
Knochenmetastasen und Osteomalazie
Bericht: Reinhard Hofer
Prostata- oder Mammakarzinome sind mit einem erheblichen Risiko für Knochenmetastasen verbunden. Durch einen multidisziplinären Ansatz, die Verwendung von Biomarkern und ein konsequentes Follow-up sollen „skeletal-related events“ (SREs) verhindert werden. Denosumab, als potenzielle Behandlungsoption bei knochenmetastasierendem Brustkrebs, zeigte sich bei der Verzögerung oder Vorbeugung von SREs der Zoledronsäure überlegen.
Das Skelett ist am häufigsten von metastasierendem Brust-/Prostatakrebs betroffen, was häufig mit hoher Morbidität einhergeht. Die Knochenmorbidität ist mit Schmerzen, Hyperkalzämie, pathologischen Frakturen oder Kompression des Rückenmarks bzw. der Nervenwurzeln verbunden.
„Beim Mammakarzinom nisten sich die Krebszellen vorwiegend im Knochen ein (sog. Homing) und lassen durch entsprechende Reize Metastasen entstehen. Diese sind mit einer ungünstigen Prognose verbunden und können oft noch 5, 10 oder 20 Jahre nach einer primären Krebsbehandlung auftreten“, erklärte Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Georg Pfeiler, Leiter der onkologischen Brustambulanz der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und der Ambulanz für Knochengesundheit, Medizinische Universität Wien. Patientinnen nach einer Brustkrebsoperation scheinen ein sehr langsam abnehmendes Rezidivrisiko zu haben. Die mittlere Rezidivgefahr zwischen den Jahren 5 und 12 nach der Operation beträgt 4,3% pro Jahr.1
Risiko durch Ovarektomie
Knochenmetastasen treten bei Frauen ohne Ovarektomie vor der Menopause selten auf, während eine Ovarektomie (OVX) das Wachstum von disseminierten Brusttumorzellen im Knochen stimuliert. In einem Mausmodellgelang erstmals der Nachweis, dass Zoledronsäure das Fortschreiten des Tumors im Knochen spezifisch durch Hemmung der OVX-induzierten Proliferation von im Knochenmark residenten Tumorzellen verhindert.2 In der Studie wurde der Status vor und nach der Menopause nachgeahmt, um die Auswirkungen von Zoledronsäure auf das Tumorwachstum im Knochen zu untersuchen und einen unterschiedlichen Antitumoreffekt in diesen beiden Situationen zu demonstrieren. Es zeigte sich, dass eine OVX innerhalb von 2 Wochen einen signifikanten Knochenverlust im Vergleich zur Gruppe mit Scheinovarektomie (SHAM) induziert, der durch Zoledronsäure vollständig gehemmt wurde.
83% der OVX-Tiere hatten nachweisbare Tumoren in den langen Knochen, da die OVX eine Veränderung der Knochenmikroumgebung, die das Tumorwachstum stimuliert, bewirkt. Vor der Menopause hatte Zoledronsäure keinen Einfluss auf das Tumorwachstum im Knochen. Im Gegensatz dazu verhinderte Zoledronsäure nach der Menopause das Tumorwachstum im Knochen in der OVX-Gruppe vollständig.
Faktoren, welche die Metastasierung fördern
Ein Östrogen- oder Vitamin-D-Mangel trägt zu einer Knochenmikroumgebung bei, die Knochenmetastasen fördern kann. „Endokrine und parakrine Faktoren modulieren verschiedene Aspekte von Knochenmetastasen, einschließlich Tumorproliferation, die Anfälligkeit des Skeletts für Tumor-Homing, die zur Unterstützung der Tumorpersistenz erforderliche Mikroumgebung und die Einleitung eines Teufelskreises zwischen Tumor- und Knochenzellen, der das Tumorwachstum weiter fördert“, so Pfeiler. CXCR-4, ein im Knochen exprimiertes Rezeptorprotein aus der Familie der Chemokinrezeptoren, kann an der Brustkrebszelle andocken und so das „Überwintern“ der Krebszellen unterstützen.3 Auch die epithelial-mesenchymale Transition (EMT), ein zellulärer Prozess, bei dem Epithelzellen ihre Zellpolarität und -verbindungen verlieren und sich in mesenchymale Stammzellen verwandeln, spielt bei der Metastasierung von Karzinomen eine Rolle. Dabei ermöglicht der Verlust von E-Cadherin den Tumorzellen die Loslösung aus dem Zellverband und das anschließende Durchwandern der Basalmembran. Die Aktivierung des GAS6-Rezeptors wiederum bewirkt, dass aus einer ruhenden Tumorzelle im Knochen eine aktive werden kann.4 Die Knochengesundheit kann durch bestehende Krebsbehandlungen, insbesondere durch Sexualhormonmangel, weiter beeinträchtigt werden.5
Gepoolte Daten einer großen amerikanischen Untersuchung zeigten, dass Knochenmetastasen in 60–80% der Fälle bei fortgeschrittener Erkrankung auftreten. Sie verursachen bei Brustkrebspatientinnen in 80–85% osteolytische Läsionen und osteoblastische (sklerotische) Läsionen beim Prostatakrebs. Bei 12,5% der Brustkrebspatientinnen ist nur der Knochen betroffen („bone only“), bis zu 15% sind es bei einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom. Durchschnittlich wurden in allen Studien bei 49% der metastasierten Patienten Knochenmetastasen identifiziert.6
Komplikation Skelettereignis
SREs gehören zu den schwerwiegendsten Komplikationen von Knochenmetastasen. Sie werden durch eine Hyperkalzämie bzw. deren Symptome (Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Depressionen, Übelkeit und Erbrechen, Verstopfung, Nierensteine und Nierenschäden, Muskelschmerzen und Muskelschwäche sowie Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit, Koma) begünstigt. Knochenmetastasen bilden aufgrund der Art der Knochendefekte, ihrer sklerotischen und osteolytischen Komplexität und aufgrund des Mangels an Sensitivität, Spezifität und räumlicher Bedeutung eine Ausnahme in Reaktionsbewertungssystemen. Knochenszintigrafie, MRT und PET können die frühe Infiltration des Knochenmarks durch Krebs detektieren und diese Infiltration mithilfe von morphologischen Bildern, quantitativen Parametern und funktionellen Ansätzen quantifizieren.7
Die Prognose einer metastasierten Knochenerkrankung hängt von deren primärer Stelle ab. Die Tumorzelle aktiviert beim Prostatakarzinom vor allem die Osteoblasten, die Mammakarzinomzelle die Osteoklasten. Die Osteoklasten setzen wiederum Faktoren frei, welche die Tumorzelle stimulieren. Das Vorhandensein einer extraossären Erkrankung sowie das Ausmaß und das Tempo der Knochenerkrankung, die durch knochenspezifische Marker messbar sind, sind starke Prädiktoren für das Fortschreiten der Krankheit.8
Ein Reviewkonnte zeigen, dass man mit Bisphosphonaten (BP) das Auftreten von SREs hinauszögern kann, unabhängig davon, ob bereits ein Event vorliegt oder nicht.9 Bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und klinisch offensichtlichen Knochenmetastasen verringert die Verwendung von BP (oral oder intravenös) zusätzlich zur Hormontherapie oder Chemotherapie im Vergleich zu Placebo oder keinen BP das Risiko, ein Skelettereignis zu entwickeln. Einige BP können auch Knochenschmerzen bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und klinisch offensichtlichen Knochenmetastasen lindern und die globale Lebensqualität verbessern. Von den derzeit verfügbaren BP reduziert Zoledronat 4mg i.v. das Risiko, ein Skelettereignis zu entwickeln, um 41%, verglichen mit 33% bei Pamidronat 90mg i.v., 18% bei Ibandronat 6mg i.v., 14% bei Ibandronat 50mg oral und 16% bei Clodronat 1600mg oral.9
Risikofaktoren für Kiefernekrose
Vor Beginn einer Bisphosphonattherapie sollten die Patienten einer umfassenden zahnärztlichen Untersuchung unterzogen werden. In einer Kohortenstudiekonnte gezeigt werden, dass zahnärztliche Extraktionen und die Verwendung von Zahnersatz starke Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteonekrose des Kiefers (ONJ) darstellen.10 Es wurden die Inzidenz und die Risikofaktoren für ONJ bei Patienten mit Krebs, die mit intravenösem Zoledronat, Ibandronat oder Pamidronat behandelt worden waren, berechnet. Eingeschlossen waren 1621 Patienten, die monatlich 29006 BP-Dosen intravenös erhielten. Die rohe ONJ-Inzidenz betrug 8,5%, 3,1% und 4,9% bei Patienten mit multiplem Myelom, Brustkrebs bzw. Prostatakrebs. Patientinnen mit Brustkrebs zeigten ein reduziertes Risiko für die ONJ-Entwicklung, das sich nach Anpassung an andere Variablen als nicht signifikant herausstellte. Multivariate Analysen zeigten, dass die Verwendung von Zahnersatz, die Vorgeschichte der Zahnextraktion, jemals Zoledronat erhalten zu haben und jede Zoledronatdosis mit einem erhöhten Risiko für die ONJ-Entwicklung verbunden waren. Rauchen, Parodontitis und Wurzelkanalbehandlung erhöhten das Risiko für ONJ bei BP-Patienten nicht.
Denosumab vs. Zoledronsäure
Ein Vergleich von Denosumab mit Zoledronsäure sollte zeigen, wie SREs bei Patienten mit Brustkrebs und Knochenmetastasen verzögert bzw. verhindert werden können.11 Die Patienten erhielten randomisiert alle 4 Wochen entweder Denosumab 120mg subkutan plus Placebo intravenös (n=1026) oder Zoledronsäure 4mg intravenös plus Placebo subkutan (n=1020). Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum ersten SRE (definiert als pathologische Fraktur, Bestrahlung oder Operation am Knochen oder Kompression des Rückenmarks) im Laufe der Studie.
Es zeigte sich, dass Denosumab hinsichtlich der Verzögerung der Zeit bis zum ersten SRE innerhalb der Studie und der Zeit gegenüber der ersten und nachfolgenden (mehrfachen) SREs der Zoledronsäure überlegen war. Das Gesamtüberleben, das Fortschreiten der Krankheit und die Häufigkeit unerwünschter bzw. schwerwiegender Ereignisse waren zwischen den Gruppen ähnlich, die Reduktion der Knochenumsatzmarker war bei Denosumab größer. Eine Hypokalzämie trat mit Denosumab häufiger auf, eine ONJ war insgesamt selten (2% mit Denosumab; 1,4% mit Zoledronsäure; p=0,39).
Quelle:
28. Osteoporoseforum, 15.–17. Oktober 2020, St. Wolfgang
Literatur:
1 Saphner T et al.: J Clin Oncol 1996; 14: 2738-46 2 Holen I et al.: Cancer Res 2012; 72(24): Abstract nr PD07-08 3 Cabioglu N et al.: Clin Exp Metastasis 2005; 22(1): 39-46 4 Taichman RS et al.: Plos One 2013; https://doi.org/10.1371/journal.pone.0061873 5 Hofbauer LC et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2014; 2(6): 500-12 6 Wedam SB et al.: J Clin Oncol 2018; 36(12): 1225-31 7 Lecouvet FE et al.: Eur J Cancer 2014; 50(15): 2519-31 8 Coleman RE: Clin Cancer Res 2006; 12(20): 6243s-9s 9 Pavlakis N et al.: Cochrane Database Syst Rev 2005; 3: CD003474 10 Vahtsevanos K et al.: J Clin Oncol 2009; 27(32): 5356-62 11 Stopeck AT et al.: J Clin Oncol 2010; 28(35): 5132-9