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Klassifikation von Kurzschaftsystemen in der Hüftendoprothetik

<p class="article-intro">Der Trend zu minimal invasiven Zugängen und die Probleme, die beim Oberflächenersatz auftreten, haben zur Weiterentwicklung von Kurzschaftprothesen geführt. Mit schenkelhalsteilerhaltenden Systemen können durch den guten Erhalt von Offset und Beinlänge klinisch exzellente Ergebnisse erreicht werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der endoprothetische Ersatz des H&uuml;ftgelenkes ist eine extrem erfolgreiche Operation, er wurde sogar als Operation des Jahrhunderts bezeichnet (Learmonth et al 2007). Die Patienten, die eine endoprothetische H&uuml;ftversorgung erhalten, sind zunehmend aktiver und anspruchsvoller und haben das Ziel einer guten H&uuml;ftfunktion. Eine steigende Anzahl der Patienten ist zum Zeitpunkt der Operation j&uuml;nger als 60 Jahre (Jerosch 2013). Dieser Trend hat dazu gef&uuml;hrt, dass gerade weichteilschonende und knochensparende Operationstechniken von Patienten immer mehr nachgefragt werden. Hierbei gilt es, verschiedene Ziele zu erreichen. Zum einen ist der Knochenerhalt w&auml;hrend der Operation wichtig. Es darf jedoch zum anderen nicht ohne Ber&uuml;cksichtigung bleiben, dass auch der Knochenerhalt im Laufe der weiteren Jahre ganz relevant ist (&bdquo;osteogene Kompetenz des Implantates&ldquo;) (Salemyr et al 2015; Yamako et al 2015). Manche Implantate sind hier durch ein ausgesprochenes Stress-Shielding gekennzeichnet, was im Laufe der Jahre zu erheblichen Knochenverlusten f&uuml;hren kann. Daneben ist auch die Rekonstruktion der Beinl&auml;nge und des Offsets ein ganz wichtiges Element. Beide Faktoren h&auml;ngen voneinander ab. Bei guter Rekonstruktion des Offsets ist zur Stabilisierung des H&uuml;ftgelenkes eine Beinverl&auml;ngerung nicht notwendig (Weber et al 2014; Kutzner et al 2014; Jerosch et al 2011; Jerosch 2014), sie wurde daher fr&uuml;her bei der Versorgung von Patienten mit Endoprothesen nicht ausreichend beachtet (Jerosch, Funken 2004). Dies hat dazu gef&uuml;hrt, dass nach wie vor bei einer Vielzahl von Patienten postoperativ eine Beinl&auml;ngendifferenz zum Teil mit erheblichen funktionellen Einschr&auml;nkungen zu erkennen ist (Edeen et al 1995).</p> <h2>Inhomogene Nomenklatur</h2> <p>Im Rahmen dieses Trends wurden minimal invasive Zug&auml;nge entwickelt (Basad et al 2009), welche das Weichteiltrauma, insbesondere den Grad der Muskelverletzung, deutlich reduzierten (Jerosch et al 2012). Gleichzeitig kam es nach Erkennen der Problematik beim Oberfl&auml;chenersatz zu klinisch relevanten Weiterentwicklungen im Bereich der Kurzschaftprothesen (Jerosch 2011, 2016). Das zunehmende Interesse an Kurzschaftprothesen zeigt sich auch an den Verkaufszahlen in Deutschland und anderen europ&auml;ischen L&auml;ndern. W&auml;hrend die Standardsch&auml;fte mehr oder weniger konstant bleiben, kommt es doch zu einem deutlichen prozentualen Anstieg der Zahl der Kurzschaftprothesen.</p> <p>Im klinischen Alltag, aber auch in der wissenschaftlichen Literatur findet sich jedoch eine gro&szlig;e Inhomogenit&auml;t bei der Nomenklatur dieser Systeme. Es finden sich Begrifflichkeiten wie schenkelhalserhaltende Prothesen, meta-, epiphys&auml;r, metadiaphys&auml;r verankerte Prothesen, Mikroprothesen, ultrakurze Sch&auml;fte, Schenkelhalsprothesen u.v.a.m. <br /> Biomechanisch reichen die Implantate von den sehr kurzen, den Schenkelhals nahezu komplett erhaltenden Systemen (Spiron-Prothese, Silent-Prothese, BHRMR) bis hin zu Prothesen, bei denen nur der distalste Teil von Standardprothesen gek&uuml;rzt wurde. Letztendlich handelt es sich bei diesen Sch&auml;ften um Systeme, die den Standardsch&auml;ften sehr &auml;hnlich sind.</p> <p>Ein Versuch der Klassifikation wurde verschiedentlich in der Literatur durchgef&uuml;hrt (Khanuja et al 2014; Falez et al 2015). Feyen und Shimmin (2014) verfolgen bei ihrer Klassifikation vornehmlich die L&auml;nge des Schaftes und die Fixierung im Knochen. Falez et al (2015) klassifizieren in Schenkelhalsprothesen, Teil-Schenkelhalsprothesen, trochanter&shy;erhaltende und trochanterverletzende Prothesen. Morlock und Bishop (2011) differenzieren Prothesen mit extramedull&auml;rer Abst&uuml;tzung (z.B. Druckscheibenprothese), intramedull&auml;rer Abst&uuml;tzung sowie Prothesen ohne Abst&uuml;tzung. Nach dieser Klassifikation sind die derzeit im Markt relevanten Kurzschaftprothesen Prothesen mit intramedull&auml;rer Abst&uuml;tzung.</p> <p>Eine in der Literatur mehrfach zitierte Klassifikation empfiehlt, die Osteotomieh&ouml;he als diskriminierenden Faktor zu w&auml;hlen (Jerosch et al 2011, 2016). Diese unterscheidet in schenkelhalserhaltende, schenkelhalsteilerhaltende und schenkelhalsresezierende Kurzsch&auml;fte. Hierbei werden nicht nur die L&auml;nge der Prothese, sondern insbesondere auch die zugrunde liegende Biomechanik sowie die Implantatverankerung ber&uuml;cksichtigt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s24.jpg" alt="Tab.1" width="2150" height="1022" /></p> <h2>Schenkelhalserhaltende Prothesen</h2> <p>Am meisten Knochen bleibt prim&auml;r bei den schenkelhalserhaltenden Systemen bestehen. Hierbei sind jedoch eine sehr gute Knochenqualit&auml;t sowie ein CCD-Winkel von &uuml;ber 130 Grad notwendig (Cut/ESKA, Silent/DePuy, Spiron/K-implant).</p> <h2>Schenkelhalsresezierende Prothesen</h2> <p>Bei den schenkelhalsresezierenden Systemen erfolgt weitestgehend eine Standardresektion des Schenkelhalses. Um die individuelle patientenadaptierte Biomechanik (Offset, Beinl&auml;nge) herzustellen, ist es notwendig, entweder mit einer gro&szlig;en Zahl von Schaftgr&ouml;&szlig;en (z.B. Fitmore) oder mit einer modularen Prothese (z.B. Metha) zu arbeiten. Nur so k&ouml;nnen dann entsprechende Rekonstruktionen von Offset, Beinl&auml;nge, Ante- und Retrotorsion durchgef&uuml;hrt werden (Jerosch 2013). Eine der klassischen Prothesen in diesem Bereich, die Mayo-Prothese (1985) der Firma Zimmer, hatte schon fr&uuml;hzeitig gute klinische Langzeitergebnisse gezeigt. Aufgrund des hohen CCD-Winkels war sie jedoch nicht in der Lage, Beinl&auml;nge und Offset ausreichend zu korrigieren (Abb. 1). Diese Prothese ist zwischenzeitlich vom Markt genommen.</p> <p>Die urspr&uuml;nglich konzeptionell &auml;hnliche Metha-Prothese (Aesculap) versuchte, die Nachteile der Mayo-Prothese durch Modularit&auml;t auszugleichen (von Lewinski 2015). Hier kam es jedoch im Bereich des Konus zu Materialversagen, sodass eine Monoblockprothese entwickelt wurde, die auch der Notwendigkeit des reduzierten CCD-Winkels Rechnung trug. <br />Die ebenfalls schenkelhalsresezierende Proxima-Prothese war sehr trochanterausf&uuml;llend und hat hier zu erheblichem Knochenverlust gef&uuml;hrt; sie ist auf dem deutschen Markt nicht mehr erh&auml;ltlich. Die Fitmore-Prothese der Firma Zimmer-Biomet ben&ouml;tigt eine hohe Zahl von Designvarianten (56 Sch&auml;fte), um Offset und Beinl&auml;nge zu rekonstruieren (Jerosch 2012).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s25_1.jpg" alt="Abb. 1" width="1417" height="815" /></p> <h2>Schenkelhalsteilerhaltende Prothesen</h2> <p>Die gr&ouml;&szlig;ten M&ouml;glichkeiten hinsichtlich der Rekonstruktion von Beinl&auml;nge und Offset bieten die schenkelhalsteilresezierenden Implantate, welche die Beinl&auml;nge und das Offset nicht durch Metall (hohe Anzahl an Prothesentypen oder Modularit&auml;t), sondern durch Knochen (H&ouml;he der Resektion) rekonstruieren (Jerosch 2013; Pfeil 2014) (Abb. 2).</p> <p>Bei Positionierung des Implantates im Rahmen der pr&auml;operativen Planung wird die Resektionsh&ouml;he entsprechend festgelegt. Das Prinzip ist hier eine sogenannte Top-down-Planung. Das bedeutet, dass zun&auml;chst das Rotationszentrum der Pfanne festgelegt wird. Dann wird ein Schaft gew&auml;hlt, welcher ein &bdquo;fit and fill&ldquo; des Schenkelhalses erm&ouml;glicht. Dieses legt dann die Resektionsebene fest (Abb. 3). Entsprechend wird der Schaft intraoperativ individuell der Anatomie im Varus- und Valgus-Sinne angepasst.<br /> Eine tiefe Osteotomie ist &uuml;blicherweise bei einer valgischen Positionierung notwendig und eine hohe Resektion mit varischer Positionierung bei einer varischen H&uuml;fte (Kutzner et al 2014; Jerosch 2012).</p> <p>Urspr&uuml;nglich wurde ein Schenkelhalserhalt bereits durch Charnley konzeptionell angestrebt, um ein erh&ouml;htes Offset zu erhalten (Abb. 4). In der Kurzschaftendoprothetik sind fr&uuml;he Beispiele f&uuml;r schenkelhalsteil&shy;erhaltende Kurzsch&auml;fte der Pipino-Schaft von 1978 (Link) sowie der C.F.P.-Schaft von 1999 (Link). Die Philosophie dieser Sch&auml;fte konsequent weiter fortgef&uuml;hrt haben u.a. Sch&auml;fte wie der Nanos-Schaft 2004 (Smith &amp; Nephew), die MiniHip 2007 (Corin) sowie der Optimys-Schaft 2010 (Mathys).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s25.jpg" alt="Abb. 2-4" width="2109" height="1153" /></p> <p>Bez&uuml;glich der Operationstechnik bieten die schenkelhalsteilresezierenden Prothesen die Vorteile der Weichteil- und Muskelschonung im Vergleich zu den konventionellen Standard-Geradsch&auml;ften (Pfeil, Siebert 2010). Weiterhin wird der Trochanter-major-Bereich oss&auml;r geschont. Die Lernkurve ist kurz und beinhaltet insbesondere die ad&auml;quate pr&auml;operative Planung. Dennoch sollte von Firmen das Konzept &bdquo;no train - no use&ldquo; beachtet werden. Intraoperativ ist darauf zu achten, dass nach Resektion die Prothese im posterolateralen Quadranten der Resektionsebene eingebracht wird. Dies erlaubt eine sogenannte &bdquo;Around corner&ldquo;-Technik (Jerosch 2013). <br /> Durch den guten Erhalt von Offset und Beinl&auml;nge sind klinisch exzellente Ergebnisse zu erreichen (Kutzner et al 2014; Ettinger et al 2013). Babisch (2013) zeigte mittels digitaler Planung unterschiedlicher Schenkelhalsgeometrien (varisch, valgisch), wie Beinl&auml;nge und Offset pr&auml;zise mit diesen schenkelhalsteilerhaltenden Kurzsch&auml;ften rekonstruiert werden k&ouml;nnen. Es zeigt sich, dass auch schwierige anatomische und biomechanische Situationen des proximalen Femurs, beispielsweise bei angeborenen Anomalit&auml;ten, Dyplasien oder nach Trauma, mit schenkelhalsteilresezierenden Kurzschaftendoprothesen durchaus gut anatomisch zu versorgen sind. Dies ist mit Standardsch&auml;ften gerade nicht der Fall, was sich insbesondere bei erheblich vermehrter Antetorsion auswirkt (Windhagen 2015).</p> <p>Hinsichtlich der Frage der prim&auml;ren und sekund&auml;ren Stabilit&auml;t kann man festhalten, dass schenkelhalserhaltende Kurzschaftsysteme im Vergleich zu klassischen Geradsch&auml;ften eine gleich gute oder sogar verbesserte prim&auml;re Stabilit&auml;t aufweisen (Bieger et al 2012). Die sekund&auml;re Stabilit&auml;t mittel DEXA- oder R&ouml;ntgenuntersuchung zeigt eine stabile Situation (Kutzner et al 2016; Freitag et al 2014; Budde et al 2015, Ercan et al 2015). Eine initiale femorale Sinterung kann durch eine 6-w&ouml;chige Teilbelastung in der Regel verhindert werden (Bishop et al 2010).</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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