Die Kadiläsionen, was war das noch mal …???

<p class="article-intro">In den Jahren 2017 und 2018 wurden seitens der Patientenanwaltschaft Vorarlberg Begehren von Kindern und Jugendlichen (0–18 Jahre) in insgesamt 70 Fällen gestellt. Davon entfielen 27 % auf das Fachgebiet der Unfallchirurgie: ein Grund, um die Kadiläsionen wieder ins Gedächtnis zu rufen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei den 5 Kadil&auml;sionen handelt es sich um teils seltene, teils sehr h&auml;ufige Verletzungen im Wachstumsalter.</li> <li>Bei der Diagnostik und Bildgebung an Ellenbogen, Knie und Sprunggelenk ist an diese Verletzungen zu denken.</li> <li>Das Wissen um diese Traumata und deren korrekte Diagnostik und Behandlung ist auch von gro&szlig;er Bedeutung, um juristische Komplikationen zu vermeiden.</li> </ul> </div> <p>Der Begriff der Kadil&auml;sion geht auf Lutz v. Laer zur&uuml;ck, der ihn erstmals erw&auml;hnte. Er versteht darunter &bdquo;unscheinbar erscheinende Verletzungen mit schwerwiegenden Komplikationen&ldquo;. Sprich: Wenn sie &uuml;bersehen werden, f&uuml;hren sie vor den Kadi mit den dazugeh&ouml;renden Folgen. An sie zu denken, sie zu erkennen und zu therapieren und ihre m&ouml;glichen Komplikationen sollen in diesem Artikel erl&auml;utert werden.</p> <p>Anders als beim Erwachsenen ist beim kindlichen Knochenskelett das Wachstum mit zu bewerten: das Wachstumspotenzial, das Korrekturpotenzial und die sich daraus ergebenden Therapien. Ein immer noch angewandtes Verfahren zur Diagnosefindung ist das Anfertigen von R&ouml;ntgenaufnahmen der gesunden Gegenseite. Dies f&uuml;hrt jedoch meist zu noch mehr Unsicherheit. Dabei w&auml;re es oft ein Einfaches, mittels der Hilfslinien und genaueren Kenntnis der Verletzung zur sicheren Diagnose und somit optimalen Therapie zu kommen.</p> <p>Bei den Kadil&auml;sionen handelt es sich um insgesamt 5 Verletzungen des kindlichen Skelettes: 3 davon an der oberen Extremit&auml;t und 2 an den unteren Extremit&auml;ten. An der oberen Extremit&auml;t sind dies die instabile radiale Kondylusfraktur, die traumatische Radiuskopfluxation und der Rotationsfehler der suprakondyl&auml;ren Humerusfraktur, an der unteren Extremit&auml;t die metaphys&auml;re Valgusbiegungsfraktur der proximalen Tibia und die mediale Malleolarfraktur (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_a3-abb1.jpg" alt="" width="786" height="263" /></p> <h2>Die instabile Fraktur des radialen Kondylus</h2> <p>Sie ist die zweith&auml;ufigste Ellenbogenverletzung (ca. 1,5 % aller Frakturen), die stets die Fuge kreuzt und somit eine Gelenksfraktur darstellt. Der Altersgipfel dieser Verletzung ist im 5. Lebensjahr. Sie entsteht durch einen Sturz auf den ausgestreckten Arm. W&auml;hrend dissoziierte Frakturen eindeutig im R&ouml;ntgen zu diagnostizieren sind, stellen die undislozierten Frakturen ein Problem dar. Der Grund daf&uuml;r ist die knorpelig angelegte Trochlea. So werden eindeutig dislozierte Frakturen offen reponiert und retendiert, die stabilen nicht dissoziierten Frakturen k&ouml;nnen konservativ im Oberarmgips behandelt werden. Problematisch jedoch sind die anscheinend nicht dislozierten stabilen Frakturen, die sekund&auml;r dislozieren und dann zu Fehlstellungen f&uuml;hren. M&ouml;gliche Optionen der Diagnose sind die Sonografie, die aber in unseren Breiten noch nicht sehr vertreten ist, oder das MR, welches zum einen eine logistische Herausforderung (zeitnahe Untersuchung) darstellt und zum anderen meistens mit einer Analgosedierung des Patienten einhergeht. Eine Abhilfe aus dieser Misere ist das gipsfreie R&ouml;ntgen am 4./5. Tag. Dabei kann eine Dislokation festgestellt und in weiterer Folge die operative Versorgung (Schraubenosteosynthese) durchgef&uuml;hrt werden.<br />Eine &uuml;bersehene instabile Fraktur mit Dislokation des radialen Kondylus f&uuml;hrt &ndash; infolge der Konsolidierung in der Fehlstellung durch Ruhigstellung &ndash; zu Valgusfehlstellung mit einer m&ouml;glichen Irritation des N. ulnaris und somit zu einer erheblichen Instabilit&auml;t im Ellbogengelenk. Zu denselben Komplikationen kommt es auch durch eine insuffiziente operative Versorgung infolge unzureichender Reposition oder durch zu geringe Kompression der Fraktur. Dies f&uuml;hrt zu Konsolidierungsst&ouml;rungen mit einem radialen Mehrwachstum und einer Varisierung der Ellenbogenachse. Daraus resultieren kosmetisch st&ouml;rende Fehlstellungen und Instabilit&auml;t.</p> <h2>Die traumatische Radiuskopfluxation</h2> <p>Sie ist eine Verletzung, die in jedem Alter auftreten kann. Die Ursachen f&uuml;r Luxationen und Luxationsfrakturen sind mannigfaltig. Gefordert werden muss aber, dass bei jeder Verletzung des Unterarmes die benachbarten Gelenke, wie eigentlich bei jeder Verletzung der langen R&ouml;hrenknochen, mit abgebildet werden. Ob diese Verletzung mit einer Pathologie der Ulna vergesellschaftet ist (Monteggia-L&auml;sion) oder nicht, ist ebenso wichtig wie die Stellung des Radiuskopfes zum Capitulum. Dies kann anhand einer Hilfslinie, welche mittig durch den Schaft der Speiche gelegt wird und in allen Ebenen das Capitulum im Zentrum treffen sollte, im R&ouml;ntgen diagnostisch dargestellt werden.<br />Eine diagnostizierte Radiusk&ouml;pfchenluxation kann im Regelfall nach Beseitigung der Pathologie an der Elle behoben werden. Tunlichst sollte eine offene Reposition des K&ouml;pfchens vermieden werden, da die Gef&auml;&szlig;versorgung im proximalen Radius sehr vulnerabel ist. Ebenso ist eine transartikul&auml;re Fixierung des K&ouml;pfchens obsolet. <br />Eine &uuml;bersehene veraltete Radiusk&ouml;pfchenluxation kann einerseits Deformierungen im Sinne eines Cubitus hypervalgus, mit oder ohne Instabilit&auml;t, und im weiteren Verlauf m&ouml;gliche Irritationen des N. ulnaris nach sich ziehen und andererseits auch zu starken Beschwerden f&uuml;hren. Eine Prognose dieser Sp&auml;tfolgen kann nicht gemacht werden, da es in Einzelf&auml;llen auch veraltete &uuml;bersehene Luxationen gibt, die f&uuml;r den Patienten keine Einschr&auml;nkungen bedeuten. Das Problem dieser &uuml;bersehenen Verletzungen ist eine Deformierung der Gelenksfl&auml;chen, deren sp&auml;tere Korrektur nicht mehr m&ouml;glich ist.</p> <h2>Unscheinbare Dislokation der suprakondyl&auml;ren Humerusfraktur</h2> <p>Diese sehr h&auml;ufige Verletzung am Ellenbogen (6,5 % der Frakturen im Wachstumsalter) entsteht durch den Sturz auf den gestreckten Arm im Sinne eines Extensionstraumas. Das Flexionstrauma ist nur in ca. 2 % der F&auml;lle die Ursache. Die gel&auml;ufige Klassifikation nach von Laer teilt diese Verletzungen in 4 Typen ein, wobei das Augenmerk vor allem auf den Typen III und IV liegt. Diese sollten im Zuge einer operativen Versorgung in eine stabile korrekte Form gebracht werden. Eine beibehaltene Fehlstellung in der Hauptebene f&uuml;hrt zu Streck- bzw. Beugedefiziten. Die belassene (&uuml;bersehene) Antekurvation erf&auml;hrt ab dem 6. Lebensjahr keine Korrektur mehr, folglich kommt es zu einer Flexionshemmung (funktionelle Komplikation). Diese k&ouml;nnte leicht anhand der Rogers-Linie (eine Tangente, an der Vorderseite des Humerusschaftes positioniert), welche das Capitulum im Normalfall im &Uuml;bergang vom mittleren zum hinteren Drittel schneidet, diagnostiziert werden. <br />Eine weitere Komplikation dieser Br&uuml;che ist die Rotation. Diese kann in der seitlichen Aufnahme durch die Darstellung des Rotationssporns festgestellt werden. Infolge dieser Fehlstellung kommt es zu einem Abkippen des Gelenkblockes und in weiterer Folge zu einem Cubitus varus, selten zu einem Valgus. Dies bedingt kosmetische Komplikationen.</p> <h2>Metaphys&auml;rer Valgusbiegungsbruch der proximalen Tibia</h2> <p>Hierbei handelt es sich um eine sehr seltene Verletzung (lediglich ca. 0,2 % der Frakturen im Wachstumsalter), die aber bei Fehlbehandlung eine deutliche Fehlstellung des Beines nach sich zieht (XBein). Diese Fraktur ist eine Biegungsfraktur im Sinne einer Gr&uuml;nholzfraktur, da die mediale Kortikalis klafft. Das ist immer ein Zeichen einer bestehenden Valgusfehlstellung. Der konservativ behandelte Bruch ohne Korrektur der Fehlstellung f&uuml;hrt durch die partiell stimulative Wachstumsst&ouml;rung zu einer Zunahme des vorbestehenden Valgus und folglich zu einer einseitigen X-Bein-Stellung. Die Therapien dieser Fehlstellung ist einerseits das Zuwarten mit L&auml;ngenausgleich auf der Gegenseite und dadurch Spontankorrektur oder andererseits eine operative Korrektur im Sinne einer Epiphyseodese.</p> <h2>Mediale Malleolarfraktur</h2> <p>Dies ist eine typische Verletzung nach Distorsionstrauma mit offenen Wachstumsfugen. Die Diagnostik kann Probleme bereiten, wenn man sich nur auf das Standardr&ouml;ntgen verl&auml;sst, da in der seitlichen Aufnahme die Fraktur nur sehr schwer erkennbar ist. Mitunter sieht man nur die Fraktur in der ap-Aufnahme, nicht aber das Dislokationsausma&szlig;. Hier ist oft eine zus&auml;tzlich gedrehte Aufnahme hilfreich. Es handelt sich hierbei um eine fugenkreuzende Verletzung, die bei Nichtbehandlung zu einem gehemmten Wachstum f&uuml;hrt, mit daraus resultierender Achsenfehlstellung. Klinisch zeigen sich eine Schwellung bzw. Druckschmerzen am Sprunggelenk innenseitig, welche f&uuml;r eine Fraktur am Innenkn&ouml;chel hellh&ouml;rig machen sollten. Wenn Bildgebung und Klinik nicht eindeutig sind, k&ouml;nnen ein MRT oder CT die letzten Zweifel ausr&auml;umen. <br />Bei einer Dislokation muss der Bruch offen reponiert und unter Schonung der Wachstumsfugen mit Kompressionsschrauben fixiert werden. Patienten mit medialen Malleolarfrakturen m&uuml;ssen mindestens f&uuml;r 2 Jahre nachkontrolliert werden.</p></p>
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