultate durch daraus abgeleitete und zur Lehre und Fortbildung angewandte Fallbeispiele profitiert letztendlich der Patient. Peri- und postoperative Komplikationen nach intramedull&auml;rer Osteosynthese werden niemals g&auml;nzlich vermeidbar sein, durch aktive Fehleranalyse und Fortbildungen ist die Komplikationsrate jedoch sicherlich noch weiter auf noch bessere Resultate zu senken. Das Fallbeispiel zeigt, dass selbst schwere Komplikationen durch auf den individuellen Patienten fokussierte L&ouml;sungsans&auml;tze auf Dauer ohne Folgesch&auml;den beherrschbar sein k&ouml;nnen.<br /> Internationale Studien belegen, dass die intramedull&auml;re Versorgung der trochant&auml;ren Frakturen unabh&auml;ngig vom Frakturtypus indiziert ist und keine zwingende Indikation zur Anwendung einer extramedull&auml;ren Osteosynthese besteht. Die Gesamtkomplikationsrate unseres Patientenkollektivs von 5,98 % mit weiterhin sinkender Tendenz best&auml;tigt unsere Vorgehensweise bez&uuml;glich der Implantatwahl und deckt sich mit weiteren internationalen Publikationen. Die raschere Mobilisierung des betagten Patienten ist durch die damit einhergehende Senkung immobilit&auml;tsbedingter Komorbidit&auml;ten von Vorteil f&uuml;r den Patienten und bietet einen nicht zu verachtenden positiven gesundheits&ouml;konomischen Nebenaspekt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s38_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="717" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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