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8. Oberösterreichisches Schultermeeting

Das schwierige Glenoid

<p class="article-intro">Die inverse Schulter-Totalendoprothese (TEP) in Kombination mit dem Glenoidaufbau mit autologem Knochen ist eine gute Option, um die beiden Probleme des dorsalen Knochenverlusts und der statischen posterioren glenohumeralen Instabilität zu lösen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bereits zum achten Mal fand heuer unter der Leitung von Dr. Franz Unger, Schulterchirurg am Krankenhaus Diakonissen Linz, das &bdquo;Ober&ouml;sterreichische Schultermeeting&ldquo; statt. Nationale und internationale Experten referierten &uuml;ber die neuesten Trends in der Schulterendoprothetik und die bew&auml;hrten Techniken in der Behandlung von schwierigen Glenoidsituationen.<br /> Einf&uuml;hrend gab Dr. Unger einen &Uuml;berblick &uuml;ber die &bdquo;Behandlung von Walch- Typ-C-Glenoiden im Wandel der Zeit&ldquo;. Dr. Peter Jennewein, Unfallchirurg am Klinikum Grieskirchen/Wels, sprach &uuml;ber die &bdquo;pr&auml;operative Diagnostik in der Schulterendoprothetik unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung des Glenoids&ldquo;. Primar Dr. Franz Kralinger, Wilhelminenspital Wien, widmete sich dem &bdquo;Management von Glenoiddefekten&ldquo;, OA Dr. Georg Weber, Abteilung Orthop&auml;die am Ordensklinikum Linz, dem &bdquo;ein- und zweizeitigen Prothesenwechsel&ldquo;. Im abschlie&szlig;enden Gastvortrag referierte Prof. Dr. Ulrich Brunner, Facharzt f&uuml;r Chirurgie am Krankenhaus Agatharied in Deutschland, &uuml;ber die &bdquo;Wiederherstellung der Gelenklinie bzw. Lateralisation bei der inversen Prothese: Planung, PSI, BIO-RSA und augmentierte Basisplatten&ldquo;.</p> <h2>Herausforderung TEP</h2> <p>Die Spezialisierung schreitet auch in der Schulterchirurgie immer weiter voran. Das Glenoid ist &ndash; besonders im Hinblick auf m&ouml;gliche Komplikationen und auch die Lebensdauer der Prothesen &ndash; ein wesentlicher Teilaspekt in der Schulterendoprothetik. &bdquo;Die Implantation einer Schulter-TEP bei exzessiven Pfannenretroversionen ist technisch herausfordernd und mit einer hohen Komplikations- und Revisionsrate vergesellschaftet&ldquo;, erkl&auml;rt Unger. Unabh&auml;ngig von den gro&szlig;en Fortschritten in der Schulterendoprothetik in den letzten 20 Jahren wird das therapeutische Management von schweren posterioren Glenoiddefekten (wie Walch-Typ B2 und Walch-Typ C) seit Jahren sehr kontroversiell diskutiert.<sup>1</sup> Die Klassifikation der Glenoidmorphologie stammt urspr&uuml;nglich von Gilles Walch et al. und wurde von Bercik et al. noch einmal modifiziert (Tab. 1).<sup>2, 3</sup> Die Implantation eines Glenoids in Retroversion f&uuml;hrt zu einer exzentrischen Belastung des Glenoids und zu vorzeitiger Pfannenlockerung, bei ausgepr&auml;gter Retroversion auch zur dorsalen Luxation.<sup>4</sup> Nach Keller et al. ist die Versagerrate nach Implantation einer anatomischen Schulter-TEP bei unkorrigierten Glenoiden 2,5-mal h&ouml;her als bei korrigierten Glenoiden bzw. Glenoidaufbau.<sup>5</sup><br /> Alternativ dazu f&uuml;hrt das anteriore Fr&auml;sen (&bdquo;ream and run&ldquo;) zwecks Korrektur eines exzentrischen posterioren Knochenverlustes von &gt; 10 % zu einer signifikanten Verringerung des anteroposterioren Glenoiddurchmessers.<sup>6</sup> Es wird postuliert, dass beim &bdquo;ream and run&ldquo; in der Glenoidretroversion eine Korrektur bis maximal 15&deg; erfolgen soll, da es ansonsten zu einer zu starken Medialisierung der Gelenkslinie mit Entfernung des kortikalen Knochens und erh&ouml;hter Gefahr der Glenoidlockerung kommt.<sup>7</sup><br /> Wie schon eine Publikation aus dem Jahr 1997 zeigen konnte, kommt es durch eine Hemiprothese zu einem progressiven Knochenverlust am Glenoid. Bei 47 % der Patienten wurde ein persistierender und sogar zunehmender Schmerz registriert.<sup>8</sup><br /> Der Glenoidaufbau mit Knochenspan oder augmentiertem Glenoid ist notwendig bei pr&auml;operativer Glenoidretroversion von &gt; 16&deg;. Um die Implantatpositionierung und die Ergebnisse zu optimieren, soll auf eine Retroversion von 6&deg; korrigiert werden.<sup>9</sup><br /> Bei der anatomischen TEP mit Glenoidaufbau kommt es bedingt durch die posteriore Subluxation des Oberarmkopfes zu einer exzentrischen Glenoidkomponente mit einer erh&ouml;hten Lockerungsrate. Eine Arbeit zum Thema &bdquo;Anatomische TEP mit Glenoidaufbau&ldquo; mit 94 inkludierten Patienten und einem durchschnittlichen Follow- up (FU) von f&uuml;nf Jahren konnte mit &bdquo;akzeptablen subjektiven und objektiven Ergebnissen&ldquo; (Unger) aufwarten: Die Revisionsrate betrug 16,3 %, der Anteil der Glenoidlockerung 20,6 %.<sup>10</sup></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s53_tab1.jpg" alt="" width="1299" height="766" /></p> <h2>Inverse TEP mit Glenoidaufbau</h2> <p>Die inverse Prothese f&uuml;hrt zwar zu einer besseren Fixation und Stabilit&auml;t verglichen mit der anatomischen Prothese, aber auch zu einer h&ouml;heren Komplikationsrate. &bdquo;Das semiconstrained Design einer inversen Schulterprothese k&ouml;nnte die L&ouml;sung f&uuml;r die statische posteriore Instabilit&auml;t des Oberarmkopfes sein&ldquo;, so Unger. In einer Studie mit 27 Walch-Typ-B2-Patienten mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 4,5 Jahren und einem durchschnittlichen Alter von 74 Jahren hat sich der Constant- Score (CS) von 31 auf 76 verbessert. Es kam zu einer Fr&uuml;hlockerung und drei neurologischen Komplikationen.<sup>11</sup><br /> Bei 54 Patienten mit gewinkelter Bio- RSA (&bdquo;reverse shoulder arthroplasty&ldquo;) B2 und C und OA-Kopf-Autograft mit einem durchschnittlichen FU von 36 Monaten stieg der CS von 31 auf 68. In der Retroversion kam es zu einer durchschnittlichen Korrektur von &ndash;21&deg; auf &ndash;10,6&deg;, einer Infektion und zwei aseptischen &bdquo;Baseplate&ldquo;- Lockerungen. Die komplette Graft-Inkorporation gelang in 94 % der F&auml;lle.<sup>12</sup></p> <h2>3D-Planung</h2> <p>&bdquo;Das Ziel der 3D-Planung muss es sein, unsere chirurgische Technik hinsichtlich der stabilen Fixierung der Glenoidkomponenten mit eventueller Rekonstruktion bzw. Korrektur der Version, Inklination und Korrektur der medialisierten Joint Line zu verbessern&ldquo;, erkl&auml;rt Dr. Jennewein. An der Scapula mit ihrem Glenoid besteht hinsichtlich ihrer Form eine enorme Variabilit&auml;t (bikonkav, disloziert, abgewinkelt, dysplastisch, neutral). Eine h&auml;ufige (&bdquo;normale&ldquo;) Glenoidretroversion gemessen im axialen CT-Schnitt (Scapulaachse/glenoidale Oberfl&auml;che) betr&auml;gt 0&deg; bis 10&deg; nach Friedmann. Bei der Messung der Glenoidretroversion nach der &bdquo;Vault-Methode&ldquo; wird als Referenzlinie die Verbindung zwischen Pfannenmitte und Schnittpunkt des vorderen und hinteren Scapulahalses verwendet.<sup>13</sup><br /> &bdquo;Eine pr&auml;operative 3D-Planungssoftware erm&ouml;glicht die Verbesserung der virtuellen Glenoidpositionierung und beeinflusst den Entscheidungsprozess wesentlich&ldquo;, so Jennewein. Die Messungen der Glenoid-Version und die Beurteilung der Klassifikation nach Walch sowie der Inklination (E1-, E2- und E3-Glenoide) sind in der 3D-Rekonstruktion mit Wiederherstellung der Joint Line und somit Korrektur der Medialisierung bei rTSA wesentlich genauer als im konventionellen 2D-CT. Hoenecke et al. empfehlen grunds&auml;tzlich die OP-Planung mittels 3D-CT, da in vielen CT-Untersuchungen die Scapulaachse in der Planung nicht korrekt getroffen wurde und sich dadurch in der Messung Unterschiede von bis zu 5&deg; ergaben.<sup>14</sup></p> <h2>Ein- und zweizeitiger STEP-Prothesenwechsel</h2> <p>Indikationen zum Prothesenwechsel sind aseptische oder septische Lockerungen (etwa durch chronische Infekte), Infektionen ohne Lockerung (akutes Ereignis), Trauma (preriprothetische Frakturen mit und ohne Implantatausbruch), Luxationen oder sehr selten auch Tumoren (prim&auml;re Tumoren oder sekund&auml;re Filiae). Ursache f&uuml;r eine aseptische Lockerung k&ouml;nnen der Inlay- Abrieb mit Lockerung durch Polyethylenpartikel (z. B. Osteolysen, eventuell mit gr&ouml;&szlig;eren Defekten eines oder beider Gelenkspartner), eine insuffiziente Verankerung (Prothese eventuell zu klein &ndash; keine stabile Verankerung, Zementlockerung, mechanische &Uuml;berlastung, Osteolyses&auml;ume, Stress-Shielding), Materialbruch oder Malpositionen der Prothesenanteile (vermehrter Abrieb, Schmerzen durch &Uuml;ber/Fehlbelastung) sein. &bdquo;Die h&auml;ufigste Wechselindikation ist eine Infektion&ldquo;, erkl&auml;rt Dr. Weber. Eine chronische Infektion mit niedrigpathogenen Keimen &ndash; etwa Staphylococcus epidermidis oder Cutibacterium acnes &ndash;, akut aufgepfroft auf eine aspetische Lockerung, kann zur septischen Lockerung f&uuml;hren und eine Wechselindikation sein. Bei einer Infektion bei festsitzendem Implantat bestehen die akuten Therapieoptionen aus dem Wechsel der mobilen Anteile und einer Synovektomie.<br /> Der ein-/zweizeitige Wechsel wird meist bei kurz zur&uuml;ckliegender Implantation und bei Chronifizierung (Wechsel ein-/zweizeitig, da die Keime meist schon zwischen Implantat und Knochen sitzen) durchgef&uuml;hrt. &bdquo;Bei einem Trauma oder einem Tumor kann der Implantatausbruch durch die periprothetische Fraktur mit gr&ouml;&szlig;eren Defekten einhergehen&ldquo;, so Weber. Wenn eine suffiziente Verankerung m&ouml;glich ist, kann eine einzeitiger Wechsel erfolgen. Zweizeitig ist er, wenn ein Knochenaufbau n&ouml;tig ist und der Knochen einheilen muss.<br /> Ursachen f&uuml;r eine Luxation k&ouml;nnen eine Weichteilinsuffizienz, besonders der Rotatorenmanschette, oder eine Malposition eines Prothesenanteils (v. a. bei Knochendefekten posttraumatisch oder unzureichender Lateralisation bei inverser Prothese) sein. In einer Untersuchung von Hausdorf et al. (&bdquo;The dislocated shoulder prosthesis &ndash; an avoidable disaster?&ldquo;) betrug im Zeitraum von 2000 bis 2006 bei 190 Endoprothesen der Schulter die Inzidenzrate 1,6 %.<sup>15</sup></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 8. Oberösterreichisches Schultermeeting: „Das schwierige Glenoid“, 17. Oktober 2019, Puchberg bei Wels </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Stephens SP et al.: Am J Bone Joint Surg Am 2015; 97(3): 251-9 <strong>2</strong> Walch G et al.: J Arthroplasty 1999; 14(6): 756-60 <strong>3</strong> Bercik MJ et al.: J Shoulder Elbow Surg 2016; 25(10): 1601-6 <strong>4</strong> Farron A et al.: J Shoulder Elbow Surg 2006; 15(4): 521-6 <strong>5</strong> Keller J et al.: Orthopedics 2006; 29(3): 221-6 <strong>6</strong> Gillespie R et al.: Orthopedics 2009; 32(1): 21 <strong>7</strong> Clavert P et al.: J Shoulder Elbow Surg 2007; 16(6): 843-8 <strong>8</strong> Levine WN et al.: J Shoulder Elbow Surg 1997; 6(5): 449-54 <strong>9</strong> Sabesan V et al.: J Shoulder Elbow Surg 2014; 23(7): 964- 73 <strong>10</strong> Walch G et al.: J Shoulder Elbow Surg 2012; 21(11): 1526-33 <strong>11</strong> Mizuno N et al.: J Bone Joint Surg Am 2013; 95(14): 1297-304 <strong>12</strong> Boileau P et al.: J Shoulder Elbow Surg 2017; 26(12): 2133-42 <strong>13</strong> Matsumura N et al.: J Orthop Surg Res 2014; 9(1): 17 <strong>14</strong> Hoenecke HR Jr et al.: J Shoulder Elbow Surg 2010; 19(2): 166-71 <strong>15</strong> Hausdorf J et al.: Orthopade 2007; 36(10): 944, 946-9</p> </div> </p>
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