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Die Arthroskopie des Ellbogengelenks
Jatros
Autor:
Dr. Christian Krasny, MBA, MSc
Spezialteam-Leiter Hand- und Ellenbogenchirurgie<br> Orthopädisches Spital Speising, Wien<br> E-Mail: christian.krasny@oss.at
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Bei korrekter Indikationsstellung ist die Ellbogenarthroskopie ein Verfahren mit geringer Invasivität und großem Nutzen. Besonders Bewegungseinschränkungen aufgrund freier Gelenkkörper, degenerative Arthrosen mit knöchernen Anbauten und der therapieresistente Tennisarm können damit sehr gut behandelt werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Der Amerikaner Michael Burmann entwickelte 1933 ein Arthroskop, das in seinen Grundzügen bereits Merkmale heutiger Instrumente aufwies. Damit untersuchte er nicht nur das Knie-, sondern auch das Hüft- und Ellenbogengelenk. In den Folgejahren entwickelte sich die Arthroskopie insgesamt langsam. Zahlenmäßig anderen arthroskopischen Verfahren unterlegen, gewann seit 1985 die Ellenbogenarthroskopie an Bedeutung. 1994 berichtete Hempfling über 339 durchgeführte Operationen. Anhand einer Untersuchung von 150 000 arthroskopischen Eingriffen in den USA stellte Ahmed fest, dass ca. 10 % aller Eingriffe den Ellenbogen betrafen. Dank des technischen Fortschritts und der damit verbundenen Verbesserungen der Systeme ist die Ellenbogenarthroskopie heute ein standardisiertes und etabliertes Verfahren, das bei korrekter Indikationsstellung und geringem Gewebstrauma gute Behandlungsergebnisse erwarten lässt.<br /> Wegen des technischen Aufwands und der anatomischen Gegebenheiten ist die Ellbogenarthroskopie ein anspruchsvolles Verfahren. Um die Komplikationsraten möglichst niedrig zu halten, sollte der Operateur bereits arthroskopische Erfahrungen mit anderen Gelenken haben und den Eingriff häufiger als fünfmal pro Jahr durchführen.</p> <h2>Indikation</h2> <p>Nach „Evidence-based“-Kriterien ergeben sich die in Tabelle 1 angeführten Indikationen. Mit steigender Erfahrung des Operateurs kann die Indikationsstellung ausgeweitet werden. Zu den am häufigsten durchgeführten Operationen gehören die Abtragung von Osteophyten, die Entfernung freier Gelenkkörper, Kapsellösungen und Schleimhautentfernungen. Außerdem gewinnt die Tenotomie der Extensor-carpiradialis- Sehne (ECRB) zur Behandlung der Epicondylitis humeri radialis zunehmend an Bedeutung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s72_tab1.jpg" alt="" width="685" height="854" /></p> <h2>Präoperative Diagnostik</h2> <p>Im Ellenbogengelenk finden sich anatomisch drei Gelenksverbindungen: Humeroulnar-, Humeroradial- und Radioulnargelenk. Arthroskopisch sind diese ventral und dorsal zugänglich. Die genaue präoperative klinische Untersuchung sowie eine exakte Bildgebung sind entscheidend. Bewegungsumfang, Instabilitäts- sowie Provokationstests gehören unbedingt dokumentiert. Des Weiteren sind die Lokalisation und der anatomische Verlauf des N. ulnaris zwingend in die klinische Untersuchung einzubeziehen. Besonders ist zu beachten, ob der Nerv verlagert wurde oder aus dem Sulcus in Flexion subluxiert, um bei der Portanlage Nervenverletzungen zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist der Patient darüber aufzuklären, dass im Rahmen der Arthroskopie auch eine isolierte Darstellung des Nervs notwendig sein kann. Bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT und/oder MRT sind zur Komplettierung der präoperativen Diagnostik wichtig. Vor allem im 3D-CT lassen sich feie Gelenkkörper und Osteophyten gut darstellen.</p> <h2>Die OP</h2> <p>Die Arthroskopie wird entweder in Seiten- oder in Bauchlage durchgeführt (Abb. 1, 2). Wichtig dabei ist, dass der Oberarm in einer Armstütze so gelagert wird, dass der Ellbogen vollständig gestreckt und auf ca. 90–100° gebeugt werden kann. Üblicherweise führen wir die OP in Vollnarkose, in Ausnahmefällen auch in Plexusanästhesie mit Sedierung durch. Eine Oberarmblutsperre wird angelegt. Die meisten Eingriffe erfolgen tagesklinisch oder im Rahmen eines eintägigen Krankenhausaufenthaltes.<br /> Als operatives Setup empfiehlt sich jenes der konventionellen Kniearthroskopie: ASK-Optik (30° Optik/4,5mm), Wechselstab, Tasthaken, Kanülen, Shaver-System 3,5mm/4,5mm, Kugelfräsen, Conchotome, Osteotome, Meißel, HF-Geräte. Sehr selten findet auch die Kleingelenksoptik mit ca. 2,7mm Durchmesser ihre Anwendung.<br /> Begonnen wird die Ellbogenarthroskopie mit dem Auffüllen des Gelenksraumes mit ca. 20ml physiologischer Kochsalzlösung über den dorsoradialen Punktionszugang („soft spot“). Die Markierung anatomischer Landmarken wie Epikondylen, Radiuskopf, Olekranon und Sulcus n. ulnaris sowie des Nervenverlaufs ist zur besseren Orientierung zu empfehlen. Danach erfolgt die Portanlage durch Hautinzision, stumpfe Präparation an die Kapsel und Perforation mit dem Trokar. Als Standardportale des ventralen Gelenkbereiches gelten das anterolaterale und anteromediale Portal. Diese befinden sich ca. 2cm kranial und 2cm ventral des jeweiligen Epicondylus. Wechselweise können sie als Arbeits- oder Optikzugang verwendet werden. Standardportale im dorsalen Gelenksbereich stellen das transtrizipitale, das hohe dorsoradiale und das tiefe dorsoradiale Portal dar. Hierbei wird das hohe dorsoradiale Portal üblicherweise für den Optikzugang verwendet, die beiden anderen als Arbeitszugänge.<br /> Zuerst erfolgt der diagnostische „Rundgang“ im ventralen, anschließend im dorsalen Gelenksbereich (Tab. 2). Anatomische Struktur, Auffälligkeiten sowie die Knorpelstrukturen werden erfasst und dokumentiert. Die Instabilitätsdiagnostik ist von großer Bedeutung. Mit dem Wechselstab wird im humeroradialen und humeroulnaren Kompartiment die Aufklappbarkeit geprüft. Bei stabilen Bandverhältnissen lässt sich der Gelenksspalt maximal 1–2mm aufweiten. Ist es möglich, mit dem Wechselstab das Kompartiment zu passieren („drive-through sign“) und stellt sich der Gelenksspalt asymmetrisch dar, so liegt eine klare Instabilität vor, die ein offenes rekonstruktives Verfahren hinsichtlich des betroffenen Bandkomplexes erfordert (Abb. 3).<br /> Therapeutische Maßnahmen wie die Entfernung freier Gelenkkörper, die Abtragung diverser Osteophyten, Synovektomie, Mikrofrakturierung, Denervation, Arthrolysen, Knorpelshaving oder ERCBTenotomie werden nun durchgeführt. Bei allen Eingriffen ist auf eine sorgfältige Blutstillung, nicht zu großen Pumpendruck (max. 40mmHg), die Dauer der Blutsperre und ständige Überprüfung des Abstands zum N. ulnaris zu achten. Die Abbildungen 4–8 zeigen unterschiedliche intraoperative Situationen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s72_abb1.jpg" alt="" width="684" height="604" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s72_abb2.jpg" alt="" width="684" height="849" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s73_tab2.jpg" alt="" width="686" height="2069" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s73_abb3-6.jpg" alt="" width="1416" height="1459" /></p> <h2>Postoperative Behandlung</h2> <p>Die Nachbehandlung erfolgt in den allermeisten Fällen frühfunktionell. Nach der Drainentfernung am Folgetag beginnt die schmerzorientierte Mobilisation. Eine elastische Bandage ist bis zur Nahtentfernung empfohlen. Die Nahtentfernung wird üblicherweise 12 Tage nach dem Eingriff durchgeführt.</p> <h2>Komplikationen</h2> <p>Die Rate an Minor-Komplikationen wird mit ca. 11 % angegeben. Hierzu zählen passagere Nervenläsionen, Wundfisteln, oberflächliche Infektionen und vorübergehende Streckdefizite bis ca. 20°. Schwere Komplikationen mit bleibenden Schäden finden sich in rezenten Arbeiten in 0,8 % der Fälle. Sehr selten werden Kompartmentsyndrome oder CRPS beschrieben.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Die Ergebnisse sind natürlich abhängig von der durchgeführten Operation. Während durch die Bergung freier Gelenkkörper die damit verbundenen Bewegungseinschränkungen und Blockaden zu 80–90 % verschwinden, sind die Erfolge der reinen Arthrolyse und Abtragung osteophytärer Anbauten zur Verbesserung der Bewegungseinschränkung degenerativ veränderter Gelenke nicht so durchschlagend. Realistisch kann eine Verbesserung der Gesamtbeweglichkeit von 15–30° erzielt werden. Oft ist dies ausschlaggebend für die Wiedererlangung der Alltagsfähigkeiten (Nahrungsaufnahme, Körperhygiene). Arbeiten über die arthroskopische Behandlung der Epicondylitis humeroradialis zeigen im 2- bis 5-Jahres-Follow-up eine Erfolgsrate von 80 % . Hinsichtlich der Mikrofrakturierung bei Osteochondritis dissecans ist nach einer Studie von Lewine et al aus dem Jahr 2015 im 2-Jahres-Follow-up eine klinische und radiologische Besserung in ca. 70 % der Fälle zu erwarten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s74_abb7-8.jpg" alt="" width="1417" height="773" /></p></p>